Olaf Geuer, als Leiter Brand und Marketing von Swisscom sind Sie dafür verantwortlich, wie das Unternehmen vom Publikum wahrgenommen wird. Wie würden Sie die Markenpositionierung in drei Stichworten beschreiben?
Wofür die Marke seit jeher steht, ist Qualität, Zuverlässigkeit und Innovation. Das ist der absolute Markenkern, aus dem wir auch einen Grossteil der Kraft schöpfen.
Sie haben im Mai einen überarbeiteten Auftritt vorgestellt. Inwiefern soll sich die Positionierung ändern?
Wir haben diese Weiterentwicklung in einem Moment gestartet, in dem die Marke so erfolgreich war wie noch nie, wenn man die Reputationsmessung und Markenstärke betrachtet. Es war ein guter Moment, um zu schauen, wie wir die Marke jetzt für die nächsten drei bis fünf Jahre stark aufstellen können. Wir haben uns gefragt: Gibt es irgendwo Bereiche, wo wir uns noch entwickeln können, auch perspektivisch? Da haben wir spannende Felder identifiziert. Es geht zum Beispiel um Zuversicht und Dynamik.
Was heisst das für die Marke?
Es gibt aktuell grosse Krisen, die die Menschen zunehmend verunsichern. In solchen Zeiten schauen die Menschen nach Führungspersönlichkeiten oder auch Institutionen, die die Richtung vorgeben, die Perspektiven bieten. Das ist etwas, was die Swisscom in ihrem Feld als Digitalisiererin der Schweiz und Innovationsfirma seit jeher gemacht hat. Diese Rolle wollen wir weiter schärfen und stärken. Und auch das Thema Nahbarkeit als Unternehmen, das Richtung vorgibt, eine positive Zukunft entwickelt, mit und für die Menschen.
Ein neuer Claim ersetzt den bisherigen «Gemeinsam bereit», der am Anfang von der Coronakrise eingeführt worden war. Der Claim hat die Pandemie also um einiges länger überstanden. Und wenn die Marke auf dem Höhepunkt war, warum ändert man überhaupt etwas?
Eine Marke ist nie etwas Isoliertes. Das ist nicht nur ein Logo, eine Farbe oder ein Touchpoint. In den letzten fünf Jahren haben wir eine positive Entwicklung der Reputation und Markenwahrnehmung realisieren können. Die Stabilität des Netzes zum Beispiel ist ein wichtiger Faktor dafür. Unsere Produkt- und Servicequalität auch. Dieser Höhepunkt kann sich auch wieder ändern, wenn irgendwas gesellschaftlich, politisch oder technologisch passiert. Markenarbeit ist also aus meiner Überzeugung nie etwas, wo man sich ausruhen kann.
Am kommenden Markenkongress werden Sie über «Kreative Exzellenz» sprechen. Was meinen Sie damit genau?
Kreative Exzellenz ist für mich ein Leidenschaftsthema. Ich meine damit kreatives taktisches und strategisches Denken genauso wie kreative Prozesse und Ergebnisse selbst. Wir holen auch immer gerne externe Partner mit ins Boot, die uns den Spiegel vorhalten.
«Wir sind keine Firma, die einen Auftrag schreibt, rausgibt und das Ergebnis einfach annimmt und implementiert»
Haben Sie auch für die Repositionierung mit externen Consultants gearbeitet?
In der Strategiephase haben wir uns einen Strategiepartner geholt, mit dem wir das vertieft angeschaut haben. Und für das Brand Experience Design und die Kommunikation haben wir uns ebenfalls Spezialisten geholt.
Wie lief die Zusammenarbeit im Hinblick auf kreative Exzellenz?
Wir sind keine Firma, die einen Auftrag schreibt, rausgibt und das Ergebnis einfach annimmt und implementiert. Wir haben gesagt, entweder wir schaffen eine tolle Co-Kreation – mit internen und externen Experten als einem Team – oder es wird nicht funktionieren. Da muss auch die Chemie stimmen, deswegen haben wir unter anderem einen Pitch mit verschiedenen Agenturen durchgeführt. Man muss im Raum spüren, ob die Leute miteinander arbeiten und kreativ sein können.
Ihr Vortrag am Markenkongress trägt den Titel «Marke – Quo vadis?». Bewegen sich die Marken weg von dieser kreativen Exzellenz?
Die Frage ist, wie schafft man kreative Exzellenz? Die meisten Firmen müssen sparen und verstärkt auf ihre Kosten schauen. Aber Kreativität braucht auch einen gewissen Raum. Manchmal muss man für kreative Herausforderungen sagen, wir nehmen uns jetzt ein paar Tage Zeit. Zeit ist aber immer auch Geld in kommerziellen Unternehmen. Und diese Balance muss man irgendwie finden.
Haben Sie dafür bei Swisscom genügend Spielraum?
Wir sind einfach auf einem konstant hohen Niveau und die Erwartungshaltung von Management, Stakeholdern und Kunden ist, dass wir das Niveau halten und weiterentwickeln. Das heisst aber, wir müssen schauen, an welchen Stellen wir diesen Raum brauchen, und dann kämpfen wir auch dafür. Und meistens bekommen wir ihn auch – wenn natürlich auch nicht immer so viel, wie wir gerne hätten. Gerade bei diesem aktuellen Projekt haben uns die externen Partner gesagt, sie hätten so ein Vorhaben noch nie in einer so engen Zeit realisiert. Wir haben es aber dennoch hinbekommen.
«Als Macher sieht man natürlich immer den Fehler und weiss: Oh, das hätten wir noch etwas cooler oder noch besser machen können»
Und wieso hat man sich da nicht mehr Zeit genommen?
Ab einem gewissen Punkt, wo wir dann auch wussten, wir haben noch Potenzial und das wollen wir auch im Markt umsetzen, ist natürlich die Frage, wie viel investieren wir noch in Bestehendes? Und ab wann können wir die neuen Elemente lancieren? Wir wissen aus unserer Reputationsmessung, gerade als Swisscom, als Qualitätsmarke, können wir nicht nur mit Produktkommunikation und Promos präsent sein. Es braucht auch immer wieder starke Markenkommunikation.
Haben Sie das Gefühl, Sie hätten mit mehr Zeit etwas Besseres schaffen können?
Als Macher sieht man natürlich immer den Fehler und weiss: Oh, das hätten wir noch etwas cooler oder noch besser machen können. Da habe ich auch ein paar Dinge, die verrate ich jetzt aber nicht. Wichtig sind die Strategie, die Plattform, der Claim, das Corporate Design – also die die Dinge, die langfristig stehen müssen. Da muss alles absolut top und stabil sein. Und das haben wir geschafft.
Swisscom setzt für ein neues Produkt auf einen alten Namen: Beem. Was jetzt eine Cybersicherheitslösung ist, war vor sechs Jahren eine interaktive Werbetechnologie. Waren Sie da uninspiriert?
Naming-Prozesse sind sehr spannende und zum Teil aufwendige Prozesse, weil da viele Perspektiven einfliessen. Ein wichtiger Faktor sind die rechtlichen Einschränkungen. Der Name Beem hat geringe Risiken für Einsprachen, passt zum Portfolio und war nicht so stark besetzt, dass er verbrannt war. Allein die Kombination dieser drei Faktoren brachte den Namen recht weit oben auf die Liste.
Stellt KI im Bereich Kreativität alles auf den Kopf?
Wir sind immer wieder erstaunt, was damit alles machbar ist. Sei es in Effizienz, Prozessgestaltung oder Kreativität. Da sehe ich eine Chance, um Raum zu schaffen für noch mehr kreative Exzellenz, wenn man zum Beispiel monotone, repetitive Prozesse an eine Technologie auslagern kann. Wir haben jetzt für den Refresh auch sehr viel mit KI-Technologien gearbeitet.
Für die Plakate?
Die Plakate und der Spot sind «echt» und zwar ganz bewusst, weil die Kampagne sehr stark auf das Thema Nahbarkeit zielt – und eben auch den Einsatz von KI-Technologien im Alltag. Was wir generiert haben, sind zum Beispiel Bilder für generische Dinge wie Medienmitteilungen, Intranet, Präsentationen. Es ist aber noch nicht so, dass man mit KI einfach bei allem immer viel schneller ist, wenn man wirklich gute Resultate erzielen möchte. Die Designer in meinem Team haben im Moment eigentlich weniger Zeit, da sie Kreativität, Technologie und Output parallel managen müssen.
«Auch die Kreativen müssen am Puls der Zeit sein und diese Tools kennen. Das ist im Moment ein Mehraufwand.»
Warum?
Wir haben ein Tool gebaut, das unsere Bilder on-brand generiert. In der Zwischenzeit ist die neueste Version von Midjourney aber fast wieder besser als unser aktueller Prototyp. Die Entwicklung ist so unglaublich schnell. Auch die Kreativen müssen am Puls der Zeit sein und diese Tools kennen. Das ist im Moment ein Mehraufwand. Quick und dirty würde schon superschnell gehen, das wäre aber eben nicht Exzellenz.
Auch ein kreativer Wurf ist das Modelabel «079», das Swisscom lanciert hat, um einen Zugang zu einer jungen urbanen Zielgruppe zu schaffen. Woher stammt die Idee?
Es war ein kreatives Experiment, um herauszufinden, wie wir als Unternehmen noch andere Zielgruppen glaubhaft ansprechen können. Wir haben intern Swisscom-Kleidung als Merchandise produziert und da gibt es einen Hoodie mit 079. Der ist der absolute Topseller. Und dann gab es die Idee, in Richtung Fashion mal etwas tiefer zu gehen, in die Community. Auch aus Schweizer Traditionen heraus, wie zum Beispiel der Textilindustrie, die eine lange Geschichte hat. Das haben wir eng verwoben mit jungen Schweizer Talenten aus Fashion, Kunst und Musik.
Trägt die Initiative die erwarteten Früchte?
Ja. Mittlerweile ist das Label sehr gut vertreten in verschiedenen Shops und kommt sehr gut in der Community an. Das Projekt läuft noch dieses Jahr und dann werden wir es entweder abschliessen oder in etwas Neues überführen.
Mit einem Produkt, das so weit von dem Kerngeschäft des Unternehmens entfernt ist, stellt die Kundschaft da noch den Zusammenhang zu Swisscom her?
Wir wissen, dass die drei Ziffern 079 nach wie vor auch bei jüngeren Menschen eng mit Swisscom verbunden sind, auch wenn sich mittlerweile Nummern anfangen zu mischen.
«Wir wissen, die Reputation hat eine direkte Korrelation zum Geschäftserfolg»
Swisscom ist auch im Bereich Sponsoring sehr präsent, sei es im Bereich Musik, Kultur oder Sport. Sie sind zum Beispiel Partner der Fussball-Nati. Welcher Anteil der Markenpositionierung wird damit geschaffen?
Ich kann es nicht mit einer spezifischen Zahl quantifizieren. Aber für uns sind das sehr wichtige Engagements und sie wurden in Bezug auf die Wirkung und auf das, wofür wir stehen, ausgewählt. Fussball zum Beispiel, die Schweizer Nationalmannschaften, Männer wie Frauen entfachen Begeisterung für das Land. Sie stehen für eine moderne, dynamische und offene Schweiz. Und Musik ist Emotion pur; wir sehen uns auch als Emotionsmarke, die Menschen verbindet.
Viel Sponsoring, eine Kampagne mit einem neuen Claim, ein Modelabel. Legen Sie mehr Wert auf Brandmarketing als auf Performance Marketing?
Man muss eine gute Balance und vor allem kohärente Wirkung über alle Ebenen schaffen. Wie teilen wir den Kuchen zwischen Image Marketing, Awareness, Produktperformance und Promotion auf? Wir wissen, die Reputation hat eine direkte Korrelation zum Geschäftserfolg. Deswegen schauen wir das übergreifend an.
Trotz all diesen Massnahmen ist Swisscom in vielen Markenrankings weit hinter Migros und Coop. Wie erklären Sie das?
Es kommt natürlich darauf an, was jeweils gemessen wird. Migros und Coop haben eine ganz andere Rolle im Leben der Menschen. Sie sind im Alltag viel präsenter. Telekommunikation als Branche hat grundsätzlich einen schweren Stand in Bezug auf die Reputation. In diesem Bereich und auch in der Markenstärke sind wir schweizweit mit Abstand führend.
Welchen Ratschlag geben Sie den Markenchefinnen und -chefs, um kreative Exzellenz zu erreichen?
Ich möchte keine Ratschläge geben. Jeder muss für sich verstehen und entscheiden, was seine Marke und sein Unternehmen brauchen. In meinen Augen sollte man aber immer am Ball bleiben und offen sein für Veränderungen, auch im Moment der Stärke. Marken haben oft eine gesellschaftliche Komponente, sie unterliegen auch Dynamiken ausserhalb des Unternehmens. Und man muss eine gewisse Offenheit haben, Dinge zu hinterfragen und neu zu denken.
Der Markenkongress findet am Montag im Hotel Dolder Grand in Zürich statt. persönlich ist Medienpartner.