Am 28. November stand auf Seite 8 der gedruckten Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung eine Anzeige, die leicht als solche überlesen werden konnte; eine Bleiwüste, wie man sie von der NZZ kennt. Die Autorenzeile «Roger Köppel» hätte auf einen Gastbeitrag hinweisen können. Dass es sich nicht um einen redaktionell verantworteten Beitrag der NZZ, sondern um bezahlte Werbung handelte, erkannte das geschulte Auge erst am Weltwoche-Layout – und an einem dezent kleinen «Anzeige»-Hinweis ganz oben rechts auf der Seite. Der Schriftzug des Köppel-Blatts fehlte. Die Publikation stiess auf Kritik: Wie konnte sich die NZZ dazu hergeben, Köppels russlandfreundlicher Sicht auf den Krieg gegen die Ukraine auf diese Weise Raum zu geben?
Zwei Wochen später folgte die Revanche. In der gedruckten Weltwoche vom 12. Dezember stand auf Seite 24 ein NZZ-Leitartikel von Katharina Fontana, der einem liberalen Aufbruch in der Machart von Musk und Milei das Wort redet. Dieses Artikel-Inserat gab dann deutlich weniger zu reden. Was zum einen daran liegen mag, dass das gewählte Thema die Weltwoche-Leser weniger irritierte als zuvor vice versa. Zum anderen war diesmal der Absender auf den ersten Blick erkennbar. Zwar stand auch nur klein «Anzeige» auf der Seite, aber umso grösser NZZ.
«Normalerweise inserieren wir nicht in der Weltwoche»
Doch was sollte das Ganze? Handelte es sich um einen von langer Hand eingefädelten und gut orchestrierten Pas de deux von zwei sich nahestehenden Publikationen? Bei der NZZ verneint man. «Unser Inserat in der Weltwoche war nicht von langer Hand geplant, sondern eine spontane Reaktion auf das Inserat von Roger Köppel», teilt NZZ-Mediensprecherin Karin Heim mit. Und: «Normalerweise inserieren wir nicht in der Weltwoche.» Es war auch kein Gegengeschäft bei dem kein Geld floss. Beide Parteien hätten die entsprechenden Tarife bezahlt.
Was die mangelhafte Kennzeichnung des Weltwoche-Editorials als bezahltes Inserat angeht, zeigt man sich bei der NZZ im Nachhinein selbstkritisch. Anfänglich verteidigte man das eigene Vorgehen noch als untadelig (persoenlich.com berichtete). «Wir haben daraus gelernt und werden nur noch Vorlagen mit korrekter Absenderschaft akzeptieren», erklärt NZZ-Sprecherin Heim. «Mit unserem Inserat in der Weltwoche wollten wir, neben der Werbung für unseren Qualitätsjournalismus, mit einem Augenzwinkern zeigen, wie klare Kennzeichnung von Werbung gelingt.»
Die NZZ akzeptierte diese Bedingung des Werbekunden
Das ist bestimmt gut gemeint. Doch die Sache hat einen Haken. Eigentlich weiss die NZZ schon längst, wie es auch anders geht – gerade im Umgang mit Weltwoche-Editorials, welche NZZ in den vergangenen Jahren schon mehrfach als Inserate veröffentlicht hat. Bei früherer Gelegenheit erschienen diese Anzeigen mit grossem blauen Weltwoche-Kopf und einem Abo-Talon. Doch diesmal wollte es Köppel anders. Er wolle dieses für ihn so wichtige Thema «nicht zum Instrument einer Abowerbung machen», begründete er den Verzicht auf eine deutlichere Kennzeichnung. Und die NZZ akzeptierte diese Bedingung des Werbekunden. Wer zahlt, befiehlt.
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19.12.2024 10:57 Uhr