20.03.2025

Tamedia

«Wir nennen die Namen der Schuldigen»

Der Dokumentarfilm «Game Over – Der Fall der Credit Suisse» enthüllt eine verhängnisvolle Geschichte von Gier und Kontrollverlust. Arthur Rutishauser, Chefredaktor der SonntagsZeitung, rekonstruiert im Film den Zusammenbruch einer Traditionsbank. Im Gespräch mit persoenlich.com gibt der Journalist Einblicke in einen beispiellosen Wirtschaftsskandal.
Tamedia: «Wir nennen die Namen der Schuldigen»
«Man darf dem Wort der Manager nicht blind vertrauen», so Arthur Rutishauser, Chefredaktor der SonntagsZeitung und Co-Autor des Dokumentarfilms «Game Over – Der Fall der Credit Suisse». (Bilder: zVg, persoenlich.com/cbe)

Arthur Rutishauser, am Mittwochabend feierte «Game Over – Der Fall der Credit Suisse» im Kino Corso in Zürich Weltpremiere. Wie war es für Sie, zu erleben, wie Ihre Worte plötzlich laufen lernten?
Es war faszinierend mitzuerleben, wie aus unseren investigativen Recherchen und den vielen Interviews dank dem Regisseur Simon Helbling plötzlich eine spannende Geschichte wurde.

Hand aufs Herz: Wer Sie auf der Bühne des SwissMediaForum erlebt, könnte den Eindruck gewinnen, Sie fühlen sich dort nicht sonderlich wohl. Wie war es nun, nicht auf einer Bühne, sondern auf der grossen Kinoleinwand zu erscheinen? Heimlicher Traum oder doch Albtraum?
Nun, das ist schon etwas ungewohnt. Aber wenn gefilmt wird, merkt man es zum Glück ja nicht, dass einen so viele Leute sehen.

Ihre investigativen Recherchen bilden das Fundament sowohl für den Dokumentarfilm als auch für die mehrteilige Serie über die Credit Suisse (CS). Welche Enthüllung hat Sie selbst am meisten überrascht?
Was ich nicht wusste, war, dass es bei der CS in der Vergangenheit schon einige Male Nahtod-Erlebnisse gab. Nach dem Chiasso-Skandal war die Bank eigentlich pleite, 2002 auch.

Produzent Ivan Madeo von Contrast Film sagte in einem persoenlich.com-Interview: «Journalismus ist wahnsinnig schnell, Film ist langsam.» Wie haben Sie diese unterschiedlichen Arbeitstempi erlebt?
Bis zum PUK-Bericht war das kein Problem, weil die Recherche für den Film auch ein langfristiges Projekt war. Danach war es problematischer, weil es schwieriger wurde, Ergänzungen einzubringen.

Die Veröffentlichung des Films wurde bewusst nach dem PUK-Bericht zur Credit Suisse gelegt. Welche neuen Erkenntnisse aus diesem Bericht konnten noch in den Film einfliessen?
Eigentlich nicht sehr viele. Aber der PUK-Bericht lieferte viele Belege und Details, die die Genauigkeit erhöhten.

Sie sind als Chefredaktor der SonntagsZeitung gewohnt, journalistische Projekte zu leiten. Was hat Sie persönlich dazu bewogen, bei diesem Filmprojekt mitzuwirken?
Es war faszinierend, mit einem für mich neuen Medium ein Stück Schweizer Wirtschaftsgeschichte aufzuarbeiten.

Wie gelang es Ihnen, den von Madeo erwähnten «exklusiven Zugang zu Schlüsselfiguren der Finanz- und Politwelt» zu bekommen?
Das sind langjährige Kontakte, die das ermöglicht haben. Mir war es immer wichtig, auch mit Persönlichkeiten, die ich kritisch beleuchtet habe, persönlich ein anständiges Verhältnis zu bewahren. Aber bei allen war das nicht möglich.

«Wir haben über ein Jahr verstreut sehr viele Hintergrundgespräche gemacht»

Mitinitiant Stefan Halter bezeichnete Sie als «den besten investigativen Wirtschaftsjournalisten der Schweiz». Welche besonderen Recherchemethoden haben Sie bei diesem Projekt angewandt?
Wir haben über ein Jahr verstreut sehr viele Hintergrundgespräche gemacht. Das hat geholfen, damit wir «on und off the record» mehr erfahren konnten.

Auch ein «SRF DOK» widmete sich dem Zusammenbruch der Credit Suisse. Dieser wurde bereits letzte Woche ausgestrahlt. Was macht Ihr Film besser?
Wir unterscheiden uns stark. Erstens haben wir in der Geschichte und der Herleitung einen viel grösseren Bogen gemacht. Wir nennen auch die Namen der Schuldigen, bei der CS und in der Politik. Und das Storytelling ist ganz anders. Wir liefern keinen beschaulichen Dok-Film, sondern einen Krimi, der allerdings ausschliesslich auf wahren Tatsachen beruht.

Sie haben gemeinsam mit Regisseur Simon Helbling den roten Faden des Films entwickelt. Wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit zwischen Journalismus und Filmschaffenden?
Die Zusammenarbeit war sehr gut. Helbling hat immer die Fragen gestellt, die den Stoff für das Publikum konsumierbar machen. Da war er sehr konsequent. Für mich war das sehr lehrreich, denn manchmal musste ich viele Anläufe nehmen, bis er zufrieden war.

Filmproduzent Madeo betonte die «riesige Verantwortung, was die Richtigkeit der Fakten anbelangt». Wie haben Sie diese journalistische Sorgfaltspflicht im Medium Film sichergestellt?
Es war von Anfang an eine Bedingung, dass inhaltlich immer der Journalist das letzte Wort hat. Was das Filmische und die Umsetzung anbelangt, da war Simon Helbling im Lead.

Der Film soll Action, Drama, absurde Komödie und Tragödie vereinen. Welches dieser Genres war für Sie als Journalist am schwierigsten zu greifen?
Vor allem die Schlussphase war eine Mischung aus Tragödie und unfreiwilliger Komik bei den Aussagen der Verantwortlichen. Die erinnerten manchmal an «Comical-Ali» – Mohammed Saïd al-Sahhaf –, den Pressesprecher von Saddam Hussein, der vor laufenden Kameras die Einnahme von Bagdad dementierte, als die Panzer bereits im Hintergrund zu sehen waren.

Am Sonntag enthüllten Sie: «Die Credit Suisse hätte nicht untergehen müssen». Ist diese Recherche auch in den Film eingeflossen?
Ja, das Gespräch mit Bob Diamond ist in Ausschnitten auch im Film.

Wie konnten Sie als Journalist diese Information der Öffentlichkeit so lange vorenthalten? Müssten Sie da nicht schneller informieren?
Die Recherchen für die Zeitung und den Film liefen Hand in Hand. So bin ich zum Beispiel im Laufe der Recherche auf die Information gestossen, dass es zu Geheimtreffen zwischen Maurer und dem VR-Präsidenten der CS kam und dass es noch ein Geheimverfahren der Finma gegen die Verantwortlichen gibt. Das haben wir dann sofort publiziert. Das Gespräch mit Diamond fand kurz vor dem Ende der Dreharbeiten statt. Die Publikation hätte am Resultat nichts mehr geändert.

Welche Wirkung erhoffen Sie sich von der filmischen Aufarbeitung des CS-Falls im Vergleich zur klassischen Berichterstattung?
Ich hoffe, dass wir mit dem Film auch ein Publikum erreichen, das nicht unbedingt Zeitung liest. Schlussendlich ist es sehr wichtig, dass die Schweizerinnen und Schweizer verstehen, was da alles lief. Denn das Risiko für die Grossbanken, von denen es jetzt nur noch eine gibt, tragen in der Schweiz alle mit.

Fast gleichzeitig mit der Filmpremiere ist Ihr gleichnamiges Buch erschienen. Was können Leserinnen und Leser dort an vertiefenden Informationen erwarten, die im Film keinen Platz fanden?
Neben vielen Details sind einige Aspekte im Film kaum behandelt. So zum Beispiel, dass es im Fall von Chiasso zu Bestechung kam, dass die CS-Führungscrew in den Nullerjahren fast den Kollaps der Versicherungswirtschaft herbeiführte, und in welchem Umfang sich die Manager, nicht nur die obersten, bereicherten. Trotz allem überrascht hat mich auch die Tatsache, wie viel kriminelle Energie in der Bank war und wie viel das zum Untergang der Bank beigetragen hat. In den letzten 15 Jahren hat die Bank 22 Milliarden Franken verloren, nur weil sie nicht gut genug prüfte, mit wem sie Geschäfte machte. Das und die Selbstbereicherung hat sie schlussendlich ruiniert.

Wenn Sie vom CS-Fall eine zentrale journalistische Lektion mitnehmen – welche wäre das?
Man darf dem Wort der Manager nicht blind vertrauen.

Nach all Ihren Recherchen über die Credit Suisse – verraten Sie uns: Bei welcher Bank liegt eigentlich Ihr Geld? Oder haben Sie es inzwischen unter der Matratze versteckt?
Nein, das liegt hauptsächlich bei der ZKB.



Der Dokumentarfilm «Game Over – Der Fall der Credit Suisse» von Contrast Film startet am 27. März 2025 landesweit in den Schweizer Kinos. Eine Serienversion des Films wird voraussichtlich Ende Mai 2025 veröffentlicht.


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KOMMENTARE

Victor Brunner
20.03.2025 16:43 Uhr
Denke "Game over" wird überbewertet. Vieles würde schon medial aufgearbeitet, ausser das die Bank schon früher fast pleite war. Was auch "Game over" nicht gelungen ist die Schuldigen vor die Kamera und das Mikro zu bringen, der gleiche Mangel wie bei der SRF Doku. Der Netflix-Film mag spanend sein aber auch er hat den Mangel nur die Aussensicht zu vermitteln. Der Grossaufmarsch im Corso war daher werbewirksam aber die wesentlichen Fragen bleiben offen, auch die politischen und rechtlichen warum die Protagonisten der Zerstörung der CS nicht zur Rechenschaft gezogen werden können!
Erich Heini
20.03.2025 11:00 Uhr
Werden auch die sogenannten 'Lead Director' des letztlich verantwortlichen CS-Board genannt: Severin Schwan und Peter Brabeck ? Auf ein Interview mit diesen zu ihrem Tun und insbesondere zum Lassen warte ich weiterhin.
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