Der Kern ist die Kamera. Ohne sie läuft nichts. Seit 2022 rüstet Ringier Sports Fussballplätze, Eishockeystadien und Handballhallen in der ganzen Schweiz damit aus. Einmal installiert und mit dem Internet verbunden, fliesst der Stream automatisch. Gezeigt werden die Videoübertragungen auf der Plattform RED+ und Auszüge und ausgewählte Live-Spiele auch auf blick.ch. Sehen kann sie, wer 20 Franken im Monat oder 150 Franken im Jahr zahlt. Gratis gibt es nichts. Neben zahlreichen Ligen in der Schweiz in den drei genannten Sportarten hat Ringier Sports mit diesem Geschäftsmodell nun auch international expandiert. «Das ist erst der Anfang», sagt CEO Alexander Grimm im Gespräch mit persoenlich.com. «Wir sind ein Start-up.» Das mag vom Selbstverständnis und der Arbeitsweise her stimmen. Formal ist Ringier Sports mit seinen 30 Mitarbeitenden eine eigenständige Abteilung von Ringier, die direkt an CEO Marc Walder rapportiert.
Alexander Grimm, wann haben Sie zuletzt eine Streaming-Übertragung auf RED+ geschaut?
Das war am letzten Wochenende. Ich habe mir ein Fussballspiel meines Sohnes am Bildschirm angeschaut – er spielt beim FC Fislisbach in der Juniorenmannschaft. Dies, obwohl ich auch live vor Ort war und eine emotionale Achterbahnfahrt erlebt hatte. Im Nachgang hat mir mein Sohn ein paar Szenen gezeigt, die ihm im Kopf geblieben sind, und wir haben sie zusammen angeschaut. Ich gebe ihm dann ein Feedback, Daumen hoch, wenn es eine gute Szene war.
Das ist sicher kein Zufall, dass ausgerechnet der FC Fislisbach, wo zufälligerweise Ihr Sohn spielt, mit Kameras von Ringier ausgerüstet wird …
Da ging alles mit rechten Dingen zu und her! Letztes Jahr war der Club in der Youth League vertreten, die wir mit unserem Streaming abgedeckt haben. Nach dem Abstieg blieb die Kamera vor Ort. Heute zeigen wir die Spiele der A-, B- und C-Junioren plus die Frauenmannschaft. Natürlich wissen die Leute beim FC Fislisbach, was ich beruflich mache, aber ich werbe nicht aktiv für RED+. Es hilft mir, das Produkt richtig einzuschätzen, wenn ich es selbst nutze und nahe am Puls bin. Und aus dem Verein erhalte ich Feedback, das mir zeigt, woran wir arbeiten müssen.
Wie wichtig sind Eltern als Kunden für das Geschäft von RED+?
Sie sind eine von mehreren Kundengruppen, die wir ansprechen. Die Ligen brauchen die Aufnahmen als Beweismittel bei Vorfällen, Schiedsrichter nutzen sie in ihrer Ausbildung und zur Analyse ihrer Leistung, Trainer bereiten sich damit vor oder analysieren die Spiele im Nachgang, und die Spieler schauen ihre eigenen Auftritte an. Alles in allem sprechen wir eine Community rund um eine Sportart an, der wir ein Instrument zur Verfügung stellen, aber auch Entertainment-Produkt anbieten, insbesondere auf den RED+ Social-Media-Kanälen.
RED+ zeigt nicht nur Amateurfussball, sondern auch Spitzenhandball. Dort spielt die Community weniger eine Rolle.
Das würde ich so nicht sagen. Der Community-Gedanke ist für uns in jedem Anwendungsfall gleich wichtig. Aber klar: Beim nationalen und internationalen Handball, den wir zeigen, gibt es einen höheren Fan-Anteil als beim FC Fislisbach.
Was können Sie zur Nutzung von RED+ sagen?
Wir beobachten eine sehr hohe Verweildauer von durchschnittlich 57 Minuten pro Nutzer. Wer den Stream einschaltet, bleibt dann auch. Die Engagement-Rate bei zahlenden und aktiven Nutzern ist sehr hoch.
RED+ ist kostenpflichtig. Man kann aber nur das gesamte Angebot abonnieren. Warum keine Auswahlmöglichkeit zwischen den verschiedene Sportarten oder Amateur- und Spitzenligen?
Wir wählten bewusst ein möglichst einfaches Abo-Modell. Die einzige Wahl, die wir dem Nutzer geben, ist die: flexibles Monats-Abo oder Jahres-Abo mit besserem Preis.
«Unsere Leistungen lassen sich nicht mit Werbung refinanzieren»
Warum nicht gratis oder Freemium?
Das Geschäftsmodell würde nicht aufgehen. Die Investitionen und der laufende Betrieb sind erheblich. Auch wenn vieles dank KI und Cloud automatisiert ist, braucht es am Ende ein Team von 30 Leuten, um den Betrieb zu sichern, die Clubs zu unterstützen und eine gute User Experience zu garantieren. Diese Leistungen lassen sich nicht mit Werbung refinanzieren.
Ringier Sports verhandelt mit Ligen und Verbänden und nicht mit einzelnen Vereinen. Die Bereitschaft der Clubs ist nicht überall gleich gross, RED+ zu nutzen und bewerben. Ist das ein Problem?
Das ist tatsächlich eine der grössten Herausforderungen: die schiere Menge an Partnern und die vielen Ansprechpartner. Da haben wir noch Verbesserungspotenzial. Und dann gibt es einzelne Vereine, die RED+ nicht so gut finden. Ihnen sage ich: Redet mit eurer Community, nicht mit den Vorstandsmitgliedern, redet mit Trainern und Spielern. Die wissen sehr gut, welche Möglichkeiten wir bieten.
RED+ zeigt Fussball, Eishockey und Handball. Wann folgen Volleyball und Unihockey, die in der Schweiz auch sehr populär sind?
Das liegt unter anderem daran, dass gewisse Verbände noch nicht so weit sind. Manche sagen: Ja, wir sehen die Notwendigkeit, aber wir haben im Moment andere Baustellen. Themen wie Nachwuchsförderung oder Professionalisierung der Infrastruktur sind wichtiger. Wir sind aber mit allen Verbänden und Ligen in ständigem Austausch und interessiert an weiteren Partnerschaften.
«Mit Blick auf unser Gesamtpaket kenne ich kein vergleichbares Angebot»
Gibt es Konkurrenz zum Angebot von RED+?
Es gibt schon Mitbewerber, die einzelne Komponenten anbieten, etwa Kameras mit intelligenter Software für die Spielanalyse. Wenn man aber das Gesamtpaket von RED+ anschaut, dann kenne ich kein vergleichbares Angebot. Wir haben viele Stärken, gerade im Schweizer Markt. Das zeigt sich besonders gut beim Handball: In Zusammenarbeit mit dem Blick inszenieren wir die Quickline Handball League und die Swiss Premium League mit neuen publizistischen Formaten. So zeigen wir etwa den «Match of the Week» als kostenlosen Stream auf blick.ch unter der Marke RED+ mit einem innovativen Studiokonzept rund um das Spiel.
Ihr habt mehrjährige Verträge mit der österreichischen und deutschen Eishockey-Liga abgeschlossen. Seid ihr auf die zugegangen?
Bei den beiden Hockey-Verbänden sind wir nach Ausschreibungen zum Zug gekommen. Unser Gesamtpaket mit lokalen Mitarbeitern, die die Clubs in ihrer Sprache unterstützen und auch vor Ort sind, wurde sehr gut bewertet. Aber international spüren wir viel mehr Gegenwind von ähnlich aufgestellten Anbietern.
Will – und kann – Ringier Sports mit RED+ international wachsen?
Unsere Strategie ist darauf ausgelegt, international zu wachsen, aber nicht mit der Brechstange – wir haben keinen Geldkoffer und schnappen uns Projekte nicht um jeden Preis. Nehmen wir die französische Hockey-Liga: Da war eine Anforderung, den kompletten Support auf Französisch zu bieten und eine Person vor Ort zu haben. Das hätte unsere personellen Kapazitäten und finanziellen Möglichkeiten überfordert. Darum sind wir dort nicht eingestiegen. Die internationale Expansion konzentriert sich im Moment sehr stark auf Deutschland und Österreich.
Die Videostreams generieren sehr viele Daten. Was passiert damit?
Diese Daten sind auf verschiedene Weise verfügbar. Wir bieten eine Videoanalyse an, wo Trainer und Clubs Zugang zu einer Plattform bekommen, um die Spiele weiterzuverarbeiten. In einem Videoanalyse-Paket können Clubs wählen, welche Daten sie nutzen möchten. Diese sind ebenfalls über ein Abo-Model verfügbar.
Wem gehören die Daten?
Wir sichern uns vertraglich alle Medien- und Datenrechte, damit wir das volle Potenzial der Vermarktung haben.
«Der Schweizer Wettmarkt ist stark reguliert und für uns nicht interessant»
Die Technologie von RED+ stammt von Sportradar. Die Firma gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Daten- und Technologielösungen für die Sportwettenbranche. Werden eure Daten für das Wettgeschäft genutzt?
Ein klares Nein. Unsere Daten sind für den internationalen Wettmarkt schlicht zu wenig relevant. Und der Schweizer Wettmarkt ist stark reguliert und darum für uns nicht interessant.
Ringier Sports hiess früher InfrontRingier und war in der Sportrechte-Vermarktung tätig. Im Sommer 2025 lief die Vermarktungspartnerschaft mit der Swiss Football League aus. War dies das letzte solche Mandat?
Ja, das war unser letztes Vermarktungsmandat. Wir haben uns im Verwaltungsrat von Ringier Sports vor etwa anderthalb Jahren bewusst entschieden, kein Angebot mehr einzureichen und das Mandat mit der Swiss Football League auslaufen zu lassen. Die Liga vermarktet sich nun selbst.
Warum ist Ringier aus der Vermarktung ausgestiegen?
Wir haben damit den konsequenten Weg vollzogen, den wir vor vier Jahren eingeschlagen haben: aus Ringier Sports eine digitale Sport-Unit zu entwickeln. Mitte Jahr haben wir diesen Prozess abgeschlossen. Ringier Sports ist nun ein reiner Sport-Streaming- und Datenanbieter. Mit meiner Ernennung zum CEO erhielt Ringier Sports ein komplett neues Profil – mit klarem Auftrag: Ich bin kein Sportvermarkter. Das war allen bewusst. Wir haben digitale Kompetenzen, die wir in Projekte einbringen. Aber beim FC Zürich und der Swiss Football League, wo während meiner Zeit noch Vermarktungsverträge liefen, konnten wir diese nicht einbringen.
«Heute sind wir mit Ringier Sports viel näher an der Konzernstrategie»
Heisst das auch, wenn der FC Zürich und Football League das ganze Paket genommen hätten, dann wäre Ringier Sports weiterhin in der Vermarktung tätig?
Genau. Dann wäre die Vermarktung eine Disziplin, die wir weiterhin anbieten würden. Aber nun ist klar, dass wir uns auf das fokussieren, was wir am besten können und auch am besten ins Gesamtbild passt. Ringier ist ein Unternehmen, das auf drei Säulen steht: Medien, Sportmedien, digitale Marktplätze. Wie passt dazu die Sportvermarktung? Das Synergiepotenzial im Konzern war minimal. Heute sind wir mit Ringier Sports viel näher an der Konzernstrategie, auch dank des engen Austausches mit Blick. Die Transformation vom Sportvermarkter zum Streaming-Media- und Datenanbieter passt hervorragend zur Unternehmensstrategie von Ringier.
Was etwas verwirrt: Es gibt zwei Sport-Abteilungen bei Ringier. Zum einen Ringier Sports, das Sie verantworten, zum anderen die Ringier Sports Media Group, die bisher vor allem in Osteuropa aktiv war. Kommt es da zu vielen Verwechslungen?
Sie können sich nicht vorstellen, wie viele E-Mails aus Osteuropa ich erhalte, weil sie mich für ihren CEO halten. Vielleicht hätte eine andere Namensgebung geholfen. In der Schweiz ist es aber kein Problem. Da wir ein anderes Marktsegment bedienen, bleiben die Verwechslungen überschaubar. Die Ringier Sports Media Group ist ein digital-only Publisher mit Fokus auf die Top-Sport-Angebote, den sogenannten Tier-1-Bereich, wie die Uefa Champions League, Top-Basketball, Top-Fussball. Der Tier-2-Bereich und Amateursport, wie wir ihn mit unserem Streaming-Angebot im DACH-Raum abdecken, spielt in ihrem Angebot keine Rolle.
Eine Fusion ist kein Thema?
Das ist nicht auszuschliessen, aber heute kein Thema.
Arbeitet ihr heute schon zusammen?
Es ist natürlich klug, die Märkte gemeinsam anzuschauen. Die Kollegen der Sports Media Group haben uns auch schon über Ausschreibungen informiert aus ihren Ländern, die für uns interessant sein könnten. Wir tauschen uns regelmässig aus und prüfen Opportunitäten.
Im Rahmen der Neuausrichtung von Ringer Sports ging sport.ch an Ringier Sports Media Group. Warum?
Das Portal und die Marke sport.ch ist ein wichtiger Bestandteil für das Joint Venture mit dem deutschen Olympia Verlag, der den Kicker einbringt. Wir haben sport.ch und das ganze Team eingebracht. Aus unserer Sicht ist das die perfekte Lösung für sport.ch.
Und wenn Kicker Schweiz mal steht, wird man dort auch Fussball-Streams von RED+ sehen?
Der Regionalfussball hat beim Kicker einen hohen Stellenwert. Aber die Kollegen, die nun Kicker Schweiz aufbauen, konzentrieren sich zuerst auf die Super League und internationale Ligen. Wir wollen aber nicht ausschliessen, dass dort zukünftig auch Amateur-Fussball vorkommt.
So schliesst sich der Bogen: Irgendwann sehen Sie den FC Fislisbach und Ihre Söhne auf Kicker.ch …
Das wäre sensationell! Wobei meine Jungs OneFootball lässiger finden, da sie insbesondere diese App nutzen.
Das Gespräch mit Alexander Grimm fand am Dienstag, 28. Oktober 2025, am Sitz von Ringier Sports AG in Zürich-Alstetten statt.


