13.03.2025

Remagine Ventures

«Regulierung ja – aber mit Augenmass»

Warum Zoom-Jobs gefährdet sind und wie KI alle Branchen gleichzeitig revolutioniert: Der Frühphaseninvestor Kevin Baxpehler gibt klare Einblicke in die KI-Zukunft. Der Remagine-Ventures-Geschäftsführer, der auch an der gfm Trend-Tagung vom 25. März auftritt, erklärt im Interview, weshalb USA und China die multipolare KI-Welt dominieren werden.
Remagine Ventures: «Regulierung ja – aber mit Augenmass»
«Unser Ziel ist es, in Technologien zu investieren, die radikal verändern, wie Menschen ihre Zeit und ihr Geld investieren», so Kevin Baxpehler, Managing Director & Co-Founder Remagine Ventures. (Bild : zVg, Bearbeitung: Pixelcut)

Herr Baxpehler, Sie haben Remagine Ventures gegründet, sind heute immer noch geschäftsführender Partner des Unternehmens und arbeiten mit den grossen Unterhaltungskonzernen, für die Sie früher gearbeitet haben, zusammen. Welche Ziele verfolgen Sie?
Remagine Ventures ist ein Next-Generation-Consumer-Fonds, der in innovative KI-Technologien investiert, die grosse Verbrauchertrends sowohl im B2C- als auch im B2B-Bereich vorantreiben. Mit Standorten in Tel Aviv und London arbeiten wir bereits in einer sehr frühen Phase eng mit ambitionierten israelischen Gründerteams zusammen, investieren aber auch weltweit. Unser Fokus liegt an der Schnittstelle zwischen künstlicher Intelligenz und den Bereichen Gaming, Medien und Lifestyle. Unser Ziel ist es, in Technologien zu investieren, die radikal verändern, wie Menschen ihre Zeit und ihr Geld investieren.

Was heisst dies für den Konsumenten?
Direkt und unmittelbar zunächst nicht viel, da wir sehr früh in Start-ups investieren und, offen gesagt, auch oft daneben liegen. Doch wenn wir richtig liegen, können diese Technologien enormen Einfluss auf das Konsumverhalten oder die internen Prozesse von Unternehmen haben, die sich an Konsumenten richten. Ein gutes Beispiel hierfür ist Minute Media, eine unserer Portfolio-Firmen, die mittels KI-Technologie nutzergenerierte Inhalte filtert, kuratiert und publiziert. Heute gehört Minute Media mit rund 400 Millionen Unique Visitors monatlich zu den grössten digitalen Sportmedien weltweit. Ein weiteres Beispiel ist Munch, ein Start-up, das den kompletten Prozess des Social-Media-Marketings automatisiert.

«Der Arbeitsmarkt wird sich durch KI grundlegend verändern und neu ordnen müssen»

Wie wird KI in den nächsten Jahren unser Leben verändern?
Mehr dazu gibt es natürlich in meiner Präsentation an der gfm Trend-Tagung. Kurz gesagt: Wir gehen davon aus, dass viele alltägliche Abläufe – sowohl online als auch offline – zunehmend automatisiert werden. Das bedeutet einerseits eine Erleichterung und Vereinfachung unseres Alltags, andererseits aber auch erhebliche ethische Fragestellungen, zum Beispiel, wie viel Entscheidungsfreiheit und Autonomie wir zukünftig an Maschinen übertragen wollen.

Was heisst dies für den Arbeitsmarkt?
Der Arbeitsmarkt wird sich durch KI grundlegend verändern und neu ordnen müssen. Kurzfristig wird KI als Werkzeug betrachtet werden, das die Produktivität steigert. Gleichzeitig beobachten wir bereits heute, dass Unternehmen, die KI effizient integrieren, weniger neues Personal einstellen. Betroffen sind dabei vor allem administrative Bürojobs und Tätigkeiten, die remote erledigt werden können. Jeder Job, den man heute via Zoom ausführen kann, ist im Prinzip gefährdet. Handwerkliche Berufe und Dienstleistungen, die physische Präsenz erfordern, sind eher weniger gefährdet. Gleichzeitig erwarten wir die Entstehung neuer Berufsprofile rund um KI. Langfristig sehen wir eine positive Entwicklung, insbesondere da viele westliche Länder mit einem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen haben und KI helfen kann, diese demografischen Herausforderungen teilweise zu kompensieren.

Ist der Siegeszug von KI mit dem Aufkommen des Internets Anfang der Nullerjahre vergleichbar?
Einerseits gibt es klare Parallelen: Wie damals das Internet verändert künstliche Intelligenz jetzt grundlegende Bereiche unseres Lebens, der Wirtschaft und Gesellschaft radikal. Beide Entwicklungen begannen mit grosser Euphorie, begleitet von überhöhten Erwartungen, gefolgt von Phasen der Ernüchterung und Konsolidierung. Andererseits gibt es auch Unterschiede: Das Internet war ein völlig neues Medium und musste erst breitflächig aufgebaut werden. KI hingegen baut stark auf bestehender digitaler Infrastruktur auf. Dadurch verbreitet sich KI wesentlich schneller und durchdringender. Zudem berührt KI unmittelbar alle Branchen gleichzeitig – von Kreativwirtschaft über Medizin bis hin zu Bildung und Unterhaltung – während das Internet zunächst vor allem Kommunikation und Information revolutionierte.

«Der Staat hat durchaus eine wichtige Rolle bei der Regulierung von KI»

Inwiefern muss der Staat die KI regulieren?
Der Staat hat durchaus eine wichtige Rolle bei der Regulierung von KI, allerdings sollte er vorsichtig und gezielt vorgehen. Einerseits darf Regulierung nicht die Innovationskraft und Dynamik der KI-Entwicklung ausbremsen – gerade in Europa brauchen wir starke KI-Start-ups und digitale Wettbewerbsfähigkeit. Das ist im Moment sehr schwierig, da Europa mehr KI-Regulierung hat als führende KI-Unternehmen. Andererseits hat der Staat die Verantwortung, Risiken frühzeitig zu erkennen und Bürger sowie Verbraucher vor möglichen Schäden zu schützen. Kurz gesagt: Regulierung ja – aber mit Augenmass, klaren Prinzipien und Raum für Innovation.

Mit Deepseek haben die Chinesen die amerikanische Vorherrschaft bei der künstlichen Intelligenz in Frage gestellt. Wird dies so bleiben?
Die Fortschritte von Deepseek zeigen eindrucksvoll, dass China inzwischen technisch mit den USA mithalten kann – zumindest bei einzelnen KI-Anwendungen wie grossen Sprachmodellen. Dennoch ist es zu früh, von einem endgültigen Ende der amerikanischen Vorherrschaft zu sprechen. Ich glaube, wir werden eher eine multipolare KI-Welt sehen: Die USA und China werden beide starke Player bleiben, mit jeweils unterschiedlichen Stärken, wobei ich weiterhin den Vorteil der USA sehe. Für Europa stellt sich die Herausforderung, in diesem Wettlauf nicht zurückzufallen.

 


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren

persönlich Exemplar
Neues Heft ist da
Die neue «persönlich»-Ausgabe ist da - jetzt Probe-Exemplar bestellen.
Neue Podcast-Folge: Jetzt reinhören