Herr Lüönd, Sie haben soeben die umfangreiche Dokumentation Ringier bei den Leuten publiziert. Ist dies die abschliessende Chronik über den Ringier Verlag, bevor dieser verkauft wird?
Ich kenne diese Spekulationen, glaube aber nicht, dass sie begründet sind. Ringier wird doch dies ist meine ganz persönliche Einschätzung auch in Zukunft den Alleingang wählen oder, wie es bei den Programmzeitungen bereits geschehen ist, vielleicht einzelne Objekte abstossen. Zurzeit sehe ich keinen Grund für einen Verkauf, dem Verlag geht es wirtschaftlich sehr gut.
Was hat Sie bei Ihrer Ringier-Recherche am meisten überrascht?
Dass es im Hause Ringier eigentlich keine Strategien gab und gibt. Zu Strategien werden nachträglich jene Bauchentscheidungen hochstilisiert, die sich als richtig erwiesen haben. Beim Schreiben des Ringier-Buches realisierte ich auf dramatische Weise, dass man im Medienbereich fast nichts labormässig ausstudieren und austesten kann. Marktforschung und Entwicklung finden im Massstab eins zu eins auf dem Markt statt, also ganz im Sinne von Trial und Error. Auf diese Weise konnte der Ringier Verlag in den letzten 175 Jahren in beide Richtungen sehr viele Erfahrungen sammeln. Die zweite Erkenntnis war mehr eine Bestätigung als eine Überraschung, nämlich die, dass Ringier immer dann erfolgreich gewesen ist, wenn er seinen Fokus primär auf den Lesermarkt gerichtet hat. Dies ist der einzige Weg, um mit einem Medienprodukt erfolgreich zu sein. Hat man Erfolg bei den Lesern, stellt sich dieser auch im Anzeigenmarkt ein. Umgekehrt funktioniert es nicht.
Wie sind Sie beim Abfassen des Buches vorgegangen?
Ich gehe bei solchen Arbeiten immer gleich vor. Zuerst vergewissere ich mich über die Quellenlage, anschliessend durchstöbere ich die Archive wie ein konventioneller Historiker. Das Ringier-Archiv war diesbezüglich sehr informativ. Einzelne Phasen, vor allem die Gründerzeit, sind nicht so gut dokumentiert. Höchstwahrscheinlich wurde während eines Umzugs sehr viel Material entsorgt. Deshalb konnte ich auch nichts mehr rekons-truieren. Auch über Paul August Ringier, die dominierende Figur in den Gründerjahren, gibt es nur wenige Selbstzeugnisse. Er hatte keine Zeit, sein eigenes Denkmal zu bauen, da er im Tagesgeschäft in jedes Detail involviert war. Doch die Akten sind nur das Skelett. Daneben habe ich zusammen mit den Kollegen der Universität Bern, die eine wissenschaftliche Unternehmensgeschichte über Ringier schreiben sehr viele Gespräche mit den wichtigsten Exponenten geführt. Einen wie Fibo Deutsch kann man nur interviewen, wenn man ihn und seine Geschichte auch kennt. Ansonsten überhört man die Zwischentöne.
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