Kampfzeiten in der Schweiz. Tamedia will der Pendlerzeitung 20 Minuten den Tarif erklären und mit einem eigenen Gratisblatt den Markt zurückerobern. Macht das aus Ihrer Sicht Sinn?
Ökonomisch gesehen sicher. Man muss mit den Wölfen heulen, auch wenn man sie nicht mag. Wenn man den Anzeigenmarkt dem Konkurrenten 20 Minuten kampflos überliesse, wäre der Schaden unabsehbar. Tamedia praktiziert dasselbe wie DuMont-Schauberg und Springer in Köln: Nachdem der skandinavische Verlag Schibsted eine Gratiszeitung lancierte, brachte man ein eigenes Blatt auf den Markt im Wissen, dass es ein sehr verlustreiches Unterfangen sein wird. Doch am Ende wird der unliebsame Konkurrent mangels Erlösen die Segel streichen. Und dann hat man den Heimmarkt wieder für sich.
Das tönt auch in der militärischen Diktion nach Stellungskrieg. Ist dies sinnvoll?
Das müssen Sie die Verlagschefs der fraglichen Unternehmen fragen.
Passt eine Pendlerzeitung in das Profil von Tamedia?
Ich muss, um dies zu beantworten, etwas weiter ausholen. Die Medien haben im Laufe der letzten zwanzig Jahre die Konsumenten dadurch verwöhnt, dass journalistische Leistungen billig, oft sogar unentgeltlich zu haben sind. So bieten private Anbieter ihre werbefinanzierten Radio- und Fernsehprogramme kostenlos an; und die kommerziellen Anzeigenblätter haben im Gegensatz zu den herkömmlichen Gratisblättern nun auch einen redaktionellen Nachrichtenteil. Damit geht bei der Bevölkerung das Gefühl für den Wert journalistischer Leistungen verloren. Man meint, man kriegt alles umsonst. Natürlich durchschaut der Konsument die Fremdfinanzierung nur begrenzt. Und hier liegt die Schwierigkeit der bezahlten Abonnementszeitung: Sie möchte für ihre publizistische Leistung einen entsprechenden Gegenwert, auch wenn er wegen der Werbeeinnahmen vergleichsweise gering ist.
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