11.08.2003

DIEKMANN KAI/AUGUST 2003

Mit 12,3 Millionen Lesern ist die Bild-Zeitung die grösste europäische Tageszeitung. 34 verschiedene Ausgaben aus 20 verschiedenen Redaktionen werden täglich produziert. Doch BILD ist mehr: für die einen ein unverbesserliches Kampfblatt, für die andern der journalistische Schrittmacher. Gegenüber “persönlich” äussert sich Chefredaktor Kai Diekmann über das Erfolgsrezept. Interview: Matthias Ackeret.

Herr Diekmann, Sie sind Chefredaktor der grössten europäischen Tageszeitung. Wie äussert sich diese Verantwortung?

“Massenmedien – und das gilt nicht nur für die BILD – haben grossen Einfluss. Daher tragen wir Tag für Tag besondere Verantwortung, nicht nur gegenüber unseren 12,3 Millionen Lesern. Das gilt aber nicht nur für den Chefredaktor, sondern für das ganze Team. In unserer Redaktion arbeiten viele gestandene Journalisten, die selbst schon ein Blatt geführt haben und sich dieser Verantwortung bewusst sind.”

Verantwortung ist ein dehnbarer Begriff. Wie sieht das in der täglichen Arbeit aus?

“Schlagzeilen können Schläge sein. Wir berücksichtigen daher immer die persönlichen oder politischen Konsequenzen, die sich aus Schlagzeilen ergeben können. Thema der heutigen Redaktionskonferenz waren die Gesundheitsreform und deren Folgen für Millionen von deutschen Arbeitnehmern. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie wir dieses Thema behandeln. Einhellige Ansicht war, dass es sich bei der Gesundheitsreform um eine Scheinlösung handelt, die ein marodes System weiter aufrecht erhalten soll. Da wir aber echte Reformen in Deutschland für unausweichlich halten, werden wir den populistischen Kuschelkurs der Parteien, die wirkliche Lösungen auf kommende Wahlperioden verschieben, nicht mitmachen. Leichter wäre der andere Weg. Aber wir verzichten darauf, unsere Leser bei jeder Neuerung mit populistischen Argumenten aufzumunitionieren. Das verstehe ich unter Verantwortung.”

Trotzdem richtet sich jede vierte Rüge vor dem deutschen Presserat gegen die Bild-Zeitung.

“Das ist kein Widerspruch. Der deutsche Presserat ist ein Organ der Selbstkontrolle, das lediglich einschreitet, wenn es dazu aufgefordert wird. Eine Zeitung mit weit über 12 Millionen Lesern zieht naturgemäss mehr Beschwerden auf sich als eine kleinere Publikation mit 100000. Das ist eine Frage der Arithmetik. Umgekehrt steht die Bild-Zeitung bei der Zahl der zurückgewiesenen Beschwerden an erster Stelle. Übrigens wird die Spruchpraxis des Presserates momentan sehr stark diskutiert. Viele Chefredaktoren – gerade von Regionalzeitungen – bemängeln, dass die Spruchpraxis einer objektiven Berichterstattung zuweilen entgegenstehe. Ein Problem ist sicherlich auch, dass keine Chefredaktoren im Presserat vertreten sind.”


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