Herr Graf, im November haben Linksextreme einen Farbanschlag mit dem Hamas-Symbol auf das NZZ-Gebäude verübt. Macht Ihnen das Angst?
Angst empfinde ich nicht, aber der Vorfall gibt zu denken. Solche Angriffe sind ein alarmierendes Zeichen, wie stark Meinungsfreiheit und unabhängiger Journalismus unter Druck stehen. Sie zeigen uns aber auch, wie wichtig unsere Arbeit ist – gerade weil sie bewegt. In Zeiten, in denen Extremismus zunimmt, dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen. Es braucht Haltung, Mut und den festen Willen, weiterhin einen Beitrag zu einer offenen und informierten Gesellschaft zu leisten.
Die Weltsituation hat sich durch die beiden Kriege, aber auch die Wiederwahl von Donald Trump massiv verschärft. Die NZZ hat sich immer wieder engagiert und auch pointiert zu diesen Konflikten geäussert. Verspüren Sie deswegen einen Druck auf Ihr Haus?
Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen erfordern mehr denn je eine klare Analyse und Einordnung. Unsere Leserinnen und Leser suchen Orientierung in einer zunehmend komplexen Welt, und diese Verantwortung nehmen wir sehr ernst. Gerade in Zeiten von Konflikten und Polarisierung wird unsere publizistische Unabhängigkeit und Qualität zum Massstab. Natürlich rufen pointierte Meinungen und klare Haltungen Reaktionen hervor, doch das gehört zu unserer Arbeit dazu. Unsere Aufgabe ist es, nicht nur zu berichten, sondern auch den demokratischen Diskurs zu fördern – unabhängig davon, wie unbequem das manchen Akteuren erscheinen mag.
«Die DNA der NZZ lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Journalismus»
Wie würden Sie die DNA der NZZ definieren?
Die DNA der NZZ lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Journalismus. Mit unserer Markenkampagne haben wir diese Botschaft auf den Punkt gebracht. Sie steht für das, was die NZZ von jeher ausmacht: Qualitätsjournalismus, der nicht nur für die Schweiz, sondern auch für Europa und die Welt richtungsweisend ist.
Jedes Medium dürfte sich als Qualitätsmedium bezeichnen, aber bei der NZZ ist es doch etwas anderes. Was verstehen Sie darunter?
Qualitätsjournalismus ist für uns kein Schlagwort, sondern eine nachweisbare Stärke: Laut unabhängigen Rankings gehören wir zu den Top-10-Medien weltweit, was die Qualität der Berichterstattung betrifft. Unser Journalismus basiert nicht auf Aktivismus, sondern auf fundierter und differenzierter Analyse – wir beleuchten Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Dabei leitet uns ein klarer liberaler Kompass.
Aber gibt es ein besonderes NZZ-Gefühl?
Ja, das gibt es – ein tiefes Gefühl von Verantwortung und Tradition. Es ist vergleichbar mit einem Familienunternehmen, in dem man Teil einer langen Geschichte ist. Als CEO der NZZ sehe ich mich als Hüter einer grossen Tradition, ähnlich wie in der Patek-Philippe-Werbung: Man trägt die Fackel für eine bestimmte Zeit und übergibt sie in bestmöglichem, zukunftsfähigem Zustand an die nächste Generation. Dieses Verständnis schafft ein tiefes Verantwortungsgefühl und Respekt für das Haus und seine Bedeutung.
Was sind die grössten Herausforderungen, die Sie momentan zu bewältigen haben?
Das Mediengeschäft ist heute härter denn je – das ist keine Floskel, sondern Realität. Unsere grössten Herausforderungen sind, die Einnahmen zu steigern, Kosten effizient zu managen und zugleich die Chancen und Risiken der KI zu nutzen, die unsere Branche in den kommenden Jahren grundlegend verändern wird. Unsere Antwort darauf ist klar: konsequenter Fokus auf Journalismus und auf Qualität. Wir wollen das Medium sein, dem die Menschen vertrauen und das Orientierung bietet – ein Bedürfnis, das auch in Zukunft bestehen bleibt. Unsere Ausgangslage dafür ist vielversprechend. Wir sind ein agiles KMU mit einer aussergewöhnlich starken Marke und Strahlkraft.
Wird KI das Werbegeschäft zum Guten oder zum Schlechten beeinflussen?
Im Werbemarkt wird KI massive Umwälzungen bringen, die alle Werbemärkte betreffen – ausser Plakate. Diese Stabilität macht Aussenwerbung langfristig zu einer spannenden Alternative für Werbetreibende. Angesichts der rückläufigen Trends bei Print und TV ist die Investition in die APG ein strategisch wichtiger Schritt. Wir erweitern dadurch unsere Position in den Werbemärkten um den weiterhin wachsenden Bereich Aussenwerbung und erschliessen uns damit einen weiteren Ertragsstrom.
Nun streben viele rot-grüne Städte wie Bern, Zürich oder Lausanne ein Plakatverbot an. Gefährdet dies nicht Ihr ganzes Businessmodell? In Zürich beispielsweise wurde die Verbreitung von Digitalscreens für weitere Jahre sistiert.
Wir haben das geprüft und sind der Meinung, dass die APG gut aufgestellt ist, selbst wenn solche Vorstösse kommen sollten.
«Ein Plakatverbot würde zweifellos Herausforderungen schaffen»
Trotzdem: Die Möglichkeit eines Plakatverbots in rot-grünen Städten ist doch reell …
Ein Plakatverbot würde zweifellos Herausforderungen schaffen, aber im Ausland sehen wir, dass solche Verbote oft nicht lange Bestand haben. Einige Städte sind nach wenigen Jahren zurückgerudert, weil die Einnahmen in der Staatskasse plötzlich fehlten. Geld ist ein Argument, dem Politikerinnen und Politiker meist Gehör schenken. In Zürich allein bringt die Plakatwerbung jährlich rund 28 Millionen Franken ein.
Gehen wir wieder zurück zur NZZ. Von aussen hat man den Eindruck, dass die NZZ in Deutschland fast schon zum offiziellen Oppositionsmedium geworden ist.
Die NZZ hat in Deutschland eine lange Tradition und geniesst dort ein hohes Ansehen. Über Jahrzehnte hinweg pflegte sie enge Verbindungen, etwa zum Kanzleramt unter Adenauer, Schmidt oder Kohl. Es wird erzählt, dass deren Fahrer zum Teil stundenlang unterwegs waren, um eine aktuelle Ausgabe der NZZ an einem Kiosk zu ergattern. Diese Wertschätzung ist geblieben, doch vor einigen Jahren haben wir festgestellt, dass unsere Markenbekanntheit in Deutschland auf eine sehr elitäre Zielgruppe beschränkt war. Mit unserem redaktionellen Ausbau wollten wir das ändern und breitere Kreise erreichen, ohne dabei unsere Position als Qualitätsmedium zu kompromittieren. Dass wir heute oft als kritische Stimme wahrgenommen werden, zeigt, dass wir uns Gehör verschaffen – nicht als «Opposition», sondern als Medium, das Entwicklungen und Meinungen hinterfragt und Debatten anstösst.
Das ausführliche Interview mit Felix Graf ist in der persönlich-Printausgabe vom Dezember erschienen.
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13.01.2025 12:31 Uhr
13.01.2025 11:41 Uhr