23.06.2000

Wie informierte das VBS im Fall Bellasi?

Eine Studie der Universität Bern zeigt Stärken und Mängel des Kommunikationskonzepts.
Wie informierte das VBS im Fall Bellasi?

Im Nachrichtendienst sei ein "etwas unangenehmer Betrugsfall" entdeckt worden, teilte Generalstabschef Hans-Ulrich Scherrer dem Informationschef des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) Oswald Sigg mit. Die erste Einschätzung war - gelinde gesagt - eine Untertreibung. Der etwas unangenehme Betrugsfall war die Affäre Bellasi, die mit einem Vermögensdelikt begann und zum Politikum wurde, das bis heute nachwirkt.

Mehrheitlich richtig gehandelt

Im Fall Bellasi spielten die Medien eine entscheidende Rolle. Nicht von ungefähr. Bietet die Affäre doch alle Ingredienzien, aus denen Journalistenträume bestehen: Nachrichtendienst, ein glamouröser Lebensstil, erotische Eskapaden, geheime Waffensammlungen - kurz: eine James-Bond-Story mit politischen Dimensionen. Entsprechend setzten die Redaktionen Kapazitäten frei, um intensiv zu recherchieren. Die Zeitungen, allen voran der SonntagsBlick, aber auch Blick sowie die Berner Zeitung und Le Temps, warteten ebenso wie Radio DRS regelmässig mit neuen Enthüllungen auf.

Hat das VBS zu wenig oder zu spät informiert? Hat es im Fall Bellasi die Informationsführerschaft aus der Hand gegeben? Diesen Fragen geht eine Studie nach, die am Medienwissenschaftlichen Institut der Universität Bern im Auftrag des VBS erstellt worden ist. Diskutiert wurden die Ergebnisse am Mittwoch an einer Veranstaltung des Fördervereins Medienwissenschaft der Universität Bern. Anwesend waren nebst den Wissenschaftern auch Oswald Sigg sowie weitere von der Affäre betroffene Angehörige des VBS.

"Das VBS hat sicher mehrheitlich richtig gehandelt." Dies ist die Quintessenz der Berner Untersuchung. Mit dem Versprechen, möglichst transparent zu informieren, habe sich das VBS ein hohes Informationsziel gesetzt, das aber nur teilweise habe erfüllt werden können, schreiben die Forschenden. In der ersten Zeit habe das VBS viel informiert: "Diese anfänglich offensive Informationspolitik entsprach der klaren Informationsführung durch das VBS." Damit widerspricht die Untersuchung der Einschätzung der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Diese schreibt in ihrem Bericht, dass "durchwegs eine unheilvolle Informationspolitik betrieben und dadurch die Situation noch verschlimmert wurde".

Reaktion statt Aktion

Einen eigentlichen Bruch in der Informationspolitik orten die Berner Wissenschafter in Zusammenhang mit der Entdeckung des Waffenlagers. Obgleich Bundesrat Ogi bereits am Donnerstag über dessen Existenz orientiert war, gelangte die Information erst am Sonntag, in einem Artikel des SonntagsBlicks an die Öffentlichkeit. Gleichentags rief das VBS eine Pressekonferenz ein, um den Zeitungsbericht zu bestätigen. "Von diesem Moment an gab das VBS die Führung ab und reagierte bis zum Geständnis Bellasis vor allem auf die Enthüllungen der Medien", heisst es in der Untersuchung. Zudem hätten die zurückhaltenden und knappen Informationen des VBS bei den Medien zusätzliche Recherchen und Spekulationen ausgelöst.

Oswald Sigg verwies in diesem Zusammenhang auf die immense Zahl der in den Fall involvierten Akteure. Diese reiche von Ex-Freundinnen Bellasis bis hin zur Bundesanwaltschaft. Verschiedentlich habe das VBS über zu wenig gesicherte Informationen verfügt, um an die Öffentlichkeit zu gelangen. "Die Bundesanwaltschaft hat weniger Untersuchungsbeamte auf den Fall angesetzt als der SonntagsBlick Journalisten", mutmasste Sigg. Zum Schluss, dass die Kommunikation zwischen VBS und Teilen der Verwaltung nicht einwandfrei funktioniert habe, kommt auch die Studie. Ein weitere Schwäche sind nach Meinung der Wissenschafter auch die "offenkundigen Lecks in der Verwaltung". Einen Umstand, den Sigg ebenso wie die Forschenden auf die Vielzahl der involvierten Stellen, die Brisanz des Falls und die intensive Recherche der Medien zurückführen.

193 Empfehlungen

Und die Folgen? Die Bellasi-Affäre habe keinen nachhaltigen Einfluss auf das Vertrauen in Bundesrat Ogi und das VBS gehabt, bilanzieren die Wissenschafter. Sie hat aber fünf Untersuchungen ausgelöst, aus welchen 193 Empfehlungen resultieren. 96 davon seien bereits umgesetzt, sagte Sigg. Er komme für sich indes zum Schluss, dass in einer solchen Situation das Innehaben der Informationsführung schlicht unmöglich sei. Zudem sei es in seinen Augen die Aufgabe der Medien zu recherchieren. Es sei an den Amtsstellen, den Medien diese Aufgabe zu erleichtern. Und schliesslich liege der Skandal im Fall selbst und nicht bei den Medien.


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