In der berühmten Londoner Galerie Tate Modern ist derzeit eine Ausstellung der Surrealisten. Sie pflegten auch einen Lifestyle. Können Sie damit etwas anfangen?
Ich bin bis jetzt noch gar nicht in der Tate Modern gewesen. Das ist schrecklich, denn die ist gleich drüben am anderen Ufer der Themse. Faktisch bin ich aber fast nie in London. Bei meinem Job bin ich immer unterwegs, und London ist für mich so etwas wie ein Hotel geworden. Mein Büro ist eher der Ort, wo ich lebe. Auch wenn ich die Ausstellung nicht gesehen habe, habe ich natürlich eine Vorstellung von den Surrealisten. Die haben schon etwas, was sich in unseren Magazinen niederschlagen sollte. Nun dreht sich unser Geschäft um das Verkaufen, aber dieser Sinn für das Höhere sollte schon da sein. Da müssen wir eine Balance finden.
Die Ausstellung über die Surrealisten trägt den Titel Love unbound, was bedeutet, dass ihr Lebensstil auf einer Philosophie fusst. Fusst der propagierte Lebensstil von Wallpaper auch auf einer geistigen Anschauung oder ist er nurmehr Kommerz?
Es geht bei Wallpaper nicht um Kommerz ohne Grenzen, sondern wir wollen das Beste zeigen, was die Welt zu bieten hat. London ist dafür die beste Basis. Wenn man international funktionieren will, darf man nicht in New York sein. London ist viel breiter. Wir sollten in der Lage sein, sowohl dieses fantastische Restaurant in Genf zu beschreiben als auch den besten Flug zwischen Tokio und Sapporo. Wir betrachten die ganze Welt als einen Markt.
Aber es geht in Ihrem Magazin doch nur um schöne Häuser, schöne Einrichtungen, schöne Kleider, schöne Gadgets. Das ist wohl interessant, reicht aber nicht weit.
Wallpaper ging als erste Zeitschrift nach Libyen. Sobald die Sanktionen aufgehoben waren, machten wir eine elfseitige Story über das Land. Und wir waren wohl das letzte Magazin, das noch einen Bericht über Beirut brachte, bevor das unmöglich wurde. Das mag für ein Lifestyle-Magazin seltsam erscheinen, denn in Libyen gibt es praktisch keine glamourösen Brands, und Beirut ist eine vom Krieg gebeutelte Stadt. Es gibt also einen Teil im Magazin, der sich nicht um die materiellen Aspekte der Welt dreht. Wir wollten kein Magazin mit akademischem Anspruch sein, denn die verkaufen nur Miniauflagen. Wir wollen beides sein: kommerziell erfolgreich und intellektuell anspruchsvoll. Deshalb haben wir zwei Sorten von Lesern: solche, die es anschauen, und solche, die es lesen.
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