Was macht Tirol besser als die Schweiz?
In Tirol ist nicht alles Gold, was glänzt. Die meisten Hotels haben zu wenig Zimmer, sind zu klein. Zu vielen Hotels hat der Staat Wellness-Anlagen vorfinanziert. Zu kleine Strukturen führen zu Selbstausbeutung der Familien. Viele Junge wollen zu Recht nicht mehr in diese zu klein geratenen Käfige einsteigen. Wer sich in der Schweiz profilieren will, macht den Tourismus schlecht, macht sich über diese Branche lustig. Wer sich in Österreich profilieren will, macht etwas für den Tourismus. Das schafft ein anderes Klima. Die zentralen Vorteile Tirols: Der Boden ist billiger. Das Bauen ist billiger. Die Löhne sind tiefer, aber die reale Kaufkraft ist dank billigerer Wohnungen, billigerer Lebensmittel und im Lohn enthaltener Sozialleistungen vergleichbar. Der EU-Beitritt hat den notwendigen Strukturwandel gerade in der mit dem Tourismus eng verbundenen Landwirtschaft vorangebracht: Die Gastronomie profitiert von EU-Lebensmittelpreisen. Die Landschaften werden trotzdem gut gepflegt. Die Bauern sind innovativ und versuchen, mehr Wertschöpfung über tourismusnahe Spezialitäten zu schaffen. Im Gegensatz dazu ist der Alleingang ein Schaden für den Schweizer Tourismus. Die Schweiz hat sich zwölf Jahre lang nicht bewegt. Kein Land in Europa hatte weniger wirtschaftliches Wachstum. Österreich wird uns nächstens nicht nur bei der Käseproduktion überholen, sondern auch beim Bruttoinlandprodukt. Früher machten wir Österreicher-Witze. Heute ist es umgekehrt. Letzthin hat mich ein Taxifahrer in Wien gefragt, was die zwei wichtigsten Unterschiede zwischen einem Schweizer und einem Türken seien. Wusste ich nicht. Seine Antwort: Der Türke kann besser deutsch und ist besser angezogen. Für den Spott müssen wir nicht mehr selber sorgen.
Warum ist die Lobby im Tourismus schlecht, die in der Landwirtschaft aber ausgezeichnet?
Beginnen wir mit den Fakten: Der Staat und die Steuerzahlen subventionieren jedes Jahr die Schweizer Landwirtschaft direkt und indirekt mit acht Milliarden Franken. Österreich beweist: Die Hälfte dieses Betrages tut es auch. In Österreich ist die Alpen-Landschaft gepflegter als in der Schweiz. Die Bauern exportieren bereits mehr Käse als wir. Strukturwandel schadet nicht, sondern bringt ein Land voran. Von den acht Milliarden Franken tragen das Gastgewerbe und seine Beschäftigten rund 500 Millionen Franken. Das sind Quersubventionen, die die Konkurrenzfähigkeit des Tourismus beeinträchtigen. Am Pranger der Politik steht der Tourismus, weil es im Berner Bundeshaus von Bauern wimmelt, aber wir keine aktiven Vertreter des Tourismus im Bundeshaus haben.
Sollte man einen Baustopp für Ferienhäuser in den Tourismus-Regionen erwirken, damit die Hotels besser genützt werden?
Viele Kurorte sitzen in der Zweitwohnungsfalle. Es werden immer mehr Ferienwohnungen erstellt, die an immer weniger Tagen im Jahr genutzt werden. Und während dieser wenigen Wochen, an denen die Stationen noch gut besetzt sind, muss die ganze Infrastruktur funktionieren. Gleichzeitig werden immer mehr Hotels in Appartements umgewandelt. Hotels, die bisher eine gewisse Grundauslastung sicherstellten. Ein Baustopp wäre schön, aber er ist politisch nicht durchsetzbar. Denn das Baugewerbe ist in den Randregionen stark und wichtig zugleich. Es braucht deshalb intelligentere Folter- und Förderinstrumente. Am sinnvollsten wäre es, wenn ein Ferienwohnungsbesitzer genau wie die Hoteliers für jedes Bett ein übertragbares Generalabonnement für die Bergbahnen bezahlen müsste. Dies würde den Bauboom etwas dämpfen und die Eigentümer bewegen, ihre Ferienwohnungen vermehrt zu vermieten, da sie ja die Tageskarten für die ganze Saison bereits im Voraus bezahlt haben. Es braucht Innovation in der Organisation des Tourismus.
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