19.03.2025

Aussenwerbung

Zürcher Stadtparlament will keine Werbung mehr sehen

Der Gemeinderat hat am Mittwoch einen Vorstoss der AL mit knapper Mehrheit überwiesen, der ein Verbot von Werbung auf öffentlichem Grund fordert. Der Dachverband KS/CS will sich für eine massvolle und wirtschaftsfreundliche Umsetzung einsetzen.

Für ein Verbot von kommerzieller Werbung stimmten AL, Grüne und SP. Sie brachten es auf 58 Stimmen. Dagegen waren die Bürgerlichen, die den «klassenkämpferischen und ideologischen» Vorstoss aufs Schärfste kritisierten. Sie brachten jedoch nur 57 Stimmen zusammen.

Mit nur einer Stimme Vorsprung überwies die linke Mehrheit die Motion an den Stadtrat. Dieser muss nun gegen seinen Willen eine Vorlage ausarbeiten, die dann wieder in den Rat kommt.

«Verschandelung des öffentlichen Raums»

Die AL begründete das geforderte Werbeverbot mit den «zahlreichen schädlichen Auswirkungen», die Werbung mit sich bringe. Werbung sei manipulativ, fördere den Überkonsum und sei somit mitverantwortlich für die Umweltzerstörung, sagte Michael Schmid.

Als besonders störend empfindet die linke Ratsseite die animierten, digitalen Werbeanzeigen. «Nur schon wegen ihrer Verschandelung des Stadtbildes ist es angebracht, sie zu verbieten», sagte Schmid. Dazu komme noch der Stromverbrauch.

Auch die SP kritisierte die «Kommerzialisierung des öffentlichen Raums». Mit dem Werbeverbot solle die Konsumgesellschaft endlich transformiert werden, sagte Anna Graff.

Dass der Stadtrat von sich aus bereits ein Moratorium für weitere digitale Werbeflächen bis 2030 beschloss, genügte der linken Ratsseite nicht. Sie wollen gar keine Werbung mehr sehen.

7000 Stellen in der Werbebranche

Für die Bürgerlichen ist ein Werbeverbot ein «Angriff auf die freie Gesellschaft». Das sei stossend, ideologisch und wirtschaftsfeindlich, sagte etwa GLP-Gemeinderat Nicolas Cavalli. Werbung sei doch auch Kulturgut. GLP-Ratspräsident Guy Krayenbühl konnte sich ein «Willkommen in Pjöngjang» nicht verkneifen.

Für FDP-Gemeinderat Patrik Brunner, der selber im Vorstand des Zürcher Werbeclubs sitzt, ist das Anliegen «eine weitere Schaufel Dreck auf unser Grab». In der Schweiz gebe es rund 7000 Stellen in der Werbebranche, die seien jetzt in Gefahr.

Bedroht seien durch diese Motion nicht nur die «fancy Werber» in den Agenturen, sondern auch die Jobs von Plakateuren und Druckern. «Die Werbegelder werden alle abwandern, zu ausländischen Tech-Firmen.» Aber das sei den Linken ja offensichtlich egal.

«Reklame hat Tradition»

Auch der Stadtrat will kein Werbeverbot - nur schon wegen der 19 Millionen Franken, welche die Stadt mit den Flächen jährlich einnimmt. «Reklameflächen haben eine lange Tradition», sagte Hochbauvorsteher André Odermatt (SP). Inmitten des Gewusels einer Stadt hätten Werbungen durchaus Platz.

Zudem gebe es bereits heute strenge Regeln für die Verträglichkeit. «Es gibt fast keine Reklamationen», sagte Odermatt. Die digitalen Anzeigen würden natürlich Strom verbrauchen, räumte er ein. Allerdings sei ein Verbot «nur ein bescheidener Beitrag» zur Reduktion des gesamten Stromverbrauchs.

Vorbild Vernier

Er zeigte sich überzeugt, dass die Zürcherinnen und Zürcher «genügend kompetent» sind, um der Werbung nicht hoffnungslos ausgeliefert zu sein.

Vorbild für das geplante Zürcher Werbeverbot ist die Genfer Gemeinde Vernier, wo kommerzielle Werbung schon heute verboten ist. Das Bundesgericht stützte das Verbot. Es sei ein zulässiger Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, befand das oberste Gericht.

Interessenvertreter wollen eine gerechte Umsetzung

Der Dachverband der kommerziellen Kommunikation KS/CS zeigt sich beunruhigt. «Die geforderte weitgehende Einschränkung der Aussenwerbung in der Stadt Zürich würde Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik schwächen. Insbesondere würde es die Entscheidungsfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten beeinträchtigen, denn Werbung ist Information», wird Präsident Jürg Bachmann, in einer Mitteilung zitiert.

Der Stadtrat ist nun verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren einen Entwurf auszuarbeiten. KS/CS werde den weiteren Verlauf des Geschäfts genau beobachten und sich für eine Umsetzung einsetzen, die der Wirtschaftsfreiheit und den Konsumentinnen und Konsumenten möglichst gerecht wird, heisst es weiter. (sda/spo)


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Christian Hänggi
20.03.2025 11:32 Uhr
@Pierre Rothschild: Es freut mich, dass es Ihnen so geht. Mir hat die Reizüberflutung in Bangkok sehr zugesetzt. Und ich merkte auch, wie meine Studierenden an der Ramkhamhaeng Uni viel mehr Konzentrationsschwierigkeiten hatten als meine Studierenden in der Schweiz. Die pausenlose Beschallung mit bewegten Werbebotschaften und der grosse Strassenlärm waren mit hoher Sicherheit zwei wichtige Gründe dafür.
Pierre Rothschild
20.03.2025 09:38 Uhr
Ich fahre im Taxi in der Nacht durch Bangkok, wo ich die meiste Zeit lebe. Auf den Fassaden der Hochhäuser sind riesige LED-Panels, die Werbefilme von Chanel zeigen. Ueberall sind die Werbebotschaften der "big players" zu sehen. Und der Auto-Invasion aus China. Essen kann man oft bis 4 Uhr am Morgen, in der feucht-heissen Nacht sehe ich fröhliche Menschen. Es ist gut, hier zu sein.
Christian Hänggi
20.03.2025 08:43 Uhr
Die "Entscheidungsfreiheit der Konsumentinnen und Konsumenten" wird gemäss KS/CS beeinträchtigt. Solche Aussagen zeigen einmal mehr, dass die Werbelobby und die Werbeindustrie es nicht geschafft hat, ihre eigene Rolle in einer sich verändernden Welt zu reflektieren und Antworten darauf zu suchen. Das sind Argumente aus dem letzten Jahrtausend und widerspiegeln ein Bild der Welt aus der damaligen Zeit.
Andi Neukomm
20.03.2025 07:37 Uhr
Zürich will eine Weltstadt sein - und wird immer bünzliger.
Kommentarfunktion wurde geschlossen