Herr Schaub, wir sind noch mitten im Winter, doch dieses Mal ohne Energiekrise. Oder täuscht der Eindruck?
Juhu! Der Wasserstand in unseren Stauseen ist für diese Jahreszeit sogar höher als normal, Regenwetter sei Dank. Der GAU ist abgewendet, die Herkulesaufgabe hat jedoch gerade erst begonnen. Der Juli 2022 war der heisseste Sommermonat seit 120 000 Jahren – und womöglich der kühlste für viele kommende Jahre. Mobilität und Wärme müssen dekarbonisiert und die Winterstromlücke muss minimiert werden. Es braucht in den nächsten Jahrzehnten also noch viel mehr Strom.
Wann kommt die Marktöffnung für Strom für private Haushalte?
Die Debatte über das Stromabkommen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz hat gerade erst wieder begonnen. Die vollständige Marktöffnung könnte die Voraussetzung für ein Abkommen sein.
Ausser im Strom- ist ewz auch im Glasfasergeschäft tätig. Wie läuft dieser Bereich?
Wir machen Zürich schnell. Sehr schnell. Via Ringier-Kooperation haben wir die Community gefragt: Was beschleunigt unser Zürinet mit seinem High-Speed am meisten? Gamen, surfen, streamen und natürlich fix ein Schnäp-
pchen im Online-Shopping ergattern. Für Geschäftskunden sichert das jüngste Angebot ewz.multicloud access die ultraschnelle Datenverbindung direkt zu den wichtigsten und grössten Cloud-Anbietern. Übrigens klimafreundlich kompensierbar in Zusammenarbeit mit Climeworks, wie alle unsere B2B Glasfaser-Angebote.
Welches sind die aktuellen Herausforderungen in Marketing und Kommunikation?
Für 220 000 Haushalte in Zürich und Graubünden möchten wir Stück für Stück nahbarer werden, Sichtbarkeit schaffen und emotionale Erlebnisse bieten – statt ihnen nur Rechnungen zu schicken. Der nächste Meilenstein ist die smarte Jahreskuration von Kund*innen-Incentives aus dem Sponsoringteam. Via Facebook, Insta und Co. wird zum Mitprofitieren eingeladen, und gleichzeitig wird unser Kunden-Portal «Mein ewz» attraktiv aufgeladen. Nähe heisst permanentes Involvement. Immer wieder machen wir ein spannendes Energie-Quiz dazu. Spielerische Wissensvermittlung schlägt gewöhnlichen Wettbewerb. Und Relevanz schlägt Programmatic. Aktuelle Kontexte wie die Weltklimakonferenz nutzen wir als Impact-Booster auf Linkedin. Das bringt fünfmal mehr Engagement zu dreimal tieferen Kosten.
Welche Rolle spielen Daten bei ewz?
Das persönliche Daten-Cockpit wird bald die Schaltzentrale für mein Energieverhalten. Smart Meter, die intelligenten Stromzähler, melden den Verbrauch vom Vortag im 15-Minuten-Takt. Wir müssen schon jetzt im Marketing solche Daten sexy machen und regelmässige Visits im Kunden-Portal generieren.
Was ist mit der Klimajugend passiert?
Der Fokus hat gewechselt zu den Älteren. Über 1,6 Millionen Pensionierte leben in der Schweiz. Schwups hat sich die Alterspyramide gekehrt, und der Jugend-Hype mit schnelllebigen Trends, lauten Parolen und volatiler
Markenuntreue wird aufs Mal «quantité négligeable», wirtschaftlich gesprochen. Und auch klimatisch gedacht. Der Hebel für Veränderung liegt bei den zunehmend älter werdenden Menschen. Wir müssen die Alten feiern und alles inklusiv und barrierefrei und kontextrelevant kommunizieren.
Wie nachhaltig ist das Stromangebot von ewz heute?
100 Prozent Naturstrom aus den erneuerbaren Quellen Wasser, Sonne und Wind sind dank ewz in unseren Versorgungsgebieten Standard, und das übrigens auch für unsere marktberechtigten Firmenkund*innen. Fürs Zuhause in Schwamendingen genauso wie fürs Zürifäscht oder die Menschen im bündnerischen Domleschg. Aber das ist erst der Anfang. Heute bauen wir die Energiezukunft für die kommenden fünfzig Jahre, so wie unsere Grosseltern vor achtzig Jahren. Fossilfrei.
Und wie in Zukunft?
Photovoltaik ist der Gamechanger, das Potenzial für den Solarexpress-Ausbau ist riesig. Auch wenn wir weder in den Alpen noch auf den rund 80 Prozent Dachflächen in Zürich, die privaten Immobilienbesitzern gehören, PV-Anlagen herbeizwingen können. Alternativ bieten wir schon heute Zürcher Mieter*innen über 40 000 Quadratmeter Solarbeteiligung – und bringen diesen Frühling 12 000 neue dazu.
In Ihrer letzten Kampagne werben Sie für «Grüne Mobilität …», «Grüne Wärme …» und «Solarenergie …». Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Bye-bye, CO2. Sämtliche Energie aus Öl, Kohle und Gas muss komplett ersetzt werden. Das Netto-Null-Ziel gilt schweizweit 2050, für Zürich 2040, für fast alles Städtische 2035. Beispielsweise revolutionieren wir mit Seewasser und Abwasser das Heizen. Ganze Quartiere in Zürich werden aus dieser lokalen grünen Energiequelle beheizt im Winter – und gekühlt im Sommer. Das Klima erwärmt sich nicht mehr. Das Klima kocht. Unsere Vorreiterrolle beim grünen Umbau möchten wir als Generationenaufgabe bewusst machen.
Wurden die Kampagnenziele erreicht, und wie sieht die Kampagne in diesem Jahr aus?
Unsere Plakate werden inzwischen von über 50 Prozent der Bevölkerung gesehen, und die Sujets gefallen bis zu 88 Prozent. Diese gigantischen Werte, die wir dreimal im Jahr im Rahmen der Markenwahrnehmung und der Werbewirkung messen, sind die wohlverdiente Belohnung für unser Kampagnenteam, das feinfühlig an den kleinsten Details dafür feilt. Aber es sind auch verpflichtende Benchmarks. Durch Ausschreibungen, die wir zwingend als städtisches Unternehmen nach neuen IVöB-Richtlinien durchführen, haben wir einige neue Agenturen an Bord, das wird spannend.
Wie stark wird Nachhaltigkeit von den Privatkunden nachgefragt?
Positiv sind die zahlreichen Anfragen zu unserer neuen digitalen Energieberatung. Tipps und Tricks für Energieeffizienz in den eigenen vier Wänden gibt es via Handy live in die Hand. Schockierend ist hingegen, wie viele «Hater» auf unseren Social-Media-Kanälen für ihre Nachhaltigkeitskritik eine Bühne suchen. Im Quervergleich mit BKW, IWB und anderen Unternehmen haben wir gemerkt, dass oft die gleichen Namen mit den gleichen Motzereien auftauchen. Reaktionär, radikal und durchorganisiert. Ein Riesenkompliment verdient mein Storytelling-Team, das zusammen mit unserer Corporate-Communications-Abteilung unermüdlich stilvolles Community-Management im 24-Stunden-Rhythmus pflegt. Immer sachlich und immer fundiert.
Wie sollte die Werbebranche mit Nachhaltigkeit umgehen – in der Kreation, in der Produktion und im Mediaeinsatz?
Mahnfinger und Fingerpointing liegen mir nicht. Grundsätzlich ändern nur finanzielle Anreize oder regulatorische Vorschriften unsere Routinen. Das neue Kreativsein, das jetzt Prompten heisst, lässt Server Tag und Nacht so irrwitzig brummen, dass es wohl weniger nachhaltig ist unterm Strich, als wie früher einige handgemalte Illustrationen mit Sprayleim auf Karton aufzuziehen. Ich erkenne jedoch weitherum eine sehr schöne und gestiegene Achtsamkeit. Es muss nicht immer noch mehr Tiktok sein, der Stand-by-Modus wird selbstverständlicher ausgeschaltet, Materialien für Events werden kreislauffähiger produziert.
Gibt es noch andere Herausforderungen, über die wir nicht gesprochen haben?
Der Fachkräftemangel ist riesig. Ein Pensionierten-Tsunami steht ganz kurz bevor, leer gespülte Handwerkerstellen von Netzelektriker bis Montageleiter. Employer Branding steht deshalb wieder im Fokus, liefert Best Perfomance auf Linkedin. Mein Event-Team lanciert gerade intern die ersten drei ewz-Visions-Songs. Texte und Stimmen kommen von den Mitarbeitenden, KI hats zusammengemixt. Bei ewz kann man nicht nur Klimaheld*in, sondern auch Rockstar werden.
ewz ist dem Verband SWA erst vor kurzem beigetreten, was gab den Ausschlag?
Allein mag man schnell vorankommen, aber nur gemeinsam kommt man weiter. Der SWA hat eine grossartige Ausstrahlung und Wirkung, auch wenn es darum geht, verantwortungsvoll zu handeln. Das imponiert uns, dazu möchten wir beitragen, davon möchten wir Teil sein.
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