15.04.2002

WOHLGENSINGER ELMAR, Präsident IHA und GfM/ Oktober 2001

Wenige Manager haben so weit verzweigte Kontakte wie Elmar Wohlgensinger. Er ist seit 21 Jahren Präsident des führenden Marktforschungsinstituts IHA, an dessen Aufbau er massgeblich beteiligt war, und seit 10 Jahren ist er auch Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Marketing GfM. Im Interview mit “persönlich” sagt Wohlgensinger, warum es Brandingtalente an der Spitze der Unternehmen braucht und was die Marketingwissenschaft bringt. Interview: Oliver Prange

Früher wurden Unternehmen von produktionsorientierten Managern geführt: je hoch stehender das Produkt, je grösser die Produktionskapazität, desto erfolgreicher die Firma. Das war das Denkschema. Heute sind an deren Stelle die finanzorientierten Manager getreten, welche die Firmen fusionieren, Teile abtrennen und neu zusammenfügen. Warum stehen selten die Marketingleute an der obersten Spitze?

“Es gibt schon einige Unternehmen, in welchen Marketingleute an der Spitze stehen. Dies in den bekannten Markenartikelfirmen und auch vereinzelt in Investitionsgüterfirmen, zum Beispiel bei Schindler und Hilti. Aber es ist schon so, dass vor kurzem das Wort Financial Engineering in aller Munde war. Heute stellt man aber wieder fest, dass mindestens so wichtig wie eine gute Finanzierung das Branding ist.”

Diese Erkenntnis war während des Internet-Hypes offensichtlich verloren gegangen.

“In vielen Internetfirmen ging vergessen, dass man sich nicht nur übers Aktionärsgeld refinanzieren kann, sondern dass man Kunden braucht, die Einnahmen generieren. Ich habe diese Denkhaltung nie verstanden. Man trat die grundlegenden Marketing-Erkenntnisse mit Füssen. Dasselbe gilt für viele Anbieter aus der Telekommunikationsbranche. Die Branche ging so weit, dass sie Handys verschenkte, um neue Abonnenten zu gewinnen. Marketing darf nicht nur über den Preis stattfinden.”

Die Internetunternehmer kann man vielleicht entschuldigen, weil sie unerfahren waren, aber bei den Telekom-Firmen, die zum Beispiel kaum refinanzierbare Milliarden für UMTS-Lizenzen ausgaben, waren gestandene Manager am Werk.

“Sie waren aber nicht markterfahren. Denn die Telekom-Firmen waren bis vor kurzem staatliche Monopolbetriebe, die sich nie auf dem Markt beweisen mussten. Sie liessen sich vom Hype anstecken, bekamen Panik, dass ihnen die Felle davonschwimmen würden und tätigten gigantische Investitionen, die sich als Flop herausstellten. Sie verfolgten keine Marketing-, sondern eine Macht-Strategie.”


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