Herr Soiron, wenn Sie auf Ihre Wirtschaftskarriere zurückschauen, was hat Sie am meisten geärgert?
Eigene Fehler. Gelegentlich fordern wir von unseren Managern nämlich zu wenig. Das darf man nicht den Medien oder der Börse überlassen.
Dann sind nach Ihrer Auffassung unsere Verwaltungsräte zu passiv oder zu schwach?
Verwaltungsratssitze sind nicht dafür da, dass man sich darin wohlfühlt. Sondern um Mehrwert zu schaffen, wobei dieser gar nicht immer materiell sein muss. Darum dürften Verwaltungsräte durchaus proaktiver und konfliktfreudiger sein. Vor allem müssen sie sicherstellen, dass von ihnen genehmigte Strategien auch tatsächlich und konsequent in der Realität umgesetzt werden.
Ist das Schweizer System überhaupt zeitgemäss? In Deutschland gibt es den Aufsichtsrat.
Gibt es ein «Schweizer System»? Bei uns kann – beziehungsweise: könnte! – jeder Verwaltungsrat seine Aufgabe so interpretieren, wie das der gegebenen Situation am besten entspricht. So gibt es ja auch bei uns Verwaltungsräte, die sich wie ein deutscher Aufsichtsrat de facto auf Aufsicht und Personalentscheidungen konzentrieren. Und am anderen Ende gibt es Verwaltungsräte, die nicht nur Kernentscheide treffen, sondern auch Details regeln. Das kann von der Branche abhängen, von den Eigentumsverhältnissen, vor allem aber auch von der konkreten Situation. Es gibt Zeiten, in denen sich ein Verwaltungsrat zurückziehen darf, in anderen Zeiten muss er eingreifen – das ist sein Auftrag von den Aktionären. Diese Flexibilität, die eigene Aufgabe situativ zu interpretieren, ist typisch für unser Land und ein grosser Vorteil.
Der Ruf der Manager hat in den letzten zwanzig Jahren massiv gelitten. Woran liegt das in Ihren Augen?
Ich stelle eine Gegenfrage: Der Ruf welcher Führungsgruppen hat nicht gelitten.
Derjenige des Papstes vielleicht.
Hören Sie sich doch um, was die Konservativen von Papst Franziskus halten. Im Ernst: Mir scheint, das Ansehen fast aller Führungsschichten habe abgenommen in den fünfzig Jahren, in denen ich das beobachten kann. So etwas wie «natürlichen Respekt» gibt es nicht mehr. Die Medienrealität hat dazu geführt, dass Andersens Märchen, in dem der Kaiser nackt war, es ihm aber niemand zu sagen wagte, zur Dauerüberzeugung geworden ist. Und was die Wirtschafts-eliten angeht, so haben eben leider zu viele Chefs nicht nur im Ausland, sondern auch bei uns das Publikum davon überzeugt, dass die Grossen viel «nackter» seien, als sie es gerne hätten. Das hat dem Respekt nicht geholfen.
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