18.04.2024

Mindblow

«‹MusicStar› widerspiegelt die Nuller-Jahre»

Am Sonntag startet die neuste SRF-Serie «Mindblow». Drehbuchautor und Regisseur Eric Andreae sagt im Interview, warum der Gedanke, Nachrichten in die Vergangenheit zu schicken, ihn seit seiner Kindheit beschäftigt. Und wie die Serie Leute unter 45 Jahren ansprechen will.
Mindblow: «‹MusicStar› widerspiegelt die Nuller-Jahre»
«Die Grundidee hatte ich schon lange», sagt Headautor und Regisseur Eric Andreae im Interview. (Bilder: SRF/Pascal Mora)

Eric Andreae, was würden Sie Ihrem 20 Jahre jüngeren Ich per SMS schreiben, wenn Sie, wie die Hauptfigur in «Mindblow», die Möglichkeit hätten?
Ich würde ihm zuerst raten, etwas mehr Geduld mit dem eigenen Leben zu haben. Dann würde ich mir einen Tag lang den Kopf darüber zerbrechen, ob ich ihm nicht doch noch ein paar nützliche und sinnvolle Tipps, wie Bitcoin kaufen und verkaufen, mitgeben soll, und vielleicht einige Tragödien verhindern. Aus Neugierde könnte ich es dann nicht lassen und würde darauf hoffen, dass das Universum nicht gleich implodiert.

Die Serie ist aus einer Ausschreibung hervorgegangen. SRF suchte 2020 neuen Stoff für ein Publikum unter 45 Jahren. Haben Sie das Konzept im Hinblick auf diese Ausschreibung entwickelt oder hatten Sie die Idee dafür schon vorher?
Die Grundidee hatte ich schon lange zuvor. Die Ausschreibung habe ich zum Anlass genommen, die Idee mehr auszuarbeiten.

Wie kamen Sie auf die Idee für diese Geschichte?
Das Bedürfnis, eine Nachricht in die Vergangenheit zu schicken, hatte ich zum ersten Mal, als ich elf Jahre alt war und einen Schulkameraden in einem tödlichen Unfall verlor. Eine kurze Nachricht hätte gereicht, um dies zu verhindern. Der Gedanke liess mich seither nicht mehr los. Daraus entstand ein Gedankenspiel, welches ich dreissig Jahre später in der Geschichte von «Mindblow» lebendig werden lassen konnte.

«Wahrscheinlich hat die Geschichte einen Nerv getroffen»

Welche Elemente aus «Mindblow» sprechen ein Publikum unter 45 Jahren an?
Man erlebt eine Geschichte aus zwei Perspektiven. Entweder ist man um die 40 und hat sich schon einmal gefragt, was wäre, wenn man das eine oder andere anders gemacht hätte im Leben. Würde man woanders stehen, wäre man womöglich glücklicher? Oder man ist um die 20, und die Zukunft klopft an und hat grosse Erwartungen. Man hat Angst, falsche Entscheidungen zu treffen. Beide Gefühle kommen in der Serie stark zum Ausdruck und sprechen Personen im jeweiligen Alter an. Zudem nimmt die Serie die Zuschauerinnen und Zuschauer auf eine Reise in eine Zeit, in der sie selbst noch jung oder sogar Kind waren. Zusätzlich entsteht durch das Sci-Fi-Element – die Hauptfigur landet immer wieder in neuen Lebensrealitäten – eine sehr wilde und abwechslungsreiche Geschichte.

Wie geht man vor, wenn man für eine Ausschreibung von SRF ein Konzept entwickelt? Was darf in einer Geschichte für das öffentliche Fernsehen nicht fehlen?
Für mich persönlich macht es keinen Unterschied, ob es für ein öffentliches Medienhaus ist oder nicht. Ich will eine Geschichte erzählen, die ich als relevant empfinde und schlussendlich auch mir selbst Freude bereitet, wenn ich sie sehe. Ich bin der Meinung, dass es keine gute Voraussetzung ist, wenn man versucht, etwas oder jemandem gerecht zu werden.

«Mindblow» hat sich gegen 222 Eingaben durchgesetzt. Woran liegt es, dass Ihr Konzept heraussticht?
Wenn ich das wüsste. Man ist immer sein grösster Kritiker. Wahrscheinlich hat die Geschichte einen Nerv getroffen. Natürlich habe ich mich sehr gefreut, dass das SRF uns dieses Vertrauen gegeben hat. Aber die wahre Prüfung steht noch bevor. Am wichtigsten ist mir, dass das Publikum sich von «Mindblow» unterhalten und angeregt fühlt.

«Wir haben uns mit dem Zeitgeist der Nuller-Jahre auseinandergesetzt»

Produzentin der Serie ist Sophie Toth von Shining Film. Vorher hat sie auch die Erfolgsserie «Tschugger» produziert. Was hat sie zu «Mindblow» beigetragen?
Ohne Sophie wären Projekte wie «Mindblow» oder «Tschugger» niemals möglich. Sie erkennt das Potenzial und ist die Erste, welche einem den Mut gibt, eine Idee rauszutragen. Zudem gibt sie einem während des ganzen Prozesses Rückendeckung und weiss, wie man die Vision einer Idee verteidigt. Abgesehen davon nimmt sie als Creative Producerin auch an den Writer’s Room Sessions teil und bringt sich stark in der Entwicklung mit ein.

Kürzlich wurde eine 20-Jahr-Jubiläumssendung von «MusicStar» ausgestrahlt. Nun gibt es auch in Ihrer Serie ein Revival. Ist das ein Zufall?
Wir haben uns mit dem Zeitgeist der Nuller-Jahre auseinandergesetzt, und da kommt man in der Schweizer Pop-Kultur von damals nicht um «MusicStar» herum. Schlussendlich ist sie wie jede andere Talentshow aus dieser Zeit und widerspiegelt die Nuller-Jahre daher auch sehr deutlich. «Du kannst alles schaffen, wenn du nur willst», wurde den jungen Menschen damals gepredigt. Diesen Zeitgeist wollten wir reflektieren und kritisch beleuchten. «MusicStar» ist ein ideales Vehikel dazu. So gesehen war es kein Zufall, jedoch wussten wir im Writer’s Room erst nicht, dass es eine «MusicStar»-Jubiläumssendung geben wird.

Sind Sie selbst «MusicStar»-Fan?
Als 22-Jähriger war ich damals kein direkter Fan der Sendung, doch als Mitglied der Jugendfernsehsendung «VideoGang» habe ich mich stark damit auseinandergesetzt und wurde schlussendlich auch davon in den Bann gezogen.

Der ehemalige «MusicStar»-Kandidat Baschi hat ein Cameo in der Serie. Durch Deep-Fake-Technologie sieht er aus wie vor 20 Jahren. Wie fühlt man sich als Regisseur dabei, eine Technik zu verwenden, die im Internet dazu dient, Leute in die Irre zu führen?
Film und Video ist schon seit eh und je ein Mittel zur Täuschung. Filme sind Meister der Illusion, deswegen sind sie auch so beliebt. Sie entführen uns in andere Welten. Die Deep-Fake-Technologie ist ein weiteres Mittel, welches zu dieser Illusion beiträgt, wie dies Inszenierung, Kameraführung oder der Schnitt alle auch tun.

«Die Trilogie ‹Back to the Future› hat mein filmisches Schaffen geprägt»

Deep-Fake wird aber oft zur gezielten Täuschung genutzt.
Es gibt in der Tat einen grossen Unterschied zwischen Illusionen kreieren und gezielter Täuschung. Als Filmemacher muss man sich dieser Verantwortung stets bewusst sein. Man soll niemals täuschen. Es ist wichtig, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer wissen, dass jedes Video täuschen kann. Das war auch schon vor Deep Fake so. Nichtsdestotrotz ist es aktuell besonders wichtig, über Deep Fake und alle anderen Täuschungsmittel bei Film und Video zu sprechen, weil sie in der heutigen Zeit für fast jede und jeden zugänglich sind. Dieser Umstand macht es viel gefährlicher, getäuscht zu werden, und darauf gilt es, zu sensibilisieren.

In «Mindblow» wird die Gegenwart immer neu aufgerollt, je nachdem, was in der Vergangenheit verändert wurde. Paralleluniversen und Zeitreisen sind beliebte Themen in der Film- und Seriengeschichte. Welche waren Ihre Inspirationen?
Allen voran steht die Trilogie «Back to the Future». Die Filme hatten einen enorm hohen Stellenwert in meiner Kindheit und Jugend und haben mein filmisches Schaffen geprägt. Aber auch Filme und Serien wie «Quantum Leap», «Sliding Doors», «Living with yourself», und «Loki» waren Inspirationen.

Sie haben die Sitcom «Die Lehrer» mitgeschrieben und Regie geführt. Nun wagen Sie sich an Science Fiction. Wie schwierig ist es, eine Geschichte in diesem Genre glaubwürdig und nachvollziehbar aufzubauen?
Egal in welchem Genre, es ist immer wichtig, dass eine Geschichte emotional nachvollziehbar aufgebaut ist. Die Science-Fiction-Elemente sind auch nur sinnbildlich für ein Gefühl oder Bedürfnis, welches sehr real ist. Sie dienen dazu, die «Was wäre, wenn»-Frage lebendig zu machen. Bei der Entwicklung einer Geschichte mit Sci-Fi-Elementen achte ich also darauf, dass diese immer sinnbildlich einem sehr realen Gefühl gerecht werden und die Zuschauenden somit schlussendlich auf eine Gefühlsreise entführen.

Das ist sicherlich keine leichte Aufgabe …
Es ist sehr schwierig, den Spagat zwischen Glaubwürdigkeit und Fantasie stets in einem guten Verhältnis zu halten. Es ist aber auch eine Herausforderung, welcher man sich im Writer’s Room sehr gerne stellt.

Wird es eine zweite Staffel von «Mindblow» geben?
Eins nach dem anderen.



Ausstrahlung auf SRF 1: Sonntag, 21. April 2024, ab 20.05 Uhr, Folgen 1 und 2 / Montag, 22. April, ab 20.05 Uhr, Folgen 3 und 4 / Dienstag, 23. April, ab 20.05 Uhr, Folgen 5 und 6; a
uf Play Suisse: alle Folgen ab dem 21. April 2024 abends.


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