20.03.2025

Aussenwerbung

Branche empört über Zürcher Werbeverbot

Der Gemeinderat hat am Mittwoch einen Vorstoss der AL mit knapper Mehrheit überwiesen, der ein Verbot von kommerzieller Werbung auf öffentlichem Grund fordert. Die Werbebranche zeigt sich schockiert und warnt vor weitreichenden Folgen für Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft.
Aussenwerbung: Branche empört über Zürcher Werbeverbot
Das Zürcher Stadtparlament will keine Werbung mehr sehen. (Bild: Keystone/Gaëtan Bally)

Mit hauchdünner Mehrheit von 58 zu 57 Stimmen hat der Zürcher Gemeinderat am Mittwoch die Motion der Alternativen Liste (AL) angenommen, welche die kommerzielle Werbung auf öffentlichem Grund künftig verbieten will. AL, Grüne und SP stimmten geschlossen für den Vorstoss, während die bürgerlichen Parteien diesen als «klassenkämpferisch und ideologisch» ablehnten. Der Stadtrat, der sich ebenfalls gegen das Verbot ausgesprochen hatte, muss nun innerhalb von zwei Jahren eine entsprechende Vorlage ausarbeiten (persoenlich.com berichtete).

So beurteilen die wichtigsten Akteure der Werbebranche den Entscheid:



«Das äusserst knappe Abstimmungsergebnis zeigt, dass man durchaus geteilter Meinung sein kann. Sogar ich kann ein Argument der Befürworter nachvollziehen, nämlich den Punkt mit der Verschandelung. Denn als ADC-Präsident ist es mir von Berufs wegen ein Anliegen, dass Werbung möglichst kreativ und exzellent umgesetzt sein soll – und so eine Bereicherung und Inspiration für unser Leben darstellt. Ansonsten bin ich voll auf der Seite der Bürgerlichen, insbesondere wenn es darum geht, dass wir niemanden bevormunden wollen. Die Menschen können immer noch selber entscheiden, ob sie an einem Plakat achtlos vorbeigehen wollen oder nicht. Zum Beispiel auch an einem möglichst kreativen und exzellent umgesetzten Wahlplakat der AL.»

Thomas Wildberger, Präsident ADC Switzerland und Partner Prophet





«Diese – in der Formulierung diffuse – Motion, welche äusserst knapp an den Stadtrat überwiesen wurde, bedeutet eine inakzeptable Einschränkung der Wirtschafts- und Meinungsfreiheit. Eine Umsetzung wäre äusserst kompliziert und würde weitreichende negative Folgen nach sich ziehen. Sie beträfe nicht nur die APG|SGA, sondern die gesamte Wirtschaft und Werbebranche, und sie schwächt auf lange Sicht Politik, Kultur und Gesellschaft. Mit kompromissloser Haltung, Moralisierung und Zensur beurteilen Werbegegner die Bürgerinnen und Bürger als urteilsunfähige Wesen. Und sie verlagert Werbung ins Internet, wo internationale Konzerne die Gewinne abschöpfen. Dabei wird oft vergessen, dass 60 Rappen von jedem investierten Franken in Aussenwerbung direkt an den öffentlichen Sektor, den öffentlichen Verkehr und die Bevölkerung zurückfliessen. Seitens APG|SGA werden wir uns jedenfalls mit allen Mitteln im bevorstehenden, langen politischen und demokratischen Prozess mit guten Argumenten und allen Mitteln für eine ausgewogene, wirtschaftsfreundliche Lösung einsetzen.»

Markus Ehrle, CEO der APG|SGA




«Ein Verbot von ‹kommerzieller› Kommunikation auf öffentlichem Grund würde auch kulturelle Veranstaltungen und streng genommen sogar Wahlwerbung betreffen. Wer eine kulturelle Veranstaltung organisiert und Eintrittspreise verlangt, handelt kommerziell, darf also in Zukunft in der Stadt Zürich nicht mehr im öffentlichen Raum werben. Und wer sich auf Plakaten für eine Wahl als Wasauchimmer empfiehlt, strebt zumindest eine geldwerte Leistung an, denn jedes öffentliche Amt wird im Endeffekt finanziell vergütet. Demnach ist auch Wahlwerbung ein kommerzieller Akt und muss folgerichtig verboten werden. Mal sehen, ob sich die Vertreter:innen des Zürcher Gemeinderats dessen bewusst sind und sich an die selbstauferlegten Einschränkungen halten werden.»

Benno Frick, Geschäftsführer Agenturnetzwerk ASW





«Als Geschäftsführerin des Verbands Aussenwerbung Schweiz bin ich besorgt über den Entscheid des Zürcher Gemeinderats. Die geforderte Einschränkung von Aussenwerbung auf öffentlichem Grund wäre ein gravierender Eingriff in unsere Branche und eine massive Beeinträchtigung der vielfältigen Nutzung öffentlicher Werbeflächen – die Kunst, Kultur, Wirtschaft und gesellschaftliche Akteure vereinen. Werbegegnerinnen und -gegner verkennen den kulturellen und gesellschaftlichen Wert der Plakatgestaltung in der Schweiz. In ihren Augen repräsentieren kommerzielle Werbeflächen wie Plakate oft nur ‹benzinfressende Luxusautos› und ‹Billigwaren› aus dem Onlinehandel. Die Realität sieht jedoch anders aus: Der Grossteil der Werbebotschaften hat Bezug zur Region und trägt aktiv zur Förderung von Wettbewerb und Innovation bei. Plakate differenzieren Dienstleistungen, machen Angebote bekannt und mobilisieren die Bevölkerung zu Abstimmungen. Beispiele von Sujets, welche künftig in Zürich verboten wären, finden sich auf plakat-ja.ch/zurich. Wir setzen uns deshalb im Verband im bevorstehenden politischen Prozess weiterhin für eine ausgewogene Lösung ein, die sowohl den wirtschaftlichen, politischen als auch den kulturellen Bedürfnissen der Stadt Zürich – aber auch den Mitarbeitenden unserer Mitgliedsfirmen sowie der Werbebranche – gerecht wird.»

Nadja Mühlemann, Geschäftsführerin Verband Aussenwerbung Schweiz (AWS)



«Als eine der grössten Vermarkterinnen von Aussenwerbung erkennen wir die Bedenken der Motion an, betonen jedoch, dass Out of Home mit nur 55 Gramm CO2-Emissionen pro 1000 Kontakte umweltfreundlich ist und der Stadt Zürich Einnahmen von rund 28 Millionen Franken bringt. 63 Prozent aller Aussenwerbekunden sind KMUs, während Non-Profit-Organisationen jährlich etwa 47 Millionen Franken an kostenlosem Plakatvolumen erhalten. Wir hätten es begrüsst, wenn der Gemeinderat der Empfehlung des Stadtrats gefolgt wäre und sich gegen die Einschränkungen ausgesprochen hätte. Als Goldbach Neo werden wir weiterhin den Fokus auf qualitativ hochwertigen Werbeflächen haben und uns aktiv an der Diskussion zur Zukunft der Aussenwerbung beteiligen.»

Tom Gibbings, CEO Goldbach Neo


 


«Leider ist es einmal mehr bedenklich, wie die rot-grüne Mehrheit einerseits gegen die wirtschaftliche Freiheit und andererseits auch gegen eine gesunde Finanzpolitik der Stadt votiert. Werbung ist einer der Antriebe für eine gesunde Wirtschaft, was letztendlich zum Wohlstand der Gesamtbevölkerung beiträgt. Auf der einen Seite werden die Ausgaben und Regulierungen laufend erhöht, zugleich will man lapidar auf Einkommensquellen verzichten, die laufend dazu beitragen, das Budget einigermassen auszugleichen. Argumente, wie Stromverbrauch bei digitalen Stellen etc., mögen zwar erstinstanzlich plausibel klingen, doch wurden hierzu auch tiefergehende Ökobilanz-Studien gemacht, die kein so schlechtes Bild zeichnen. Werbung ist gleich Information, was zu einem Wissensstand in der Bevölkerung beiträgt. Werbung ist ein elementarer Bestandteil unseres Systems und leistet einen Beitrag, der für alle von Interesse ist. Oder wollen wir wirklich, dass die ganzen Werbefranken immer mehr in den digitalen Raum abwandern und damit mehrheitlich im Oligarchensystem der USA enden? Ich meine nein.»

Matthias Kiess, Präsident IAA Swiss Chapter und CEO TBWA


 

«Der Entscheid des Zürcher Gemeinderates ist für die Werbewirtschaft und die ganze Gesellschaft folgenschwer. Die geforderte weitgehende Einschränkung der Aussenwerbung in der Stadt Zürich würde Gesellschaft, Kultur und Politik schwächen und die Wirtschaftsfreiheit verletzen. Insbesondere würde es die Entscheidungsfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten beeinträchtigen, denn Werbung dient der transparenten Information. Als Bürger und Einwohner dieser Stadt nehme ich zur Kenntnis, dass die linken Parteien ihre Ideologie auf dem Rücken der kreativen und wertschöpfenden Werbebranche austragen.»

Jürg Bachmann, Präsident KS/CS Kommunikation Schweiz


 

«Aussenwerbung ist essenziell für die lokale Wirtschaft. Rund 90 Prozent unserer Kunden sind KMUs – Garagen, Coiffeursalons und Fachgeschäfte –, die auf Sichtbarkeit angewiesen sind. Ein Verbot würde diese Möglichkeit stark einschränken und dazu führen, dass Werbebudgets vermehrt zu internationalen Digitalplattformen abwandern – mit spürbaren Folgen für die Schweizer Wirtschaft. Doch Aussenwerbung ist mehr als kommerzielle Werbung. Sie ist ein wichtiger Kanal für Kultur, gesellschaftliche Anliegen und politische Information. Kulturschaffende, Non-Profit-Organisationen und politische Parteien nutzen unsere Screens, um die Bevölkerung zu erreichen. Gerade in Zeiten sinkender TV- und Radioreichweiten bleibt Aussenwerbung eine der letzten verlässlichen Informationsquellen. Auch ökologisch ist DOOH führend: Studien zeigen, dass es das umweltfreundlichste Werbemedium ist. Zudem fliessen rund 60 Prozent unseres Bruttoumsatzes an die öffentliche Hand und kommen der Gesellschaft zugute. Ein Verbot wäre der falsche Weg – wir setzen auf einen fairen Werbedialog.»

Adriano Beti, CEO Livesystems





«Leading Swiss Agencies ist sehr enttäuscht über den Entscheid des Gemeinderates der Stadt Zürich, Aussenwerbung im öffentlichen Raum unverhältnismässig und massiv einzuschränken. Die Aussenwerbung ist ein essenzieller Bestandteil des städtischen Lebens in Zürich. Ein Verbot hätte weitreichende negative Folgen: Es würde der Stadt erhebliche Einnahmen entziehen, die Wirtschaft schwächen und insbesondere KMU in ihrer Kommunikation einschränken. Zudem würde es die Bewerbung kultureller Veranstaltungen beeinträchtigen, da Plakate ein wichtiger Informationskanal sind. Werbebudgets könnten in digitale Kanäle abwandern, wodurch die lokale Wertschöpfung verloren ginge. Plakatwerbung ist akzeptiert, unaufdringlich und belebt das Stadtbild. Ein De-facto-Verbot wäre weder notwendig noch zielführend. Wer Werbung macht oder in Auftrag gibt, baut auf die Entscheidungsfreiheit der mündigen Kunden. Wer Werbung verbieten will, baut auf die unmündigen Bürger, die nichts selber zu entscheiden haben.»

Andreas Hugi, Präsident Leading Swiss Agencies (LSA) und CEO Furrerhugi


 


«In der Werbehochburg ‹Züri brännt› es! Kaum zu glauben, gerade die Werbehochburg Zürich will die Aussenwerbung verbieten oder zumindest stark einschränken. Als ob mit dieser Massnahme der Konsum von mündigen Bürgern beeinflusst werden könnte! Dabei stört keine Werbung weniger als Aussenwerbung und trägt selbst zur Kultur und zum modernen Städtebild bei. Die grösste Mediennutzung findet jedoch längst woanders statt: online! So profitieren am Ende die internationalen Plattformen von solchen ‹heilen Weltanliegen› linker Kreise. Der SWA setzt sich als Verband seit 75 Jahren für einen liberalen Werbemarkt ein. Es wäre höchste Zeit, dass sich die Politik um die ‹echten› Probleme der Gesellschaft kümmert, statt die Werbung zum Sündenbock zu machen. Sonst kann am Ende nur noch das Stimmvolk ein korrigierendes Machtwort sprechen oder für seine (Werbe-) Rechte auf die Strasse gehen.»

Roland Ehrler, Direktor Schweizer Werbe-Auftraggeberverband SWA


 


«Die VBZ haben den Entscheid des Gemeinderats zur Kenntnis genommen. In einem nächsten Schritt wird der Stadtrat nun eine entsprechende Verordnung ausarbeiten. Welche Auswirkungen diese auf die VBZ haben wird, wird sich nach der Verabschiedung durch den Stadtrat zeigen. Die Werbe-Einnahmen sind jedoch eine wichtige Säule der Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in der Stadt und der Region Zürich.»

Judith Setz, Co-Leiterin Unternehmenskommunikation a.i. Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ)


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KOMMENTARE

Christian Hänggi
25.03.2025 16:30 Uhr
Eben, Max Weber, man sollte selber entscheiden können. Mündige Menschen im heutigen Zeitalter wissen genau, wo sie Infos kriegen. Es braucht nicht einige wenige Brands, die uns dieselbe Botschaft hundertfach an den Kopf werfen. Und am nächsten Tag nochmals. Und dann nochmals. Wochen- manchmal monatelang. Es ist mir ein Rätsel, weshalb die selbsternannten Liberalen diese Bevormundung entschuldigen. Es hat etwas Orwellianisches. Und ja, früher war es anders. Die Zeiten haben sich geändert. Diese Selbstbeweihräucherung für die tolle Plakatgrafik der Vergangenheit hat nichts mit den Herausforderungen der Gegenwart zu tun.
Max Weber
24.03.2025 20:37 Uhr
Ich bin nicht mehr aktiv tätig in der Branche. Aber diese Motion ist ein Schlag ins Gesicht des freien, intelligenten Bürgers, der doch wohl noch selber entscheiden kann was er liest und auf was er sich einlässt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine offene und liberale Wirtschaftsmetropole wie Zürich so etwas zulässt. Abgesehen davon hat die Plakatwerbung in unserem Land eine kulturelle, gestalterische Tradition, wie sonst nirgendwo in der Welt. Man sollte sie sogar fördern.
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