Auf der Höhe Tortissimo an der Oberen Halde in der Badener Altstadt pfeift ein Mann, der einen Fussball trägt, einer Frau hinterher. Als er ihr auch noch nachguckt und gleichzeitig aufs Handy starrt, fällt er hin und reisst anwesende Passantinnen und Passanten mit sich. So entsteht ein Menschenklüngel, der wie eine Lawine anwächst, je länger er rollt. Vorbei am Restaurant Rebstock in die Untere Halde und immer weiter quer durch Baden, bis dann der «Human Ball» via Zürcher Maag-Areal schliesslich in einem nicht näher identifizierbaren Stadion landet, auf dem Rasen zerschellt und der Fussball vom Anfang ins Tor rollt. Dann sagt eine Stimme: «Jetzt 100 Euro Wettbonus für alle. Das Leben ist ein Spiel.»
Seit 2019 in der Schweiz blockiert
Obwohl so viel Schweiz in dem Spot steckt, wirbt er für eine Dienstleistung, die in der Schweiz illegal ist. Die Sportwetten von Bet-at-home stehen seit Inkrafttreten des neues Geldspielgesetzes 2019 auf der Sperrliste. Das Unternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das seit 1999 Online-Games und Online-Sportwetten anbietet, setzt damit jährlich über 50 Millionen Euro um. Wer die Website bet-at-home.com von der Schweiz aus zu erreichen versucht, landet auf einer behördlichen Hinweisseite.
Bei der Videoproduktionsfirma Maybaum Film aus Baden, die den Werbespot für Bet-at-home kreiert hat (persoenlich.com berichtete), ist man sich dessen bewusst. «Sicherlich ist der Werbespot aus genannten Gründen nicht für den Schweizer Markt konzipiert, aber er wird eben doch auch hier gesehen», teilt Florian Venedey von Maybaum Film mit. Zum Beispiel im österreichischen Fernsehen ORF, wo der Spot in den Unterbrechungspausen während der letzten beiden Formel-1-Rennen lief.
Es gilt das Sendestaatsprinzip
Dass das Schweizer Publikum auf ausländischen TV-Kanälen Werbung für Dienstleistungen sehen kann, die hierzulande illegal sind, ist nicht verboten. «Unzulässig wäre es umgekehrt, wenn ein Schweizer TV-Sender Werbung für in der Schweiz nicht zugelassene Geldspielangebote machen würde», schreibt Patrik Eichenberger, Stellvertretender Direktor der interkantonalen Geldspielaufsicht Gespa. Rundfunkrechtlich gelte das sogenannte Sendestaatsprinzip, erklärt das Bundesamt für Kommunikation Bakom. «Das bedeutet, dass in erster Linie der Sitz des TV-Veranstalters bestimmt, welches Recht anwendbar ist», teilt ein Bakom-Sprecher mit. Was heisst: Wenn beispielsweise in Österreich Werbung für Sportwetten zulässig ist, dann darf der ORF entsprechende Spots ausstrahlen.
Die Sichtbarkeit des «Human Ball»-Spots auf heimischen Bildschirmen ist aber nicht nur ein unvermeidbarer und nutzloser Nebeneffekt. Obwohl der Zugang zu Bet-at-home und zahlreichen anderen ausländischen Sportwettenanbietern gesetzlich blockiert wird, gibt es einfache Mittel, das Angebot trotzdem zu erreichen – was nicht verboten ist und womit man sich auch nicht strafbar macht. Über sogenannte VPN-Dienste, welche die Herkunft der Internetverbindung aus einem Land vorgeben, wo das Angebot legal ist, kann auch aus der Schweiz um Geld gewettet werden. Was auch getan wird. Der Fachverband Sucht Schweiz weiss das aus der Beratung von Geldspielsucht-Betroffenen. «Es ist hinlänglich bekannt, dass der ‹Suchtdruck› der Betroffenen dazu führt, jedwede Möglichkeit auszuschöpfen, um an ihr ‹Produkt› zu gelangen», teilt Cédric Stortz, Projektleiter beim Fachverband Sucht mit. Genaue Zahlen dazu, wie etwa VPN-Dienste zur Umgehung der Netzsperren genutzt werden, kennt der Verband aber nicht.
Schweizer Kundschaft wird online umworben
Entsprechend der Nachfrage aus der Schweiz gibt es auch Webseiten, welche die hierzulande illegalen Sportwetten, einem heimischen Publikum anpreisen und mit Einstiegsboni locken. Sportwettenschweiz.net zum Beispiel preist Bet-at-home damit an, dass dieser Anbieter «den meisten aus der Werbung bekannt sein» sollte. Aus Werbung wie dem neuen «Human Ball»-Spot von Maybaum Film.
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14.09.2023 11:08 Uhr