19.09.2011

FISCHER JOSCHKA/Mai 2011

Der 63-jährige Joschka Fischer gilt heute noch als einer der beliebtesten Politiker Deutschlands. Der ehemalige Aussen­minister arbeitet heute als Unternehmensberater in Berlin, wird aber nach dem Aufschwung der Grünen von den Medien schon wieder als möglicher Kanzler gehandelt. Gegenüber «persönlich» zieht er ein Fazit über Fukushima, Libyen und Guttenberg.

Herr Fischer, rückblickend gesehen, hat sich die deutsche Politik seit Ihrem Abgang stark verändert?

Ja, momentan herrschen wirklich verrückte­ Zeiten. Dieser professionelle Akt der Selbstzerstörung, wie wir ihn bei der FDP als Regie­rungspartei seit eineinhalb Jahren erleben, ist einzigartig. Obwohl ich doch sehr lange in der Politik war, kann ich mich an eine ­solche Erosion, wie sie Herr Westerwelle vorangetrieben hat, nicht erinnern. Selbst das Ansehen des neuen FDP-Parteivorsitzenden Rösler wurde bereits vor Amtsantritt von seinen Parteifreunden zerstört. Dass ­liberale Politiker zu einem solchen Chaos fähig sind, ist eigentlich unvorstellbar.

Woran liegt das?

Ich stelle in der deutschen Politik einen grossen Verlust strategischer Orientierung zugunsten umfragegetriebener Taktik fest. Dies sieht man vor allem in der Europa­politik. Es wird aber auch bei der Libyen-Ent­scheidung im Sicherheitsrat deutlich, wo wir uns von unseren wichtigsten westlichen Partnern vollkommen isoliert haben. Die Aussenpolitik, wie sie Deutschland momentan betreibt, ist eine Farce. Das Signal, welches dadurch ausgestrahlt wird, registrieren unsere Partner mit sehr viel Misstrauen.

Wenn ich Sie sehe, macht es den Anschein, dass Sie persönlich unter der aktuellen Politik leiden.

Für mich ist das furchtbar, und ich mache mir ernsthafte Sorgen, wie dies weitergeht. Man darf als Deutscher nie vergessen, dass wir in unserer jüngsten Geschichte sehr ­negative Erfahrungen gemacht haben. Ich reise viel in der Welt herum und stelle immer wieder mit Erstaunen fest, wie schnell sich diese verändert. Der Aufstieg Asiens ist sehr stark an den europäischen Abstieg gekoppelt. Um diesen zu bremsen, benötigt man eine einheitliche Politik. Fehlt diese, wird es sehr schwierig.


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