Herr Sigg, als Sie am 1. August 2005 zum Vizekanzler der Schweizerischen Eidgenossenschaft ernannt wurden, haben Sie den Begriff Transparente Information geprägt. Was verstanden Sie darunter?
Ich bedaure, dass Sie sich an diesen Begriff erinnern. Ich habe seinerzeit im Übermut den Mund ein bisschen zu voll genommen. Damals war ich ein junger Vizekanzler im Alter von 61 Jahren und hatte das Gefühl, die kleine Welt der bundesrätlichen Kommunikation ändern zu müssen. Als Informationsbeauftragter der Bundesverwaltung bekommt man oft den Eindruck, der Bundesrat sei eine Art Blackbox. Man sieht zwar, was rein- und nachher rauskommt, in der Mitte aber befindet sich eine dunkle Waschmaschine ohne Sichtglas. Deshalb schien mir, man müsse die Vorgänge im Bundesratszimmer und die Entscheidungsprozesse ein wenig sichtbarer machen.
Warum ist dies letztlich nicht gelungen?
Das hat vor allem mit dem Sitzungsgeheimnis zu tun. Die wichtigsten Geschäfte, welche der Bundesrat behandelt, sind mit grüner Farbe gekennzeichnet, was so viel wie streng vertraulich bedeutet. Es handelt sich um nur gerade zehn Exemplare, die an die sieben Bundesräte und die drei Bundeskanzler beziehungsweise Vizekanzler weitergegeben werden. Dabei gilt ein althergebrachtes Prinzip: Je gravierender das Geschäft, desto zurückhaltender ist man im Grunde genommen in der Information ausser es handelt sich um einen Entscheid. In diesem Fall wird in aller Regel darüber informiert, nicht jedoch über die Art und Weise, wie er zustande gekommen ist. Für die Kommunikation einer Kollegialregierung muss es unerheblich sein, wer welche Argumente für und wer welche Argumente gegen eine Vorlage verwendet hatte. Die Bundesverfassung bestimmt, dass der Bundesrat kollegial entscheidet, also eigentlich ohne Abstimmung einen Kompromiss sucht. Auch wenn einer der Bundesräte in der Sitzung gegen einen Entscheid opponiert hat, muss er ihn anschliessend ohne Vorbehalte unterstützen. Dies ist am besten möglich, wenn die verschiedenen Positionen gar nicht erst bekannt werden.
Aus Ihren Äusserungen spüre ich eine gewisse Resignation. Kann ein Regierungssprecher in der Schweiz also nichts verändern?
Nur wenig, weil die Kommunikation gänzlich in der Verantwortung des Bundesrates als Gesamtbehörde liegt. Der Regierungssprecher muss sich um die Organisation der Kommunikation kümmern und die schriftlichen, durch die Departemente vorbereiteten Dokumente bewilligen oder korrigieren lassen. Diese müssen die bundesrätlichen Entscheide exakt wiedergeben. Zudem muss er die Pressekonferenzen organisieren und sich um die Nachbearbeitung der Kommunikation kümmern. Man kann diese Arbeit nicht mit jener in den Nachbarstaaten vergleichen. Dort tritt der Sprecher der Regierung mandatiert vom Premierminister oder Ministerpräsidenten in Erscheinung. Diese Einrichtung existiert in der Schweiz bekanntlich nicht.
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