17.01.2011

LAFONTAINE OSKAR/Dezember 2010

Oskar Lafontaine hat die deutsche Linke geprägt. Die englische Boulevardzeitung Sun bezeichnete ihn sogar als ­«gefährlichsten Mann Europas». Der 67-jährige Saarländer war in seiner langen Karriere Finanzminister, Ministerpräsident, SPD-Parteipräsident, Kanzlerkandidat und Bestsellerautor. Vor allem aber ist er ein permanenter Unruhestifter.

Herr Lafontaine, wir führen unser Gespräch im Herzen des Kapitalismus, in der Nähe des Zürcher Paradeplatzes. Wie fühlt man sich als Sozialist in einer solchen Umgebung?

(Lacht) Sie werden überrascht sein, diese Frage habe ich mir bisher noch nicht gestellt. Aber wenn Sie nach dem Kapitalismus fragen: Ich habe mich an ihn gewöhnt, will aber eine andere Wirtschaftsordnung.

Das klingt ein wenig resigniert.

Keineswegs. Seit ich denken kann, setze ich mich mit den Vor- und Nachteilen von Gesellschaftsordnungen auseinander. Aber der Finanzkapitalismus läuft an die Wand. Wir brauchen eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung.

Dennoch hat sich diese Gesellschaftsordnung eine ganze Weile bewährt, und dies sogar während der Finanzkrise, in der stets von Veränderung die Rede war. Fakt ist, dass sich auch nach der Finanzkrise nichts verändert hat.

Ich weiss nicht, ob sich diese Gesellschaftsordnung bewährt hat. Wir sprechen heute von einem ganz anderen Kapitalismus als noch vor hundert Jahren. Was die Finanzkrise angeht, so handelt es sich um eine grosse Unordnung des Weltfinanzsystems, und diese wurde nicht beseitigt.


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