13.08.2002

OLINS WALLY, CI-Papst/August 2002

Er gründete mit seinem Partner 1965 Wolff Olins, die mit 180 Mitarbeitern heute zu den führenden Branding-Agenturen gehört. Wally Olins gilt als CI-Papst von Grossbritannien. Er reinkarnierte globale Konzerne wie British Telecom, Prudential, Renault, Guinness und Orange. Seit kurzem ist Olins pensioniert, doch er arbeitet an neuen Projekten: am Branding von ganzen Nationen. Interview: Oliver Prange

Wenn man sich manche Ereignisse der jüngsten Zeit, vor allem in den USA, anschaut, dann kann man sich schon fragen: Was ist bloss mit den Unternehmen los? Wird da nur noch abgezockt und an den Zahlen herummanipuliert?

“Das muss man differenziert betrachten. Auf die Unternehmen wird grosser Druck ausgeübt, aus verschiedenen Richtungen. Die Unternehmen sollen sich zum einen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein: Sie sollen sich besser benehmen, sie sollen die Tiere schützen, sie sollen biologische Produkte herstellen und so weiter. Dann sollen sie kein Kapital aus Entwicklungsländern heraus transferieren, und sie sollen die Arbeitskräfte nicht ausbeuten. Selbstverständlich soll das Unternehmen seine Produkte billig verkaufen. Und dann gibt es die Ansprüche der Shareholder, einen möglichst hohen Profit in möglichst kurzer Zeit zu erwirtschaften. Diese Ansprüche nun widersprechen einander. Man kann keine biologischen Produkte herstellen, die wirklich billig sind. Man kann nicht hochgradig wettbewerbsfähig sein, wenn man den Zulieferern hohe Preise zahlen will. Man kann nicht langfristig über die gesellschaftliche Verantwortung nachdenken, wenn einem die Finanzmärkte sagen, dass man mit 15 Prozent im Jahr wachsen müsse – bei einer volkswirtschaftlichen Wachstumsrate von drei bis vier Prozent. Die Unternehmen sind also mit vollständig widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert, und um die alle zu erfüllen, bleibt ihnen eigentlich gar nichts anderes übrig, als zu betrügen. Selbstverständlich tun das nicht alle, aber die Versuchung ist gross.”

Diese Betrügereien von Unternehmen färben stark auch auf die Befindlichkeit und aufs Image einer Nation ab. Sie gehen in einem neuen Buch, das demnächst erscheint, davon aus, dass man auch eine Nation branden kann. Glauben Sie wirklich, dass man eine Nation wie einen Markenartikel behandeln kann?

“Eine Nation zur Marke zu machen, ist unendlich viel komplexer, als das bei einem Produkt oder Unternehmen der Fall ist. Da muss man viel subtiler vorgehen. Die grundlegenden Prinzipien bleiben aber die gleichen. Es ist auch gar nicht die Frage, ob Nationen zur Marke werden können, sie sind bereits Marken. Das ist keine Erfindung, das gibt es mindestens seit der Französischen Revolution, wenn nicht schon viel länger. Es geht darum, wie sich die Menschen innerhalb einer Nation fühlen und wie die Nation von aussen gesehen wird. Wir sehen bei Nationen gewisse Charakteristiken. Die Schweiz hat für den auswärtigen Beobachter ganz bestimmte Eigenschaften. Und wenn sich dann herausstellt, dass die Realität etwas anders ist, dann sind wir geschockt. Die Frage ist nur, ob die Realität einer Nation, die sich verändern kann, mit dem Image übereinstimmt. Wenn nicht, muss man etwas unternehmen.”

Wie beurteilen Sie die Schweiz?

“Ich kann nicht wirklich beurteilen, wie die Realität ist, weil ich das Land nicht studiert habe. Ich habe es mehrmals besucht und weiss ein paar Dinge über die Schweizer Geschichte. Aber ich weiss, dass die Schweiz als extrem effizient wahrgenommen wird, als extrem reich, als extrem erfolgreich, als isoliert und freiwillig neutral. Die Schweiz wird von den eigenen Leuten und von Aussenseitern als beinahe unangreifbar, als unverletzlich angesehen. Und nun hatte man all diese Probleme mit der Swissair, mit der Credit Suisse, mit der Luftverkehrskontrolle, mit dem Brand im Gotthard-Tunnel und dem Anschlag in Zug. Alle diese Dinge widersprechen dem Image der Schweiz. An so etwas denkt man nicht, wenn man an die Schweiz denkt.”


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