15.04.2024

Unicef

«Dies ist für unsere Werbung ein Novum»

Am Montag startet die Frühjahrskampagne «Das Leben ist kein Spiel» von Unicef Schweiz und Liechtenstein. Darin gibt Schauspieler Anatole Taubman jenen Kindern eine Bühne, die sonst keine haben. Marketingchef Marc Uricher über Krisen, Kosten und Kopfkino.
Unicef: «Dies ist für unsere Werbung ein Novum»
«Ziel all unseres Tuns ist das Spendensammeln», so Marc Uricher, Bereichsleiter Marketing & Communications, Mitglied der Geschäftsleitung Unicef Schweiz und Liechtenstein. Die Hauptrolle im Spot «Das Leben ist kein Spiel» spielt Anatole Taubman (kleines Bild). (Bilder: zVg)

Marc Uricher, welches Spiel haben Sie als Kind am liebsten gespielt?
Ganz klar, Räuber und Polizist. Das war immer der Moment bei Kindergeburtstagen, bei dem sich alle Regeln einer ordentlich geplanten Geburtstagsfeier in Luft aufgelöst haben und man als Kind unter sich sein konnte.

Am Montag startet Unicef die Frühlingskampagne «Das Leben ist kein Spiel» (persoenlich.com berichtete). Was gab den Ausschlag dafür?
Die politische Weltlage mit all ihren komplexen kriegerischen Konflikten und insbesondere die Programmreise mit Unicef-Botschafter Anatole Taubman im Januar dieses Jahres an die türkisch-syrische Grenze. Dort haben wir viel Zerstörung gesehen und uns immer wieder gefragt, wie wir generell das Leid von Kindern, die in Krisen und Konflikten keine Stimme haben, nach Hause zu uns transportieren können.

Im TV- und Kinospot ist Unicef-Botschafter und Schauspieler Anatole Taubman zu sehen, der versucht, sich in die Gefühlswelt von Kindern, die Kriegsgeschehen ausgesetzt sind, hineinzuversetzen. Wie kam diese Idee zustande?
Die Idee stammt von unserem Texter und Kopf unserer Inhouse-Werbeagentur Felix Freese. Nach der Programmreise hatten wir den Eindruck, wir müssen diese Erlebnisse neben klassischer PR noch weiterverarbeiten und Kindern mit ihren dringlichen Schicksalen eine Bühne schaffen und im besten Fall einen gesellschaftlichen Diskurs auslösen. Aus Kommunikationssicht natürlich am besten mit der Frühlingskampagne verwoben – diese hat den Themenfokus «Kinder in Konflikten schützen».

Irgendwie wirkt der Film verstörend: «In allen Kriegen sind es Kinder, die am meisten leiden», heisst es im Vorspann – dann sieht man den erwachsenen Taubman. Warum haben Sie nicht einen jüngeren Schauspieler verpflichtet?
Wir haben bewusst mit diesem Bruch und der visuellen Abwesenheit von Kindern gearbeitet. Dies ist für die Werbung von Unicef ein Novum. Unsere Botschafter bringen das ein, was sie am besten können. In diesem Fall war es Anatoles Schauspielkunst. Das Resultat ist ein Kopfkino, das durch eine starke Bild- und Soundwelt angeworfen wird. Anatole ist in der Schweiz sicherlich einer der wenigen Top-Charaktermimen, mit dem sich so eine Arbeit umsetzen lässt. Die Darstellung auf der Bühne hat ihm einiges abverlangt, nicht zuletzt, weil auch er eine bewegte Jugend hatte.

War es einfach, Anatole Taubman von der Idee zu überzeugen?
Anatole ist ein Herzblut-Botschafter und teilt, wie alle bei Unicef, die absolute «Nie-Aufgeben-Haltung». Er hat die Idee von der ersten Minute an unterstützt, persönlich mitverfeinert und alles in Bewegung gesetzt, um das Projekt zu realisieren.

Das Konzept ist – wie erwähnt – inhouse entstanden, für die Umsetzung des Films zogen Sie Freelancer bei. Braucht es keine Werbeagenturen mehr für kreative Ideen?
Ich denke, der Bedürfnismarkt für Agenturen hat sich stark verändert. Es gibt nicht das eine Erfolgsmodell. Wir arbeiten nun allerdings schon seit Jahren mit unserer Inhouse-Werbeagentur und ziehen sukzessive Spezialisten hinzu. Das garantiert uns kurze Wege, Verständnis für die Materie, hohe Flexibilität und gerade bei Emergency-Kommunikation ein unschlagbares Tempo beim Ausspielen von Werbesujets und Botschaften. Letztendlich sparen wir uns ohne einen teuren Agenturüberbau viel Budget, dass wir wiederum in Media investieren können.

Gedreht wurde im Volkshaus Zürich …
… und dies mit absolut reduzierten Mitteln. Fernab einer klassischen Werbefilmproduktion, aber mit einer ausgewählten kleinen Produktionsmannschaft, die ein vertrauensvolles Spiel ermöglicht hat.

Der Spot könnte gerade auch für Kinder verstörend sein. Ab welcher Uhrzeit planen Sie die Ausstrahlung am TV?
Ein sehr wichtiger Punkt. Hier haben wir mit allen Medienhäusern dezidiert darauf geachtet, dass die Ausstrahlung im altersgerechten Umfeld stattfindet. Im Nachmittagsprogramm wird er nicht auftauchen.

Auf welche Werbemittel werden Sie nebst dem Spot zurückgreifen?
Neben TV wird er vor allem im Kino und auf vielen Social-Media-Kanälen zu sehen sein. Gepaart mit Programmatic Advertising erhoffen wir uns den optimalen Mix, damit wir das Fundraising ankurbeln können.

«Unsere Budgets sind leider sehr eingeschränkt»

Wie lange soll die Kampagne «Das Leben ist kein Spiel» laufen?
Unsere Budgets sind leider sehr eingeschränkt. Der Spot läuft circa zwei Wochen mit einem stärken Push in der ersten Woche.

Sie erwähnen das knappe Budget. Wie finanzieren Sie das alles? Unicef will ja in erster Linie Geld sammeln und nicht Geld ausgeben.
Ziel all unseres Tuns ist das Spendensammeln. Daher gehen wir äussert bewusst bei der Budgetierung von Werbekampagnen vor. Solch ein Projekt wäre ohne grosszügige Freespace-Leistung der Medienhäuser und absoluten Freundschaftspreisen seitens Produktionspartnern nicht realisierbar. Wir stehen im öffentlichen Raum in Konkurrenz zu allen grossen Werbetreibenden. Daher spielt für uns als NPO obendrein die Pressearbeit eine wichtige Schlüsselrolle, um überhaupt im Gespräch zu sein.

Bleiben wir beim Spendensammeln: Was geschieht mit den Spendengeldern, die durch diese Kampagne generiert werden?
Aktuell gibt es besonders viele Konfliktherde auf der Erde, bei der Kinder oftmals die Letzten in der Vorsorgekette sind. Bei dieser Kampagne fliessen die Gelder gezielt in den Nahen Osten, Jemen, Sudan und die Ukraine. Sie kommen all den Kindern zugute, denen in kriegerischen Konflikten die Kindheit genommen wird, mit dem Ziel ihnen etwas Perspektive auf eine bessere Zukunft zu bieten.


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