Thomas Wildberger, was ist für Sie persönlich das Nonplusultra?
Real Madrid. Abgesehen davon ist es das Ziel, in das jedes Briefing mündet. Es jedes Mal zu erreichen, ist natürlich Wunschdenken. Aber auch Real Madrid denkt sich beim ersten Gruppenspiel «man kann ja nicht immer die Champions League gewinnen» –, und dann gelingt es eben doch ziemlich oft.
«Das Nonplusultra» ist auch das Motto der Creative Days, die von Mittwoch bis Samstag im Schloss Sihlberg in Zürich stattfinden (persoenlich.com berichtete). Weshalb wurde dieses Motto gewählt?
Der ADC ist die höchste Instanz für kreative Kommunikation in der Schweiz. Er ist dafür da, das Schlechte vom Guten zu trennen und legt die Benchmark fest. Das ist nicht nur Selbstzweck und Leitgedanke für die Jurierung, sondern auch für die Creative Days, wo das Beste der Branche zusammenkommt und andere inspirieren soll, sich diesem Anspruch zu verschreiben. Nicht zuletzt steht dieses Motto über unserer Jahrespublikation, die wir als kreative Sonderausgabe dementsprechend realisiert haben.
Ist «Das Nonplusultra» nicht etwa gar austauschbar? Es könnte auf jeden anderen Event angewendet werden.
Stimmt, aber wir sind meines Wissens die ersten, die es aufgreifen. Es wäre das Normalste der Welt, wenn es auch andere passend machen, denn in jeder Branche muss es jemanden geben, der etwas besonders gut kann. Das Beste der Schweizer Werbe- und Kommunikationsbranche kommt vom 12. bis 15. Juni in Zürich zusammen. Schön, wenn sich die hochkarätigen Mitglieder, die Jahr für Jahr zeigen, wie’s geht, hier zum Feiern treffen.
«Die bewusste Kopie kommt selten vor»
Apropos austauschbar: Am Donnerstag wird das Programm eröffnet durch Joe La Pompe. Der französische Werbeblogger hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kopien in der Werbung zu entlarven. Kommt Ideenklau häufig vor, auch in der Schweiz?
Die bewusste Kopie kommt selten vor. Interessant ist aber doch eigentlich, dass bei Ideenklau in anderen Bereichen kein Geschrei gemacht wird. Wenn sich Zara oder H&M die Designs der Luxusbrands «ausleihen», sagt in der Mode keiner was. Genauso wenig, wenn in der Automobilindustrie Innovationen einer Marke von anderen selbstverständlich übernommen werden. In der Werbung hingegen sind Plagiate ein No-Go und bedingen die Höchststrafe. Und das ist gut so. Weil wir mit Ideen Probleme lösen, wie sie vorher noch nie von irgendjemandem gelöst wurden. Diese Kreativität ist ein Wert, den es zu schätzen gilt. Darin liegt unsere Daseinsberechtigung. Wir haben diese einzigartigen Einfälle und machen nicht einfach Copy-and-Paste. Nur mit neuen Ideen kannst du die Menschen begeistern, erfreuen und letztlich von einem Produkt überzeugen.
Es gab Stimmen zur jüngsten Kampagne von Wirz für die Migros, die an jene von Lidl Deutschland erinnern soll. Auch Joe la Pompe sieht das so, wie er gegenüber persoenlich.com sagte. Und Sie?
Ich kopiere hier mal ganz dreist die Aussage von Joe La Pompe.
Ganz generell: Ist es legitim, sich bei anderen inspirieren zu lassen und die Ideen dann besser umzusetzen?
Wenn die Grundidee schon mal da war, dann sollte man die Finger davon lassen. Es widerspricht meinem ganz persönlichen Berufsethos, etwas zu veröffentlichen, was es schon mal gab. Beabsichtigterweise sowieso, unbeabsichtigt ist man vor Dubletten nicht gefeit. Das ist halt ärgerlich, doch man muss es zähneknirschend akzeptieren.
«Es kommt vor, dass gute Ideen zweimal Menschen auf der Welt einfallen. Deshalb sind hervorragende Ideen so wertvoll», sagte Markenexpertin Pam Hügli damals zum neuen Sunrise-Logo, das jenem der US-Firma Season sehr ähnlich ist. Würden Sie dieser Aussage zustimmen?
Ich würde insofern zustimmen, als dass eine hervorragende Idee, die einem zum ersten Mal einfällt, besonders wertvoll ist. Dass Tausende Kreative über ähnlichen Briefings sitzen und zwangsläufig ab und zu auf identische oder ähnliche Ideen kommen, ist klar. Heute lässt sich recht gut überprüfen, ob es eine Idee schon gab. Was dieses Logo angeht: Ein Logo-Check gehört wie auch ein Claim-Check zum Einmaleins. Als Sunrise-Verantwortlicher wäre ich schlichtweg nicht stolz, ein Logo von einer anderen Firma zu benutzen. Und dann noch dafür viel Geld zu bezahlen.
Wurde eine Idee von Ihnen auch schon mal kopiert?
Die Mechanik der Berliner-Morgenpost-Kampagne wurde schon x-mal kopiert. Auch mein Claim «Ich verliebe dich» für die Flirtmaschine, eine der ersten Online-Partnervermittlungsbörsen, wurde später von anderen übernommen. Das Schlimmste war aber, dass mein absoluter Hotelgeheimtipp kopiert wurde, und ich dort eines Tages nicht mehr in Ruhe Ferien machen konnte.
Und dieser Tipp wäre?
Den gebe ich exklusiv an alle weiter, die mich an den Creative Days persönlich darauf ansprechen.
«Uns ist ein tolles Line-up gelungen»
Blicken wir auf das restliche Programm der Creative Days: Auf welche Speakerin oder welchen Speaker freuen Sie sich sonst noch?
Uns ist ein tolles Line-up gelungen, darum freue ich mich auf das gesamte Programm. Mein Geheimtipp ist Andreas Back, der darüber aufklärt, wem eigentlich die Marke gehört: der Werbeagentur oder den Strategieberatern. Denn Marken würden manchmal vergewaltigt von Werbeagenturen, indem eine Kampagne gar nicht auf die Strategie einzahlt. Das sollte mit gegenseitigem Verständnis nicht mehr passieren.
Enden werden die Creative Days mit der Verleihung der ADC Awards am Samstag. Wie hochwertig ist der aktuelle Jahrgang?
Soweit ich das überblicken kann, haben wir ein ganz gutes Jahr. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir einige Goldwürfel vergeben werden.
Wird am Ende also eine Arbeit gewinnen, die dem Motto «Das Nonplusultra» würdig ist?
Wir wollen das Beste vom Besten küren: den Film der Filme, den PR-Case, die Spatial Experience et cetera. Doch es ist nicht gesagt, dass es in jeder Kategorie den einen Überflieger gibt. Die Kreativen streben es an, und wenn es ihnen gelingt, ist es die Aufgabe vom ADC, das Ergebnis auszuzeichnen.
Nach den ADC Awards ist vor den Cannes Lions, die vom 17. bis 21. Juni stattfinden. Welchen Stellenwert hat die Werbe-WM mittlerweile für die Schweizer Kreativwirtschaft?
Es braucht diese Wettbewerbe, sonst wird man langsamer und weniger innovativ. Aber die Schwemme an Kreativawards macht die Arbeiten nicht unbedingt besser. Ich halte es schon immer wie Jean-Remy von Matt, der mir mal gesagt hat: «Es gibt streng genommen nur zwei Awards, die für uns relevant sind: Cannes und der ADC.»
Weitere Informationen zum Creative Festival 24 gibt unter creativedays.ch.