David Schärer, am Sonntagnachmittag haben Sie einen überraschenden LinkedIn-Post abgesetzt: Sie werden eine Agentur aufbauen. Haben Sie schon einen Namen dafür?
Kurzfristig firmiere ich als Studio unter meinem eigenen Namen. Der Plan aber ist, mittelfristig eine Agentur aufzubauen. Die Frage ist nicht ob, sondern in welcher Konstellation. Ich habe sehr konkrete Vorstellungen und führe entsprechende Gespräche.
Laut Ihrem Post bieten Sie strategische Kommunikation, Reputationsmanagement, Advisory und Campaigning an. Klassische Werbekampagnen haben Sie keine im Repertoire?
Das Angebot beschreibt Schwerpunkte und ist natürlich nicht ausschliesslich. Um Meinungen zu prägen, braucht es je nach Aufgabe das entsprechende Instrumentarium. Kurzfristig weiss ich mir zu helfen, um den ganzen Mix anbieten zu können. Natürlich sieht der Businessplan vor, ein schlagkräftiges Team aufzubauen mit dem entsprechenden Know-how in all diesen Disziplinen.
«Das braucht halt auch etwas Mut»
Sie versprechen «maximale Wirkung». Das sagt doch jeder …
Wirkung herstellen ist ein «Point of Parity» für eine Agentur, möchte man meinen. In aller Bescheidenheit möchte ich behaupten, dass ich in den letzten 25 Jahren einiges mitgeprägt und einen Instinkt dafür entwickelt habe, was Impact hat und was nicht. Mit zunehmender Berufserfahrung ist das Hirn darauf trainiert, immer die Differenzierung zu suchen. Ohne die geht es halt nicht, zumindest wenn es darum geht, Aufmerksamkeit zu binden. Aber das braucht halt auch etwas Mut. Ich bin da mit Auftraggeberinnen und Auftraggebern sehr klar und sage ihnen, was ich für herausgeschmissenes Budget halte. Letztlich geht es um einen verantwortungsvollen Umgang mit Geld, das einem nicht selbst gehört.
Apropos Geld: Die Agentur Rod Kommunikation, die Sie mitgründeten, warb mit dem Slogan «A Bigger Bang for the Buck». Haben Sie schon einen Slogan für Ihre neue Agentur, zum Beispiel «An even Bigger Bang for the Buck»?
Ich fürchte, der Claim meiner ehemaligen Agentur ist nicht zu toppen und deshalb lass ich's wohl. Dazu kommt, dass ich mich vermehrt Aufgaben zuwenden werde an den Schnittstellen Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Eine Proposition also, die vielleicht etwas mehr die Bevölkerung, also Bürgerinnen und Bürger, und weniger Konsumentinnen und Konsumenten in den Mittelpunkt stellt.
Nach Ihrem Ausstieg bei Rod verblieben Sie im Verwaltungsrat der Agentur. Steigen Sie nun aus, nachdem Sie Ihre eigene Agentur gründen?
Aus dem Verwaltungsrat bin ich zwischenzeitlich ausgetreten.
Die ersten Kunden, die Sie im LinkedIn-Post nennen, sind eindrücklich, darunter etwa die SRG, Ex Libris, Schauspielhaus Zürich und weitere. Wie haben Sie akquiriert?
Ausnahmslos über Empfehlungen Dritter. Meistens wurde ich angerufen mit der Frage, ob ich jemanden mit meinem Profil kenne. Mit der Lust, wieder gründen zu wollen, habe ich mich sofort zur Verfügung gestellt. Und das Glück ist, dass es unterschiedliche, aber alles sehr herausfordernde und deshalb interessante Aufgaben sind.
«Religion und Spiritualität spielen in meinem Leben keine Rolle»
Auch die Katholische Kirche ist in Ihrem Portfolio. Ich nehme an, hier geht es um Reputationsmanagement.
Den Scope werde ich noch nicht beschreiben, ich bin ja ganz am Anfang. Die Aufgabe aber ist hochinteressant, gerade weil ich selber Agnostiker bin und reformiert. Religion und Spiritualität spielen in meinem Leben keine Rolle, ich habe eine eher existenzialistische Auffassung davon. Aus der Kirche bin ich nie ausgetreten, weil ich immer ihre unersetzbare Rolle für den Gemeinsinn anerkannte. Das Angebot ist riesig und für alle.
Und was machen Sie für Ihre anderen Kunden?
Ich stehe ja am Anfang und will und darf noch nicht viel kommentieren. Das Schauspielhaus Zürich berate ich im Marketingplan für die Vorbereitung der Saison unter der Co-Intendanz von Pınar Karabulut und Rafael Sanchez. Das Schuhhaus Walder wird 150 Jahre alt und in der sechsten Generation der Familie geführt. Das darf ich begleiten. Bei Ex Libris ist das Thema das Fördern der Lesefreude.
Und auch eine erste Mitarbeiterin haben Sie schon: Janine Paumann wird ab Oktober Beraterin. Woher kennen Sie sich?
Das ist ein Glückfall, Janine ist eine junge Kollegin und eine ungewöhnlich breit einsetzbare Beraterin. Sie kann analysieren, Kampagnen organisieren, Texte schreiben und beraten. Wir hatten schon zuvor zusammengearbeitet und sind deshalb eingespielt.
Wie gross soll Ihre Agentur einst werden?
Grösse war nie entscheidend für mich. Entscheidend für mich ist, dass ich nicht nur am ersten Meeting mit den Auftraggeberinnen und Auftraggebern dabei bin und dann wieder auftauche, wenn es um die Vertragsverlängerung geht. Dass ich erreichbar bin, wird geschätzt. Aber ich will schon eine Grösse, dass man etwas bewegen kann. Wenn man sich den Markt so anschaut, bin ich überzeugt, dass es Platz gibt für inhabergeführte Boutiquen.
Gibt es auch noch Partner im Hintergrund?
Aktuell nicht, in naher Zukunft sicher und sehr konkret.
«Das Gute an zunehmender Erfahrung ist, dass man sehr schnell weiss, ob etwas passt oder nicht»
Vor genau einem Jahr wechselten Sie als Marketingchef zu Breitling (persoenlich.com berichtete). War das also nicht so Ihr Ding?
Das Gute an zunehmender Erfahrung ist, dass man sehr schnell weiss, ob etwas passt oder nicht, und in diesem Falle war es halt zweiteres. Aber das ist alles kein Drama. CEO Georges Kern und ich sehen es genau gleich und verstehen uns immer noch gut.
Was für eine Erkenntnis nehmen Sie mit aus dieser Zeit?
Wahrscheinlich habe ich selten so viel gelernt. Aber weil in einem Unternehmen wie Breitling jeden Tag etwas passiert, brauche ich wahrscheinlich noch eine Weile, um eine zentrale Erkenntnis herauszudestillieren.
Ein Blick auf Ihr Handgelenk: Tragen Sie immer noch eine Breitling?
Logisch, ich liebe ikonisches Design und darum meine Navitimer. Meine liebste im Moment ist allerdings die Super Chronomat mit blauem Zifferblatt und Rouleaux-Armband aus Kautschuk.