28.02.2003

OLIVETTO WASHINGTON, Werber/März 2003

Washington Olivetto (51) ist einer der bekanntesten Werber Brasiliens, sein Name ziert sogar ein Sandwich, ein Steak und eine CD. Mit der Kampagne für das Wochenmagazin EPOCA gewann er 2002 gegen Bob Scarpellis WHASSUP beinahe den Grand Prix in Cannes. Landesweite Berühmtheit erreichte Olivetto, als er im vergangenen Jahr auf dem Heimweg aus seinem Auto gekidnappt wurde. In seiner Haft schrieb er den Bestseller "Corinthians”. Dieser handelt weder von Kidnappern noch von Werbung – sondern von noch etwas Wichtigerem: vom brasilianischen Fussball. Interview: André Engert Morales

Washington Olivetto, wie verbrachten Sie die Zeit Ihrer Entführung?

“Da ich weder eine Uhr noch einen Kalender besass, musste ich meine Zeit mit Aktivitäten ausfüllen, besonders mit Schreiben und Tage zählen. Als ich nach zwei Monaten von der Polizei auf spektakuläre Weise befreit wurde, habe ich in einer Ecke des Raums, in dem sich die Entführer aufgehalten hatten, meine Manuskripte gefunden; daraus ist ein Buch über die Fussballmannschaft Corinthians entstanden, das bereits zum Bestseller geworden ist. Das Buch habe ich zusammen mit dem Journalisten Nirlando Beirão geschrieben – teilweise ist es erfunden, teilweise entspricht es der Wirklichkeit. Ich erzähle, wie ich den Werber Ed McCabe, den ehemaligen Partner von Scali, McCabe, Slove, an ein Fussballspiel in São Paulo begleite und ihm allerhand Wahres und Unsinniges über Fussball und Brasilien erzähle. Mein Kollege Nirlando hingegen stellt im Buch die Lügen richtig; da Journalisten, wie wohl jeder weiss, niemals lügen. Aberglaube oder nicht, mein Kollege Ed McCabe besuchte das Endspiel der brasilianischen Meisterschaft, als Corinthians gewann. Somit wurde er zum inoffiziellen Maskottchen ernannt.”

Fussball ist ein sehr brasilianisches Thema, so wie Werbung auch. England und Brasilien gehören zu den wenigen Ländern, in denen Werber von der Öffentlichkeit geehrt und geliebt werden. Wie erklären Sie sich das?

“Aufgrund der Grösse Brasiliens ist die Macht der Medien riesig. Die Streuverluste sind zwar sehr hoch, gleichzeitig werden Bevölkerungsschichten angesprochen, die zwar nicht kaufkräftig sind, aber Werbeideen aufnehmen und wiederholen. Werbung ist in Brasilien ein Teil der Pop-Kultur. Die Medien machen eine sehr professionelle Arbeit, dadurch müssen wir Werber – gewissermassen als ‘Störer’ – ein entsprechend hohes Niveau an Unterhaltung bieten. Somit werden wir Kreative bekannt. Mein Name zirkuliert wie derjenige von Pelé, das verpflichtet. Es gibt ein Sandwich namens W. Olivetto, im Restaurant Rodeo ein Steak, das W. Olivetto getauft wurde, im eleganten Restaurant Antiquarius gibts ein Gericht mit Stockfisch, Kartoffeln und Petersilie, namens W.Olivetto, Warmer Records hat eine CD unter dem Titel W-Hits mit den besten Comercial Songs der Agentur lanciert, und somit bin ich auch zum Produkt mit breiter Anerkennung geworden. In England sind die Gründe wohl anders, aber da kann mein Freund Haegerty am besten Auskunft geben.”

Sie produzierten unzählige Kampagnen, die heute zur brasilianischen Kultur gehören und deren Slogans im Alltag verwendet werden. Wie schafft man das?

“Ein Erfolgsrezept: Die Kunden zeigten dabei immer so viel Mut, wie wir erwarteten. Eine Kampagne wurde so populär, dass über deren Hauptfigur ein Buch geschrieben wurde. Es handelt sich um die Stahlwatte Bombril, welche von einer grossen Putzmittelfirma hergestellt wird. Dafür haben wir den Slogan ‘1001 Nutzen’ kreiert. Moreno ist wie unser Produkt sehr vielseitig und agiert vor der Kamera in allen möglichen Rollen: als Kind, als Frau, als Politiker, als Farbiger, als Zwillingspaar, als Ehepaar, als Marsmensch, als Robocop usw. Seine Figur verkörpert den ‘Anti-Heroe’, den menschlichen Verkäufer, der Fehler macht und diese auch zugibt. Dadurch hat er sich bei einer sehr breiten Masse der Bevölkerung beliebt gemacht – eine Pop-Band drehte sogar ihren Musik-Clip mit ihm. Die Kampagne hat Kultcharakter: Viele Personen stellen sich heute als Menschen ‘mit 1001 Nutzen’ vor, sei es in Liebesbeziehungen wie auch im geschäftlichen Leben. Dank 292 TV-Spots mit demselben Schauspieler sind wir nun im Guinness Book of Records eingetragen. 1001 Gründe also, diese Kampagne über 22 Jahre zu fahren.”


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