17.07.2018

Büchi Andres/November 2017

Büchi Andres/November 2017

Der Beobachter feiert dieses Jahr seinen neunzigsten Geburtstag. Längst ist er zu einer Institution geworden, doch das war nicht immer der Fall. Chefredaktor Andres Büchi über den Einsatz für die «Schwachen», das Gutmenschentum und seine Ängste um den Sozialstaat und die Folgen der Zuwanderung.
Büchi Andres/November 2017: Büchi Andres/November 2017

Herr Büchi, die Institution Beobachter feiert dieses Jahr ihren neunzigsten Geburtstag. Ist eigentlich etwas vom kämpferischen Credo der Gründerzeit übrig geblieben?
Wenn kämpferisch sich darauf bezieht, möglichst unabhängig Position zu beziehen, stehen wir heute sogar stärker da. Unser Gründer, Max Ras, hat zwar immer eigenständige Positionen vertreten, aber zwischen Inseraten und den redaktionellen Inhalten oft gar nicht gross unterschieden. Im Gegenteil: Ras hat sogar selber in Texten für Zigaretten geworben. Der harte und recherchierende Journalismus, der den Beobachter heute auszeichnet, kam erst später.

Ein bisschen überspitzt formuliert: Dann hat Max Ras eigentlich die Publireportage in der Schweiz eingeführt …
So weit würde ich nicht gehen, aber die Werbung im Beobachter nahm damals sehr breiten Raum ein, Berührungsängste gab es kaum. Ras – der anfangs selber kein Geld hatte – erkaufte sich damit aber eben auch die Möglichkeit, sich nicht verbiegen zu müssen.

Im Gegensatz zu anderen Medienpionieren ist Max Ras heute einer grösseren Öffentlichkeit nicht mehr bekannt. Wer war Ras? Und was gab den Ausschlag für die Gründung des Beobachters?
Ras war ein Mensch, der einen sicheren inneren Kompass hatte für Freiheit, soziale Gerechtigkeit und wichtige Werte wie Leistungsbereitschaft, aber auch Toleranz innerhalb von Familie und Gesellschaft. Er wollte zeigen, was vorgeht in der Welt, seine Meinung sagen, nötigenfalls Entscheidungsträger loben oder tadeln und stets auch den Schwächeren helfen.

Welche journalistische Leitlinie verfolgt der Beobachter heute?
Geblieben ist sicher die «heisse Liebe zu unserem schönen Land», wie Ras sie verinnerlicht hatte, und der sich daraus ergebende Auftrag, Schweizer Qualitäten hochzuhalten. Also eine sozial faire Gesellschaft zu unterstützen, die nach austarierten Lösungen sucht und eine möglichst lebenswerte Umwelt erhalten will. Kurz: die stete Suche nach dem bestmöglichen Miteinander gegen kurzsichtige Ego-Interessen. Die einstige Maxime «Stark für die Schwachen» gilt noch immer, aber ich denke, dass unser heutiges Credo «Wissen, was wichtig ist» unsere Leitlinie noch besser beschreibt.

Aber trotzdem: Die Schwachen sind heute immer noch Ihre Hauptzielgruppe.
Nein, das ist zu eng definiert. Der Beobachter richtet sich an alle, die sich in der Schweiz möglichst souverän bewegen wollen. Unsere Fragen lauten: Was beschäftigt die Schweiz? Was sind die wichtigsten Trends und Strömungen, die uns in den nächsten Jahren beeinflussen? Und vor allem: Wie funktioniert die Schweiz, ihre Institutionen und Behörden, und wo läuft etwas schief? Dies wollen wir unseren Leserinnen und Lesern vermitteln.


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