29.09.2005

SCHWARZER ALICE, Frauenrechtlerin/Oktober 2005

Geschlechterkampf: Das Duell Merkel gegen Schröder ist für die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer die Ausgeburt des Geschlechterkampfs.Die wortgewaltige Journalistin hat sich als Herausgeberin der Frauenzeitschrift Emma einen Namen gemacht und sich immer wieder in aktuelle Debatten eingemischt. Gegenüber “persönlich” erzählt sie, warum sie Angela Merkel gegen alle Angriffe verteidigt und wie sie die Abende mit Roger Schawinski und Roger Köppel verbringt.

Frau Schwarzer, Angela Merkel wurde wider Erwarten nicht zur neuen Kanzlerin gewählt. Welches sind die Gründe? Könnte ihr Geschlecht auch ein Grund dafür sein?

“Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel Kanzlerin wird, denn sie ist ja die Kandidatin der stärksten Fraktion. Dass der noch amtierende Kanzler Schröder in der so genannten ‘Elefantenrunde’ in selbstherrlicher Verkennung der Realitäten erklärt hat, das Volk habe ihn gewählt, und er bleibe auf jeden Fall Kanzler, das hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass ein Macho wie er es nicht erträgt, von einer Frau besiegt zu werden.”

Aber nochmals: Spielte es eine Rolle, dass Frau Merkel eine Frau ist?

“Ja. Die konservative Kanzlerkandidatin ist mit einer Häme behandelt worden, wie wir sie in Deutschland seit der Kandidatur von Willy Brandt oder Franz-Josef Strauß nicht mehr erlebt haben. Das ging bis hin zu der Kritik der Kanzlergattin an der Kanzlerkandidatin, weil die keine Kinder hat. Wir leben hier zurzeit in einer verkehrten Welt: Der sozialdemokratische Kanzler führt eine traditionelle Hausfrauenehe – und die konservative Kanzlerkandidatin eine partnerschaftliche Ehe mit einem renommierten Wissenschaftler. Ich war mit Angela Merkel anfangs der Neunzigerjahre erstmals essen und habe seither Kontakt mit ihr. Damals war sie noch Frauenministerin bei Helmut Kohl. Ich habe sie angerufen, weil mich die hämischen Kommentare über ihre Person, das Geläster über ihre Frisuren und Kleider hellhörig gemacht haben. Frau Merkel als intelligente Wissenschaftlerin hat damals gar noch nicht so richtig mitbekommen, was mit ihr passierte.”

Aber bedeutet eine konservative Regierung nicht ein Rückfall in jene Zeiten, die gerade Sie während Ihres ganzen Lebens bekämpften?

“Ich werde zu Recht eher der politischen Linken zugeordnet. Aber die Zeiten der Verteufelung des einen oder anderen Lagers sind vorbei. Und die Zeiten der Gläubigkeit auch. Es scheint mir ein Zeichen demokratischer Mündigkeit, nicht reflexartig zu wählen, sondern genauer hinzusehen und nach den Programmen und Taten zu fragen. Wir werden also sehen, was eine CDU/CSU-geführte Regierung und eine Grosse Koalition mit den Sozialdemokraten tun wird. Auf die erste Kanzlerin 60 Jahre nach dem Führer und 87 Jahre nach Erringung des Frauenstimmrechtes bin ich auf jeden Fall gespannt.”


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