01.03.2006

NIGGEMEIER STEFAN, Bildblog.de/März 2006

Medienbeobachtung: “Bild lügt”, hiess die Kampfparole der Sechzigerjahre. Die deutsche Boulevardzeitung stand immer im Brennpunkt politischer Kontroversen, so auch bei der 68er-Revolte. In seinem Bestseller “Der Aufmacher” demaskierte Autor Günter Wallraff 1977 die fragwürdige Arbeitsweise der Bild-Zeitung. Doch ist dies alles Vergangenheit? Die Internetseite www.bildblog.de listet täglich die aktuellen Fehler der Boulevardzeitung auf. Ein sinnvolles Unterfangen oder mediale Hysterie?

Herr Niggemeier, Sie haben mit www.bildblog.de einen täglichen Internetdienst eingerichtet, der die aktuellen Fehler der Bild-Zeitung auflistet. Für viele Leser bedeutet die Lektüre der Bildzeitung ein tägliches Happening – nicht zuletzt wegen deren Zuspitzungen. Vergällen Sie denen dadurch nicht den Spass?

“Na, hoffentlich. Natürlich kann man sich über eine Schlagzeile wie ‘Aus toten Katzen mache ich Benzin’ amüsieren. Allerdings stecken dahinter ein echter Erfinder und eine echte Firma, nur dass beide weder mit Katzen noch mit Benzin etwas zu tun haben. Der Preis, den sie für die spassige Bild-Berichterstattung zahlen, ist die Bedrohung ihres Geschäftes. Ein echtes Happening war für Bild auch die Forderung eines Hamburger Politikers, Schulkinder, die auf dem Pausenhof nicht deutsch sprechen, sollten den Hof fegen müssen. Tagelang berichtete Bild über diesen angeblichen Vorschlag und die empörten Reaktionen darauf, andere Medien stiegen darauf ein – wirklich spassig ist aber, dass der Politiker diese Forderung nie aufgestellt hat. Aber wir sind auch keine Spassbremsen. Wir wollen nur nicht auf Kosten unschuldiger Menschen oder der Wahrheit lachen – sondern im Zweifelsfall über Bild.”

Was war die Motivation, ein solches Portal zu gründen?

“Zu unserer Arbeit als Medienjournalisten gehört es, täglich die Bild-Zeitung zu lesen. Häufig haben wir uns über ihre Berichterstattung geärgert: über die Fahrlässigkeiten, die bewussten Lügen, über die Bigotterie, kurz: darüber, dass Bild der Verantwortung, die sie als Zeitung mit vielen Millionen Lesern hat, nicht gerecht wird. In den klassischen Medien kann man natürlich nicht jede Geschichte, auf die man so stösst, aufbereiten – die Leser der Medienseite einer Tageszeitung haben ja ein Recht, auch über andere Themen als die neuen Entgleisungen der Bild-Zeitung informiert zu werden. Die Form als Weblog erschien uns dagegen ideal, ganz aktuell und spezialisiert die alltäglichen ‘kleinen Merkwürdigkeiten und das grosse Schlimme’ festzuhalten. Auf diese Weise können wir die Falschmeldungen zeitnah korrigieren. Gleichzeitig entsteht eine Art Archiv über die Fehlleistungen von Bild. Wir liefern damit auch den ohnehin Bild-kritischen Lesern viele konkrete Argumente, warum ihre Vorbehalte berechtigt sind.”

Welches waren bis anhin die krassesten Falschinformationen?

“Im Zweifelsfall sind die krassesten Falschinformationen die gewesen, die wir überhaupt nicht entdeckt haben – weil es keine andere Quelle und keine Möglichkeiten zur Nachrecherche gab.”


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