07.04.2025

Aussenwerbung

Zürich tappt bei Screens im Dunkeln

Die Stadt gibt offen zu, dass ihr die Ressourcen fehlen, um Werbebildschirme in Schaufenstern zu kontrollieren – obwohl für solche Screens gesetzlich eine Baubewilligung vorgeschrieben ist. Wie viele unbewilligte Screens das Stadtbild prägen, weiss niemand.
Aussenwerbung: Zürich tappt bei Screens im Dunkeln
Digitale Werbeflächen in Zürich: Gemäss Stadt müssten solche Anlagen auch auf privatem Grund bewilligt werden. (Bild: Keystone/Walter Bieri)

Man könnte meinen, Zürich wird bunter. Entlang den Strassen flimmern immer mehr Werbebildschirme in Schaufenstern – laut AL-Gemeinderat Michael Schmid viele ohne die gesetzlich vorgeschriebene Baubewilligung. Diese Situation hat er in der Talksendung «TalkTäglich» von TeleZüri am 25. März öffentlich thematisiert. Schmid liess aufhorchen, als er im Streitgespräch zum Thema «Werbeverbot in Zürich» sagte: «Die meisten Werbescreens sind nicht bewilligt.»

Diese Aussage stützt Schmid auf Gespräche mit Mitarbeitenden des Amts für Baubewilligungen, die anonym bleiben möchten, wie er auf Anfrage erklärt. Gemeinsam mit SP-Gemeinderätin Anna Graff hat er deshalb Anfang März eine Interpellation im Stadtparlament eingereicht, um Klarheit zu schaffen.

«Keine stadtweite Statistik»

Die Stadt Zürich bestätigt gegenüber persoenlich.com: «Reklameanlagen in Schaufenstern sind in jedem Fall bewilligungspflichtig. Dies gilt für Eigen- wie auch für Fremdwerbung.» Die Stadt verfüge jedoch über «keine stadtweite Statistik zu Werbeanlagen auf Privatgrund» und führe «keine systematischen Kontrollen durch». Anatole Fleck, Projektleiter Kommunikation im Amt für Städtebau, begründet dies mit Kapazitätsproblemen: «Für diesen Vollzug fehlen die entsprechenden Ressourcen.»

Die städtische Bewilligungsbehörde wird lediglich aktiv, wenn sie Hinweise von Dritten erhält. In diesen Fällen werden die Betreiber aufgefordert, nachträglich ein Gesuch einzureichen. Mit einer Bewilligung sollen «die Modalitäten für einen verträglichen und sicheren Betrieb festgelegt werden», so Fleck zu persoenlich.com. Dies sei gerade auch bei beleuchteten Anlagen oder Bildschirmen wichtig. 

Nach über hundertjähriger Werbegeschichte in Zürich verfügt die Stadt also über keine vollständige statistische Erfassung privater Flächen. Wie viele bewilligungspflichtige, aber nicht bewilligte Screens es tatsächlich gibt, ist daher unbekannt. Somit lässt sich auch die Behauptung von AL-Gemeinderat Schmid, dass «die meisten Werbescreens» nicht bewilligt seien, nicht erhärten.

Laut jüngsten Erhebungen des Amts für Städtebau existierten Ende 2023 auf öffentlichem Grund der Stadt Zürich insgesamt 3377 bewilligte Werbeflächen – darunter 651 für kulturelle Zwecke und 377 digitale Aussenwerbeanlagen. Aber: «Geschätzt zwei Drittel aller Plakatwerbeanlagen auf Stadtgebiet befinden sich auf privatem Grund», so Fleck.

Antworten gefordert

In ihrer Interpellation thematisieren Schmid und Graff speziell die Werbebildschirme in Schaufenstern: «Reklamebildschirme ziehen aufgrund ihrer Beleuchtung sowie rasch wechselnder Bilder die Aufmerksamkeit besonders aggressiv auf sich. Sie erfordern im Vergleich zu statischen oder unbeleuchteten Reklamen eine deutlich höhere kognitive Leistung von Passant:innen und Verkehrsteilnehmenden, um die Aufmerksamkeit von ihnen wegzulenken, und beeinträchtigen damit in vielen Fällen die Aufenthaltsqualität oder die Verkehrssicherheit.»

Mit der Interpellation fordern die Gemeinderäte vom Stadtrat Auskunft über mehrere Aspekte: etwa, wie viele Bewilligungen in den letzten 15 Jahren beantragt und erteilt wurden, wie viele unbewilligt betriebene Bildschirme nach Interventionen der Stadtverwaltung ausser Betrieb genommen wurden, wie viele Bussen wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erteilt wurden sowie welche rechtlichen und organisatorischen Hürden der Durchsetzung der Bewilligungspflicht im Wege stehen.

Die Antwort des Stadtrats steht noch aus. Ob diese tatsächlich Licht ins Dunkel bringen kann, bleibt angesichts der fehlenden Statistiken abzuwarten.


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