14.05.2002

HELLER MARTIN, Directeur artistique/Mai 2002

Die Schweiz kann allerlei, doch in kultureller Kompetenz hinkt sie hintennach. Das ist die Chance der Expo, sagte sich Martin Heller, als er vor drei Jahren seine Arbeit als Directeur artistique aufnahm. Die Situation war konfus, sein Kredit gering, die öffentliche Stimmung miserabel. Heute hat Heller allseits Respekt: bei den wirtschaftlichen Partnern, bei Politikern, bei Kulturschaffenden. Mit welchem “Marketing” hat er das geschafft? Sein Schlüsselwort heisst “kulturelle Identität”. Interview: Ludwig Hasler

Was macht der Geburtshelfer nach der Geburt? Konkret: Was macht Martin Heller am 16. Mai, an dem Tag, nach dem der Expo-Zauber gezündet wurde?

“Die Geburt wird sich hinziehen. Das Kind braucht noch wochenlang Nachbetreuung. Ich werde verbessern, vermitteln, repräsentieren, debattieren. Es gibt dazu viele Anfragen, und ich werde ihnen gerne nachkommen. Schliesslich liegt ein Teil der Wirkung der Expo auch darin, dass bestimmte Fragen aus dem Ganzen herausgeschält und ins richtige Licht gerückt werden. Überrascht haben mich die Anfragen für Vorträge und Diskussionen ausserhalb der Arteplages. Die zielen, bereits wenige Wochen nach der Eröffnung, auf Auswertung. Zum Beispiel will der Club der Harvard-Absolventen Sinnfragen erörtert haben. Ein interessantes Publikum für die Auseinandersetzung über kulturelle Aspekte in der Ökonomie. Solche Foren der Auswertung sind wichtig mit Blick auf das dritte Leben der Expo, nach dem 20.Oktober.”

Aus dem anfänglich skeptisch bis feindselig verfolgten Martin Heller scheint ein allseits gefragter und respektierter Mann geworden zu sein. Wundert Sie das selber? Oder wollen Sie mir verraten, mit welchem “Marketing” Ihnen das gelungen ist?

“Erst einmal: Die Ausstellung hat noch nicht begonnen. Und Zuneigung kann auch schnell wieder umschlagen. Aber: Ausschlaggebend für den Umschwung war sicher der lange Atem – und die Konsistenz der Argumentation. Ich habe zwar dauernd dazugelernt, meine Grundanschauung jedoch nie korrigieren müssen. Als ich vor drei Jahren begann, musste ich mir sehr rasch ein intellektuelles Grundgefüge zurechtlegen: Was kann die Expo in unserer gesellschaftlichen Situation sein – und was nicht? Wie verhält sie sich zu ihrer eigenen Geschichte? Die erste Grundannahme hiess: Eine Ausstellung für alle – also weg von den berühmten fünf Prozent, die Kultur in ihrer Freizeit nutzen, hin zu praktisch hundert Prozent, also tendenziell zu allen, die in der Schweiz leben.”

Damit liefen Sie der Kulturkritik auch gleich ins Messer.

“Natürlich. Eine Ausstellung für alle: Das heisst normalerweise, es konzipiert einer im Glattzentrum eine Ausstellung mit Krippenfiguren – das ist für alle. Dass einer wie ich das sagt und dem auch nachlebt, das wurde lange gar nicht verständlich. Wogegen viele wirtschaftliche Partner mir das im besten Sinne abkauften. Sie glaubten es, weil sie auch stets Einblick in die Werkstatt der Ideen hatten.”


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