Herr Enea, staunen Sie nicht manchmal, wenn Sie kurz vor Ihrem fünfzigsten Geburtstag auf Ihr Leben zurückschauen?
Ehrlich gesagt, nein. Wir sind in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich gewachsen und konnten unseren Betrieb Schritt für Schritt vergrössern. Unsere Wachstumspotenziale sind wir gezielt angegangen, ohne bestehende Strukturen zu belasten. Wir sind sehr glücklich, über eine 7,5 Hektar grosse Nutzfläche an bester Lage in Rapperswil-Jona zu verfügen, auf welcher wir unsere Projekte verwirklichen können.
Trotzdem gelten Sie heute als berühmtester Gärtner der Schweiz, der seine Projekte weltweit verwirklichen kann. Das ist doch erstaunlich.
Ich verstehe mich nicht als Gärtner, sondern als Landschaftsarchitekten, welcher in der ganzen Welt Gärten plant und baut. Dabei stehen wir in Konkurrenz zu den bedeutendsten Architekturbüros. Da wir in den letzten zehn Jahren mehrere Wettbewerbe gewonnen haben, werden wir immer wieder für interessante Projekte eingeladen.
Stapeln Sie nicht ein bisschen tief?
(Lacht.) Ich bin stolz, dass es uns gelungen ist, ein Team aufzubauen, das am gleichen Strick zieht. Die Hauptschwierigkeit unserer Arbeit ist es, das weisse Papier so auszufüllen, dass die Idee den Auftraggeber überzeugt und er den Wert darin erkennt. Um dies zu erreichen, muss man sich in die internationalen Gepflogenheiten und die verschiedenen Klimazonen hineindenken können. Dies ist am Ende matchentscheidend. Da die Konkurrenz mittlerweile sehr gross ist, müssen wir immer einen Schritt Vorsprung haben. Durch die Erfahrung und unser Know-how, mit dem wir Projekte im Ausland realisieren, werden wir immer wieder zu den ganz grossen Pitches eingeladen. Weltweit spielen etwa hundert Büros in dieser Liga.
Wer sind Ihre Auftraggeber?
Wir betreuen momentan 23 verschiedene Projekte auf der ganzen Welt. Es handelt sich aber nicht nur um Gärten für reiche und prominente Leute, sondern wir planen auch Gärten für die Öffentlichkeit. Ich bin soeben aus China zurückgekehrt, wo wir in Schanghai und Peking grössere Überbauungen durchführen.
Sind Sie China-fokussiert?
Nein, aber wir hatten bereits sehr früh neue und auch aufstrebende Märkte im Auge. In Russland haben wir bereits vor zwölf Jahren Gärten gebaut. Dies hat uns den Vorwurf eingetragen, wir würden mit Mafiageld bezahlt. Mittlerweile sind solche Vorwürfe Makulatur, und man erkennt die Russen als gleichwertige Geschäftspartner an, deren Geld man gerne annimmt.
Gab es in Ihrem Leben einen Schlüsselmoment?
Ich bin schon sehr früh in der Welt herumgereist und habe Gartenanlagen studiert. Entscheidend war höchstwahrscheinlich unser Auftritt an der Chelsea Flower Show, wo ich 1998 den Newcomer-Preis gewann und erstmals in Konkurrenz zu anderen renommierten Landschaftsgärtnern stand. 2006 eröffneten wir ein Zweitbüro in Miami, nachdem wir mit der Miami Art Basel ein gemeinsames Projekt verwirklichen konnten. Es reicht aber nicht, ein Büro in Miami und tolle Ideen zu haben. Man benötigt auch Aufträge. Wenn man diese hat, muss man die Bedürfnisse der Auftraggeber erkennen und diese so verwirklichen, wie sie es sich vorstellen.
Sie hätten sich auch ein Leben als Surfer vorstellen können.
(Lacht.) Ja, aber ich habe 1993 das Geschäft meines Vaters übernommen. Es handelte sich um einen Einmannbetrieb in Schmerikon. Mein Vater hatte aus Italien Terrakotta-Töpfe importiert und diese an Gartencenter verkauft.
Warum haben Sie dieses Business nicht weitergeführt?
Ich habe mit Passion in London Landschaftsarchitektur studiert. Dabei vertrete ich die Ansicht: Sobald man etwas mit Leidenschaft praktiziert, ist der Weg zum Erfolg naheliegend. Ich mag mich gerne erinnern, wie ich mit meinem Grossvater Pfirsiche im Garten gepflückt und ihm bei der Arbeit als Brunnenbauer geholfen habe. Das waren immer sehr schöne Ferien. Doch das ist lange her: Mittlerweile beschäftigen wir zweihundert Mitarbeiter. Eines unserer Erfolgsgeheimnisse ist es, dass wir das ganze Produkt Garten aus einem Guss herstellen. So beschäftigen wir neben Landschaftsarchitekten auch Schreiner, Sanitärinstallateure und Elektriker und bilden gleichzeitig auch noch Lehrlinge aus. Trotz der ganzen Internationalität sind wir mit Rapperswil sehr verbunden.
Prinz Charles schätzt Ihre Gärten. Aber auch Tina Turner, an deren Hochzeit Sie waren.
Im Vertrauen: Was zeichnet eigentlich ein Enea-Produkt aus?
(Lacht.) Ich weiss es – ehrlich gesagt – auch nicht genau. Vielleicht kann man es mit einem schönen Gemälde vergleichen. Gefällt einem dies, erkundigt man sich auch nach dem Namen des Malers. Bei einem schönen Garten ist es nicht anders. Ich habe den Status des «Promigärtners» nie gesucht. Für mich steht immer der Garten im Vordergrund. Und dieser sollte möglichst perfekt sein.
Sie kokettieren ...
Nein, aber es freut mich natürlich, dass meine Gärten heute ein eigenes Label darstellen. Dies hat aber auch seinen Preis. Ich bin mir bewusst, dass wir ein Luxusprodukt gestalten, welches den Leuten auch Freude machen und ein völlig neues Raumerlebnis bieten soll. Das verstorbene Beatles-Mitglied George Harrison hat vor seinem Tod im Tessin ein Haus gekauft. Ausschlaggebend dafür war der Garten, den ich gestaltet habe.
Verstehen Sie sich als Künstler?
Nein, überhaupt nicht. Trotzdem ist der Vergleich mit den Bildern stimmig. Nur sind unsere Projekte dreidimensional, und man kann darin leben. Wir gehen noch einen Schritt weiter und versuchen, durch spezielle Bepflanzung die Luft in unseren Installationen zu verbessern. Dies wird beispielsweise bei unserem Projekt in Schanghai oder der Überbauung in São Paulo der Fall sein.
Gibt es einen Enea-Stil?
Ja, Kenner sehen sofort, ob ein Garten von mir stammt oder nicht. Ich lege bei allen unseren Aufträgen selber Hand an und bestimme das Design. Insgesamt bearbeiten wir jährlich rund 150 bis 200 Projekte in allen Klimazonen. Dies erfordert aber konzentrierte Arbeit. Wir fokussieren uns auf das, was wir auch können. Und das sind vor allem Gestaltungsfragen und die Auswahl der benutzten Materialien.
Haben sich die Bedürfnisse Ihrer Auftraggeber in den letzten zehn Jahren verändert?
Der Kunde versteht heute den Garten als erweiterten Lebensraum, der zu einem Mehrwert für die Liegenschaft beiträgt.
Haben Sie ein bestimmtes Vorbild?
Nein, bereits die Römer bauten in den Innenhöfen die ersten Gärten. Die Engländer haben die Landschaftsgärtnerei perfektioniert. Aber auch die Asiaten bauen sehr schöne Anlagen. Trotzdem würde ich nie einen japanischen Garten eins zu eins nachbauen, wie es viele machen. Damit würde man dem Ort, an welchem er sich befindet, viel zu wenig Rechnung tragen. Ich bin der Ansicht, dass die Örtlichkeit, an der sich der Garten befindet, fast so wichtig ist wie der Garten selber. Ich habe mit Freude festgestellt, dass «meine» Gärten mittlerweile zur Wertsteigerung einer Liegenschaft beitragen.
Wie bewältigt man diesen Riesenstress überhaupt?
Ich habe mir mittlerweile einen Personal Trainer zugelegt. Wenn Sie so viel auf Reisen sind, ist sportliche Betätigung unerlässlich. Manchmal stosse auch ich an meine Grenzen. Ich habe soeben mit drei Kollegen in Peking zweiundsiebzig Stunden durchgearbeitet. Da in Frankfurt die Fluglotsen streikten, mussten wir noch zusätzlich fünf Stunden ohne Schlaf auf dem Pekinger Flughafen ausharren. Dabei kam ich mit einem schwedischen Geschäftsmann ins Gespräch, der in China Papiermaschinen verkauft. Er reiste nach fünfzig Verhandlungstagen ohne Geschäftsabschluss nach Hause. Das ist sehr hart und zeigt, dass einen die Chinesen nicht nur wegen der schönen Augen mögen. Verlangt wird immer eine kontinuierliche Leistung. Deswegen war ich trotz der enormen Müdigkeit froh, dass ich unseren Auftrag im Trocknen hatte.
Was ist das verrückteste Projekt, das Sie ausgeführt haben?
Die neusten Aufgaben sind immer die spannendsten. Wir bauen gerade das Gelände um das Kloster Wurmsbach in Jona um. Eine grosse Herausforderung ist das Projekt in São Paulo, wo auf einer ehemaligen Müllhalde von 480 000 Quadratmetern Fläche dreizehn Wolkenkratzer entstehen. Obwohl wir fünf Meter Erde auf den Müll geschüttet haben, dampft der Boden immer noch. Das stellt uns vor grosse technische Herausforderungen. Um die Hochhäuser herum pflanzen wir Bäume, die wir im Urwald ausgegraben und nach São Paulo transportiert haben. Dies garantiert innerhalb der Anlage die Filterung der Luft.
Sie sind auf der ganzen Welt tätig, wie ist die Zahlungsmoral?
Unterschiedlich. Man muss klare Verträge abschliessen und auf Vorauszahlung bestehen.
Mittlerweile haben Sie ein eigenes Baummuseum.
Ich sammle seit zwanzig Jahren ausgefallene und schöne Bäume. Anstatt sie zu fällen, haben wir die Bäume ausgegraben und auf unserem Gelände in Rapperswil-Jona wieder neu eingepflanzt. Die ältesten Exponate sind über hundert Jahre alt und bis zu zehn Tonnen schwer. Für mich ist ein Baum der perfekte Ausdruck der Natur. Unser Baummuseum besteht seit vier Jahren, umfasst rund fünfzig Bäume aus über fünfundzwanzig Arten und ist weltweit wohl einzigartig. Der berühmte Architekt Chad Oppenheim gestaltete den dahinterliegenden Ausstellungspavillon. In Zukunft wollen wir das Baummuseum mit zeitgenössischer Kunst bereichern.
Wie bewältigen Sie die Schwierigkeiten?
Das ganze Leben ist kein Honigschlecken (lacht). Benennt man aber die Schwierigkeiten offen, kann man sie auch am besten beheben.
Haben Sie im Ausland bereits Nachteile wegen der Masseneinwanderungsinitiative gespürt?
(Lacht.) Nein, im Ausland ist dies überhaupt kein Thema. Dafür ist die Schweiz wohl zu klein. Wir müssen uns auch auf unser Geschäft fokussieren und dürfen nicht immer alles der Politik in die Schuhe schieben.