24.11.2024

In eigener Sache

«Ich wollte den ersten Benko-Roman schreiben»

Im neuen Roman von persönlich-Verleger Matthias Ackeret flüchtet ein gescheiterter Immobilientycoon ins Zürcher Dolder. Der Autor erzählt im Interview, wie ihn der Film «Napoleon» zu dieser Geschichte inspirierte und warum die Parallelen zwischen seiner Hauptfigur Remo Blanko und René Benko durchaus beabsichtigt sind.
In eigener Sache: «Ich wollte den ersten Benko-Roman schreiben»
«Gefallene Engel sind spannender als fliegende, zumal sie besser greifbar sind», so Matthias Ackeret, Buchautor und Verleger des persönlich-Verlags. (Bild: Keystone/Gaëtan Bally, Grafik: Corinne Lüthi)

Matthias, was hat dich dazu bewogen, einen Roman über einen gefallenen Immobilientycoon zu schreiben?
Ich habe vor einem Jahr im Kino Frame das kolossale Epos «Napoleon» angeschaut und mir dabei die Frage gestellt, was René Benko über den Untergang des französischen Kaisers denkt – sofern er den Film einmal sieht. So entstand die Idee, mich mit Benkos Psyche auseinanderzusetzen. Gefallene Engel sind spannender als fliegende, zumal sie besser greifbar sind. Mein Held – Remo Blanko – hält sich im Zürcher Nobelhotel Dolder versteckt und hadert mit seinem Schicksal. Und schaut «Napoleon» oder «Der Untergang».

Die Parallelen zwischen Remo Blanko und René Benko sind unübersehbar. Wie wichtig war dir dieser aktuelle Bezug?
Schon noch wichtig. Ich wollte auch den ersten René-Benko-Roman schreiben. Aber mein Remo Blanko ist nicht Benko, er ist dessen literarische Weiterentwicklung. Wobei ich glaube, dass ich mich in dessen Persönlichkeit relativ gut eingefühlt habe.

«Niemand hätte auf ihn nur einen Dollar gesetzt»

Wie schwierig ist es, reale Ereignisse in Fiktion zu verwandeln, ohne dabei zu nah an der Realität zu bleiben?
Es ist ein Spiel. Ich habe auch jetzt wieder erlebt – es handelt sich mittlerweile um meinen sechsten Roman –, dass Begebenheiten, die man sich ausdenkt, später so oder ähnlich stattfinden.

Zum Beispiel?
Im Vorgängerroman «SMS an Augusto Venzini», der 2021 erschienen ist, gibt es eine Szene, in der Macron und Trump 2025 die Notre Dame wiedereröffnen. Ich habe dies zu einer Zeit geschrieben, als Trump völlig geächtet und zur absoluten Unperson erklärt wurde. Niemand hätte auf ihn nur einen Dollar gesetzt. Solche Erfahrungen machte ich öfters – und es ist manchmal auch ein bisschen unheimlich.

Zurück zu Remo Blanko. Was interessiert dich an der Psychologie eines Menschen, der alles verloren hat?
Brüche zeichnen eine Persönlichkeit aus und machen sich auch interessant. Den Namen von Benko habe ich erstmals vor vier Jahren gehört, als er den Globus übernahm. Das war filmreif: Er wollte die besten Liegenschaften an bester Lage. Und nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa und sogar New York. Das Chrysler Building war seine Trophäe, sein Herzstück. Das war ganz grosses Kino. Rückblickend ist jedem klar, dass er scheitern würde. Schaut man aber die Liste seiner Gläubiger an, war das nicht der Fall. Mein Blanko ist ein Getriebener, der immer mehr Perfomance liefern musste. Dank seiner privaten Yogalehrerin Sandra hat er Kontakt zur Aussenwelt, geht in die Kronenhalle, ins Kaufleuten. Am Sechseläuten wird er enttarnt und muss nach Hiva Oa flüchten, den abgelegensten Ort der Welt. Dort vermutet er seinen Widersacher Augusto Venzini, dem er die Schuld am Scheitern seines Imperiums in die Schuhe schiebt.

Warum gerade Hiva Oa?
Starfotograf Alberto Venzago alias Augusto Venzini hat mir erstmals von Hiva Oa erzählt. Die Insel gehört zu Französisch-Polynesien und ist rund 20 Flugstunden von uns entfernt. Im vergangenen Winter hat er sich auf die Suche von Nachkommen jener Modelle gemacht, die Paul Gauguin malte. Was mich an Hiva Oa fasziniert, ist der Calvary-Friedhof, auf welchem Gauguin und Jacques Brel begraben liegen, eine Prominentendichte fast wie in Hollywood.

«Ich habe den Roman während vier Monaten hauptsächlich in der Nacht geschrieben»

Und dann hast du die beiden Stränge zusammengeführt?
Ja, das musste ich sogar. Ich habe den Roman während vier Monaten hauptsächlich in der Nacht geschrieben. Dabei stand ich unter enormem Druck: Gleichzeitig wollte ich – wie gesagt – den ersten Benko-Roman verfassen, zum andern wurde ich plötzlich von den verschiedensten Seiten auf Hiva Oa angesprochen. Die Insel – so schien es mir – war plötzlich weltbekannt.

Aber du warst nie dort?
Nein, es war ein bisschen wie bei Karl May. Aber dank Google Earth kann man sich gut einfühlen. Die Villa Enata spielt in meinem Roman eine wichtige Rolle. Dort wohnt Aisea, die heimliche Herrscherin der Insel. Alberto Venzago hat die richtige Villa Enata bei seinem letzten Besuch vor einem Monat aufgesucht und bestätigt, dass es dort so sei wie beschrieben. Sogar das Hotel werde von einer Frau geführt. Irgendwann werde ich nach Hiva Oa gehen, trotz des unendlich langen Weges. Mein alter Kumpel Manfred Klemann hat versprochen mitzukommen.

Am Dienstag findet im Kaufleuten um 19 Uhr die Buchpremiere statt. Was bedeutet dies für dich?
Vorerst eine grosse Ehre – und dies im Kaufleuten-Saal. Seit unserem Jubiläum Anfang Juli wissen wir: Es ist wirklich the place to be. Und dies kurz vor der Buchvernissage von Martin Suter, dessen Bücher mich immer faszinieren. Eva Wannenmacher wird moderieren, Alberto Venzago ist Special Guest. Dabei gibt es noch eine kleine Überraschung.

René Benko?
Ich habe ihn mal angeschrieben, on verra. Jedenfalls ist jeder eingeladen, der kommen will. Ich bin echt gespannt, was passieren wird. Ich bin jedenfalls ein bisschen nervös.



«Der Magier von Hiva Oa» von Matthias Ackeret ist im Münster Verlag erschienen.


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