25.10.2023

Abschaltung UKW

Die Radioverbände VSP und Unikom nehmen Stellung

Der Entscheid des Bundesrats, die UKW-Verbreitung der Radioprogramme bis Ende 2026 zu verlängern, stösst bei den Betroffenen auf sehr unterschiedliche Reaktionen. persoenlich.com hat den Spitzen der Radioverbände VSP und Unikom sechs Fragen gestellt.
Abschaltung UKW: Die Radioverbände VSP und Unikom nehmen Stellung
Jürg Bachmann, Präsident Verband Schweizer Privatradios (links), Thomas Gilgen, Vorstandsmitglied Radioverband Unikom. (Bilder: zVg)

Man konnte damit rechnen, dass so entschieden würde. Mitte Juli beantragte Albert Rösti, als Uvek-Vorsteher für das Radiodossier verantwortlich, UKW per Ende 2026 abzuschalten (persoenlich.com berichtete). Nun hat der Bundesrat am Mittwoch im Sinne von Rösti entschieden. Damit bleibt die analoge Verbreitungstechnologie zwei Jahre länger in Betrieb, als die Branche einmal vorgesehen hatte.

Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für die UKW-Abschaltung entwickelte sich in den letzten Jahren zur Glaubensfrage. Man war für oder gegen UKW. Für die betroffenen Sender geht es um eine zentrale Frage für ihre Zukunftsplanung.

Während die im Verband Schweizer Privatradios VSP organisierten Sender keine einheitliche Meinung vertraten, drängen die im Verband Unikom organisierten Digitalradios auf eine UKW-Abschaltung nach dem ursprünglichen Fahrplan. Gab es in diesem Punkt noch eine Überschneidung der Positionen, gehen die Einschätzungen der beiden Verbände zu anderen Aspekten der UKW-Abschaltung diametral auseinander. Wir haben die Verbandsspitzen von VSP und Unikom gebeten, den Entscheid des Bundesrats einzuordnen und zu kommentieren.

Jürg Bachmann, Präsident VSP, und Thomas Gilgen, Vorstandsmitglied Unikom, nehmen Stellung.

Ist der Abschalttermin per Ende 2026 ein Kompromiss, mit dem Ihr Verband und die darin organisierten Radiounternehmen leben können?
Jürg Bachman: Im VSP waren die Meinungen am Schluss geteilt. Es gab Radios, die haben ihre Businesspläne auf eine UKW-Abschaltung Ende 2024 ausgerichtet, wie es vereinbart war. Sie sind enttäuscht darüber, wie es jetzt lief. Andere Radios haben die ausgelöste Diskussion um das Abschaltdatum zum Anlass genommen, ihre eigenen Pläne zu überdenken. Sie haben die Verlängerung von UKW bis Ende 2026 von Anfang an begrüsst. Persönlich bin ich der Meinung, der Bundesrat habe heute klug entschieden. Er hat einen Kompromiss gefunden und die Situation entspannt. Er gibt allen Radios die Möglichkeit, ihre Pläne zu überdenken und zu justieren.

Thomas Gilgen: Wenn das Parlament zweimal übersteuert und eine Verordnungsänderung ohne Vernehmlassung durchgeführt wird, ist das knallharte Klientelpolitik durch die Hintertür. Ein Kompromiss wäre eine Ausschreibung der UKW-Frequenzen oder ein finanzieller Ausgleich für die DAB-Radios gewesen.

«Wir rechnen damit, dass sich dieses Spiel in zwei Jahren wiederholen wird» (Thomas Gilgen)

Rechnen Sie damit, dass dies das letzte Wort ist in Sachen UKW-Abschaltung?
Bachmann: Der Bundesrat schreibt, es handle sich um eine «letztmalige Verlängerung der UKW-Konzessionen». Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Wir haben aber auch gelernt, dass das Thema UKW und dessen Abschaltung nicht nur faktenbasiert, sondern auch emotional diskutiert wird. Wir werden sehen, wie sich die Verbreitungstechnologien und das Radionutzungsverhalten in den nächsten zwei Jahren entwickeln.

Gilgen: Wir rechnen damit, dass sich dieses Spiel in zwei Jahren wiederholen wird. Das wurde uns auch schon mündlich angekündigt.


Ist es richtig, dass die Verlängerung der UKW-Konzessionen ohne erneute Ausschreibung erfolgt?
Bachmann: Ja, das ist richtig. Wir begrüssen es. Es gibt Stabilität und Investitionssicherheit.

Gilgen: Nein, das ist wie eine Amtszeitverlängerung eines Politikers ohne Wahlen. In den Niederlanden wurden in diesem Sommer die UKW-Frequenzen für insgesamt 153 Millionen Euro versteigert.

«Wir hätten Ende 2024 UKW ohne grossen Schaden ausser Betrieb nehmen können» (Jürg Bachmann)

Was bedeutet die nun verlängerte Übergangsphase von weiteren zwei Jahren bis zur Abschaltung von UKW für Betrieb und Buchhaltung der Sender Ihrer Verbände?
Bachmann: Die Nutzungszahlen der letzten zehn Jahre zeigen, dass wir mit der Digitalisierung der Radioverbreitung auf Kurs sind. Ich denke, wir hätten Ende 2024 UKW ohne grossen Schaden ausser Betrieb nehmen können. Nun gibt es Radios, die sehen das anders. Das respektiere ich. Jedes dieser Radios wird jetzt ausrechnen, was ihm der zusätzliche, über UKW gewonnene Hörer kostet und prüfen, ob diese Zahl in einer vernünftigen Relation zu den Kosten der beiden anderen Technologien steht. Klar ist, dass es für kein Radio, ob öffentlich-rechtlich oder privat, sinnvoll und tragbar ist, auf die Dauer drei Verbreitungstechnologien zu bedienen.

Gilgen: Die Sender, die schon heute ihr Programm ohne UKW und digital verbreiten, müssen jetzt sofort ihren Businessplan überarbeiten. Das heisst, sie müssen investieren oder aufgeben. Die Radiowerbung verliert durch ihre UKW-Fixierung immer mehr den Anschluss an die Moderne.


Welche wirtschaftlichen Zukunftsaussichten haben die Radios Ihrer Verbände in einer Radiowelt ohne UKW?
Bachmann: Das Werbeumfeld allgemein, und das gilt ebenso für Radio, ist derzeit schwierig, sehr schwierig sogar. Viel Werbegeld fliesst ab zu internationalen Plattformen, die keinen publizistischen oder demokratierelevanten Mehrwert leisten. Dieses Geld fehlt überall in der Medienbranche und kommt nicht einfach wieder zurück. Aus diesem Grund habe ich Verständnis für jedes Privatradio, das gerade in der Zeit zurückgehender Werbeeinnahmen keinen einzigen Hörer bzw. keine einzige Hörerin verlieren will. Auch nicht jemand, der halt noch UKW hört.

Gilgen: Die Abschaltung wird den Werbemarkt in der Schweiz wachrütteln und die Werbung im linearen Radioprogramm automatisieren. 130 Millionen Schweizer Franken reine UKW-Werbung verteilen sich neu auf digitale Kanäle. Es wird einen faireren Wettbewerb geben dank gleicher technischer Bedingungen. Das führt zu mehr programmlicher und kommerzieller Reichweite und dadurch zu mehr Potenzial für die Refinanzierung.

«Wir haben die Emotionen unterschätzt, die das Thema UKW-Abschaltung auslöst» (Jürg Bachmann)

Welche Lehren für künftige Regulierungsprozesse ziehen Sie aus dem Hüst und Hott um die UKW-Abschaltung?
Bachmann: Es ist noch zu früh, um Bilanz über die Digitalisierung der Radioverbreitung zu ziehen. Jedenfalls ist kaum ein anderes Land diesbezüglich weiter als die Schweiz. So falsch kann die Strategie also nicht gewesen sein. Positiv habe ich die Zusammenarbeit mit der SRG erlebt. Wir haben gemeinsam Ziele definiert und die Schritte umgesetzt, die wir uns vorgenommen haben. Ich denke, was wir dabei gelernt haben, wird uns dienen, wenn wir künftig weitere Public Private Partnership-Lösungen angehen und umsetzen. Aber wir haben auch Fehler gemacht. Wir haben die Emotionen unterschätzt, die das Thema UKW-Abschaltung auslöst. Als danach gerufen wurde, haben wir es verpasst, eine sorgfältige Überprüfung der Migrationsstrategie von UKW zu Digitalradio vorzunehmen. Und wir haben die Dynamik unterschätzt, die die Smartphones ausgelöst haben, insbesondere die Auswirkungen auf das Nutzungsverhalten der Hörerschaft. So haben wir den Eindruck von Hüst und Hott vermittelt. Ich habe jedenfalls gelernt, dass man entweder getroffene Abmachungen strikt durchsetzt, was aber den Konsens aller voraussetzt, die den Entscheid getroffen haben. Oder, wenn man auf einen Beschluss zurückkommt, Mahner und Kritiker früher und enger einbindet.

Gilgen: Lobbying in Bern und Biel ist zunehmend wichtiger als ein demokratischer Interessenausgleich. Das Vertrauen gegenüber dem Bakom ging verloren und für das Departement Uvek sind Verkehrs- und Umweltpolitik offenbar wichtiger als Medienpolitik – obwohl eigentlich sehr grosse Herausforderungen anstehen. Wir würden bei künftigen Regulierungsprozessen nur noch mitmachen, wenn wir vom Uvek verbindlichere Garantieren erhalten, als dies jetzt der Fall war.


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KOMMENTARE

Silvana Oprandi
26.10.2023 12:02 Uhr
Bei dem ganzen UKW-Abschaltzwang, hat man die Rechnung schlicht ohne die Zuhörer, welche zugleich SERAFE-Gebührenzahler sind, gemacht. Wenn jemand das Recht hat, das eine oder andere System zu hinterfragen, sind das die Gebührenzahler, welche diese finanzieren. Wenn die Werbeeinnahmen in einer freien Marktwirtschaft an die Privatradios auf UKW gehen (die SRG schaltet keine Werbung auf ihren Radios!) entspricht dies ganz klar dem Willen des Auftraggebers, dieser könnte ja auch entscheiden, nur auf DAB+ Werbung zu schalten, tut er aber aus gutem Grunde nicht. Wie jüngst Jürg Bachmann in einem Interview zu bedenken gab: Nicht die Kosten UKW sind besorgniserregend, sondern die von DAB, welche für viele kleine Radios, welche nur dank Subventionen von DAB enstanden, existenzberohend sind. Anders ausgedruckt: Diese Radios haben keinen Markt und somit auch nicht die finanziellen Mittel um den Betrieb zu garantieren. Das die Zuhörerzahlen des linearen Radios trotz dem immensen Aufwand mit DAB einen negativen Trend aufweist (siehe Mediapuls Daten), zeigt, dass das Publikum dies gar nicht will. https://www.newslinet.com/radio-digitale-svizzera-jurg-bachmann-abituiamoci-ad-ascolti-radiofonici-piu-bassi-e-ad-un-differente-modello-di-business/ https://www.newslinet.com/radio-digitale-svizzera-jurg-bachmann-abituiamoci-ad-ascolti-radiofonici-piu-bassi-e-ad-un-differente-modello-di-business/
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