Ladina Heimgartner, es gehe ein Traum in Erfüllung, sagten Sie an der Medienkonferenz vom Mittwoch. Träumten Sie schon immer davon, einmal 1000 Mitarbeitende führen zu können?
(Lacht.) Nein, die Grösse der Firma war nie Inhalt meiner Träume. Aber seit ich hier in meiner Rolle als CEO der Blick-Gruppe bin, schiele ich rüber und denke: Es wäre schon toll, wenn man das zusammennehmen könnte. So kann man andere Dinge erwägen, kann alles ganzheitlicher denken. Zum einen betrifft dies die Content-Distribution: Man hat nun mehr Inhalte, mit denen man unterschiedlicher umgehen kann. Andererseits kann man zum Beispiel Partnerschaften oder Events mit deutlich mehr PS auf die Strasse bringen. Es ist eine andere Schlagkraft, die nun plötzlich vorhanden ist.
Das klingt nun sehr allgemein. Ganz konkret: Welche Vorteile bringt es mit sich, wenn Axel Springer nicht mehr an Ringier Axel Springer Schweiz beteiligt ist (persoenlich.com berichtete)?
Dadurch, dass das Unternehmen aus einer Hand geführt wird, ist die Freiheit natürlich grösser. Wir haben nun die Möglichkeit, Inhalte beispielsweise vom Beobachter, von der Schweizer Illustrierten, der Handelszeitung oder Bilanz vermehrt über die Plattform des Blicks zu distribuieren, ohne dass man jedes Mal aushandeln muss, wie die Erlöse aufgeteilt werden.
Das war bislang so?
Natürlich. Zwei unterschiedliche Firmen kooperieren, da braucht es eine Einigung betreffend Erlöse. Nun können wir das viel einfacher, gradliniger und konsequenter machen und durch alles durchdeklinieren. Medien sind schon lange nicht mehr einfach nur Informationen, eine Website oder eine App, sondern sind immer mehr zu einem Ökosystem geworden. Ich bin mir bewusst, dass «Ökosystem» zu einem Buzzword geworden ist, aber es beschreibt es einfach sehr gut. Sehr viele Elemente greifen ineinander – und die können nun zum Schwingen gebracht werden. Viel besser als zuvor.
Print und Digital werden zusammen eine Netto-Reichweite (Total Audience) von 4,6 Millionen Personen erreichen. Sie können heute versprechen, dass alle bisherigen Printtitel zu dieser Reichweite beitragen werden?
Ja, das kann ich versprechen, dass jetzt im Moment überhaupt keine Pläne vorhanden sind, dass wir uns von irgendeiner Publikation verabschieden werden. Was ich nicht versprechen kann, ist, dass dies in 20 Jahren noch der Fall sein wird. Eine Portfolio-Überprüfung macht man alle paar Jahre und das bedeutet immer auch, dass vielleicht dann ein Titel nicht mehr sein wird, ein anderer nur noch digital weiterleben wird und weitere Titel neu dazukommen. Mit Caminada und Interview by Ringier haben wir in den letzten Jahren zwei Print-only-Titel lanciert. Auch das Neulancieren von Printtiteln halte ich für möglich, weil es dieses Nischenpublikum geben wird.
«Die Überzeugung von Ringier ist sehr stark, dass Print eine Zukunft hat»
Und freuen dürfen sich künftig vor allem die Leserinnen und Leser von Blick+, dem Bezahlangebot der Ringier-Zeitung?
Nicht nur. Blick-Digital-Leserinnen und -Leser können sich sicher freuen. Sie werden mehr Inhalte haben, sowohl bei Blick+ als auch im freien Bereich – das ist jetzt schon so. Logisch achten wir darauf, dass wir Bezahlangebote von Beobachter oder Handelszeitung auf Blick nicht im grossen Stil gratis anbieten. Wir werden auch immer besser lernen, was idealerweise Plus-Inhalte sind und was besser frei zugänglich sein sollte. Hier befinden wir uns in einer steilen Lernkurve. Ich gehe davon aus, dass auch Print-Leserinnen und -Leser profitieren werden. Die Überzeugung von Ringier ist sehr stark, dass Print eine Zukunft hat. Entsprechend wird auch investiert und geschaut, dass diese Marken stark bleiben. Freuen können sich aber auch die Teams, dass sie nun enger zusammenarbeiten können und dass ein ganz grosser Respekt vor dem publizistischen Schaffen vorhanden ist. Wir möchten nicht einen einzigen riesengrossen Newsroom bauen, der alles speist, sondern wollen die Marken und die Identifikation mit den Marken durch die Menschen hochhalten und dem Rechnung tragen.
Apropos Publizistik: Es hiess, bei den Redaktionen soll nicht gespart werden, hingegen gebe es Synergien auf Verlagsebene. Wer muss bibbern?
Ich hoffe, dass niemand bibbern muss. Wenn man einen solchen Merger macht, schaut man sicher, wo es Überschneidungen gibt. Der Fokus liegt aber sicher nicht auf den Redaktionen. Das ist unser Kerngeschäft und dort schlägt unser Herz. Wir sind bereits sehr schlank aufgestellt, in allen Redaktionen. Im Verlagsbereich werden wir aber genau hinschauen, was wir alles noch brauchen und wie wir damit umgehen werden. Das ist selbstverständlich und Alltag in jeder Geschäftsleitung – ob nun mit Merger oder ohne.
Viele Verlage haben noch kein Rezept, wie man mit Journalismus Geld verdienen kann. Ringier scheint die Antwort gefunden zu haben.
Es ist aber eine grosse Herausforderung und kein Selbstläufer. Würde ich dies sagen, wäre es gelogen. Hohe Reichweiten sind sicher einmal eine gute Ausgangslage. Auf der anderen Seite halten sich die Printpublikationen erstaunlich gut am Markt, mit sehr interessanten Margen. Das digitale Abogeschäft ist in jeder Hinsicht ein Marathon. Aber auch mit Blick haben wir diesen lanciert, im Wissen darum, dass es viele Jahre dauern wird, um das vorhin erwähnte Ökosystem gut zu bespielen. In der digitalen Transformation neigen viele Medienhäuser dazu, zu unterschätzen, dass das digitale Mediengeschäft tausendmal mehr kleine Hebel hat als das Printmediengeschäft. Und bei diesen Hebelchen drückt man mal hier und dann passiert dies. Dann gibt es noch die globalen Player wie Google und Facebook, die ihrerseits an ihren Hebelchen drücken … Man muss wahnsinnig wach sein und auf den Zehenspitzen stehen, um zu verstehen, was nun passiert, das dann idealerweise antizipieren und darauf achten, dass man bei den Besten bleibt. Das ist anstrengend und zäh – wenn man sich aber Mühe gibt, wird es funktionieren.
«Ich werde wieder vermehrt auf die Schweiz fokussiert sein»
Sie wurden immer wieder mal gehandelt als künftige SRG-Generaldirektorin. Rücken diese Berufsaussichten mit dem jetzigen Aufstieg bei Ringier in weite Ferne?
Die SRG hat einen Generaldirektor, der fest im Sattel sitzt – ich wüsste jedenfalls von nichts anderem. Ich bin nun CEO von Ringier Medien Schweiz und bin happy mit dem, was ich hier mache.
Was wird sich mit diesem neuen Job für Sie privat verändern?
Ich werde weniger reisen. Ich betreute bislang auch das Geschäft in Osteuropa. Das war mit sehr viel Reisen verbunden. Ich werde wieder vermehrt auf die Schweiz fokussiert sein. Auf das freue ich mich.
Was kann die Schweiz von Osteuropa lernen?
(Überlegt.) Das ist eine gute Frage. Ich denke, wir können lernen, mutig zu sein und mutige Schritte zu machen. Bei uns in der Schweiz wird schnell etwas als Misserfolg bezeichnet. Wir sind etwas verbissen. Vor allem die Medienbranche täte gut daran, etwas entspannter zu werden und wohlwollender aufeinander zu schauen, statt sich einen erbitterten Konkurrenzkampf zu liefern.