Medard Meier, seit 12 Jahren sind Sie Chefredaktor der Bilanz, Wirtschaftsjournalist seit den siebziger Jahren. Wie hat sich in dieser Zeit die Zielgruppe Ihrer Publikation, die Manager und Führungskräfte, verändert?
Erheblich. Früher musste man die Manager fast schon an die Öffentlichkeit zwingen, Pressekonferenzen beschränkten sich auf die grössten Konzerne. Die ersten Meetings mit uns Journalisten fanden bei einem Morgen- oder Mittagessen statt; gesprochen hat dabei oft nur einer der Bigboss. Das hat sich vollkommen geändert: Heute ist der Manager oder CEO ein Selbstdarsteller, der die Erwartungen seiner PR-Leute und der Medien erfüllen muss. Aber dies sind angenommene Rollen. Neben dem Showbiz und der Politik wurde so eine ganz neue Kategorie von öffentlichen Personen geschaffen.
Woran Ihr Heft nicht ganz unschuldig ist. Aber trotzdem spüre ich eine gewisse Sehnsucht nach Managertypen wie Nikolaus Senn, dem ehemaligen SBG-Chef.
Sie erwähnen Nikolaus Senn, der hatte tatsächlich Ecken und Kanten, wobei er einen offenen Umgang mit uns gepflegt hat. Ihn konnte man jederzeit anrufen. Seine Bank ging später gleichwohl unter. Medien waren wenn überhaupt ein notwendiges Übel; der Geschäftsbericht, der einem vorgelegt wurde, hatte wenig bis keine Aussagekraft, die Aktionäre galten als freche Kerle, wenn sie es wagten, präzise Fragen zu stellen. Willkommen waren die leicht verschrobenen Festredner, von denen es ein halbes Dutzend gab. Die Aktionäre sollten eigentlich froh sein, überhaupt Titel des Unternehmens halten zu dürfen. Dies hat sich in den letzten 15 Jahren ganz erheblich geändert.
Lauern in dem heutigen Rollenspiel der Führungskräfte nicht erhebliche Gefahren? Der Manager weiss gar nicht mehr, wer er eigentlich ist und für was er steht.
Sobald einer in den letzten Jahren CEO einer grossen Unternehmung geworden ist, wird er von einer gigantischen Öffentlichkeitsmaschinerie begleitet. Man muss ihn positionieren, beschreiben, bekannt machen, filmen lassen. Für viele Manager ist dies eine vollkommen neue Welt. Denken wir an Mario Corti, bei Nestlé kannte ihn keiner; nun musste er sich plötzlich im Blick zu seinem Doktortitel oder seiner Frisur äussern. An diesem Tag kommt das grosse Wow vergleichbar mit der Wahl in den Bundesrat. Viele verlieren dabei die Bodenhaftung, weil sie dem Bild der Medien glauben. Nochmals das Beispiel Mario Corti: Einmal war er der Super-Mario, wenige Monate später der Abzocker der Nation. Welches Bild stimmt? Selbstverständlich keines! Kein Wunder, wandert er jetzt nach Boston aus.
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