27.03.2024

YouMedia

«Ich will jungen Menschen eine Stimme geben»

Der Journalist und ehemalige «Tagesschau»-Moderator Franz Fischlin will die Medienkompetenz von Jugendlichen fördern. Dazu lanciert er zusammen mit einem Projektteam die neue Initiative YouMedia. Der Initiant und Co-Founder über Vorbilder, Vertrauen und seine Vision.
YouMedia: «Ich will jungen Menschen eine Stimme geben»
«Wir greifen mit YouMedia ein gesellschaftliches Kernthema auf», so Franz Fischlin, Initiant und Co-Founder von YouMedia, hier im «SommerTalk» von CH Media. (Bilder: CH Media, zVg)

Franz Fischlin, machen Sie sich um die Medienkompetenz von Jugendlichen Sorgen?
Nein. Ich erfahre und erlebe die Jugendlichen im Austausch als sehr kompetent. Aber wenn man mit ihnen spricht, dann merkt man, dass es ihnen geht wie uns allen – allen Generationen. Die Menge an Medien ist so gross wie kaum je zuvor, und damit geht eine gewisse Überforderung einher.

Und deshalb lancieren Sie nun YouMedia. Kurz zusammengefasst: Was ist das?
YouMedia ist eine neue Initiative, die verschiedene konstruktive Ansätze vereinigt, um die Medienkompetenz der jungen Generation und ihr Interesse an allen Medien zu stärken – ob Social Media oder traditionelle Medien.

Und weshalb nennen Sie es YouMedia?
YouMedia steht für «Youth» und gleichzeitig für «Du». Und der Claim bringt es auf den Punkt: «Du und Medien. Medien und Du.» Jugendliche sollen die Medien verstehen, Medien kritisch hinterfragen und Freude daran haben, selber Medien zu machen. Wie tun wir das? Mit Social-Media-Aktivitäten regen wir Debatten an. Mit physischen Angeboten fördern wir die Lust, Medien zu erleben. Und mit dem Jugendmedienpreis, dem YouMedia-Award, schaffen wir Vorbilder. All dies machen wir über eine Plattform zugänglich.

«Die Medienwelt verändert sich in atemberaubendem Tempo»

Weshalb besteht jetzt genau Handlungsbedarf?
Die Medienwelt verändert sich in atemberaubendem Tempo. Einer der Treiber ist sicherlich die künstliche Intelligenz. So etwa werden die Social-Media-Kanäle regelrecht geflutet mit täuschend echt aussehenden, aber künstlich hergestellten Videos und Fotos. Und auch Fake News stellen ein immer grösseres Problem dar. Viele Menschen fragen sich, wem und was kann man überhaupt noch vertrauen. Hinzu kommt, dass der traditionelle Journalismus massiv unter Druck ist.

Bald ist es zwei Jahre her seit Ihrer Dernière als Moderator der «Tagesschau». Haben Sie die ganze Zeit an diesem Projekt gebrütet?
Ja, ich habe mich gerne, praktisch täglich, mit diesem Herzensprojekt befasst oder daran gearbeitet. Es war und ist eine sehr erfüllende, sinnstiftende und auch kreative Arbeit.

Und nun kommt YouMedia also auf die Welt. Was für ein Gefühl ist das?
Freude pur. Wenn man so eine Idee im Kopf hat und dann unzählige Konzepte schreibt, Hunderte Telefonate führt, ebenso viele Sitzungen hat, einen Businessplan erstellt, Dutzende Male das Projekt präsentiert, um es finanzieren zu können, man zwischendurch ans Aufgeben denkt und dann wieder Licht am Tunnel sieht, dann ist es eine grosse Genugtuung, dass YouMedia nun wirklich lanciert werden kann. Aber, das möchte ich betonen, ohne das hochmotivierte und inspirierende Team, das in den letzten Wochen und Monaten grösser geworden ist, hätte ich das nicht geschafft. Und eine grosse Stütze war auch Co-Founder Norbert Bernhard.

Norbert Bernhard ist Inhaber des Private-Magazins. Was verbindet Sie?
Wir haben uns im Rahmen des Medienpreises für Qualitätsjournalismus kennengelernt, wo ich seit rund zwei Jahren als Jurypräsident amtiere (persoenlich.com berichtete). Uns verbindet das Interesse an Qualität in den Medien, die wiederum etwas zur Stärkung der Demokratie beiträgt. Denn je informierter die Menschen sind, desto mehr sind sie auch bereit, sich als Bürgerin und Bürger zu engagieren, abstimmen und wählen zu gehen. Das gilt gerade auch für junge Menschen.

«Es war ein glücklicher Zufall»

Bleiben wir bei den Menschen hinter YouMedia. Als Projektleiterin konnten Sie die frühere Tagi-Co-Chefredaktorin Priska Amstutz verpflichten. Wie kam es dazu?
Es war ein glücklicher Zufall und das richtige Timing für beide Seiten. Priska Amstutz, die im Herbst bei Tamedia aufhörte, sah ein Stelleninserat von uns und hat sich gemeldet. Sie war vom Thema und der Vision begeistert. Und da sie freie Kapazitäten hatte, konnten wir sie für YouMedia engagieren. Sie bringt viel publizistische Glaubwürdigkeit, Innovationskraft und Projekterfahrung mit.

YouMedia will auf TikTok und Instagram aktiv werden. Werden Sie mit 61 Jahren nun also auch noch zum Influencer?
Nein. Ich sehe mich als Ermöglicher, will jungen Menschen eine Stimme geben. Wir wollen das Thema Medienkompetenz auf Augenhöhe mit der jungen Generation angehen – Peer-to-Peer. YouMedia setzt deshalb auf Jugendliche, die als Hosts die Lebenswirklichkeit der Generation kennen und sich mit ihrer Community austauschen. Die Hosts thematisieren ihre eigenen Fragen zu Medien und ihre Erfahrungen im Umgang mit Smartphone und Co. So jemanden konnten wir übrigens schon verpflichten: Jennifer Kitzka. Sie studiert Kommunikationswissenschaften und Medienforschung an der Universität Zürich und arbeitet daneben als Projektleiterin bei der Agentur Tings. Sie packt topmotiviert mit an.

Die Social-Media-Expertin Jennifer Kitzka soll nicht das einzige Aushängeschild sein. Sie starten am Mittwoch auf Social Media einen Aufruf für Hosts. Wonach suchen Sie?
Nach jungen Menschen, die sich mit der Idee von YouMedia identifizieren können, denen das Thema wichtig ist. Die selber mehr wissen wollen darüber, was da abgeht in ihrer Medienwelt. Wie Algorithmen funktionieren, wie Influencer, wie Journalistinnen und Journalisten arbeiten, wie man selber Fakenews erkennen kann, welche Trends gerade vorherrschen. Sie sollen das Projekt prägen und auch damit wachsen.

Im Zentrum soll ab diesem Sommer die Jugendmedienplattform YouMedia.ch stehen. Was wird es dort zu sehen geben?
Die Plattform schafft Übersicht. Sie richtet sich an Jugendliche, aber auch an Lehrpersonen, Eltern und andere, die am Thema interessiert sind. Man kann sich dort informieren über die verschiedenen Angebote. Es gibt auch Dossiers zu einzelnen Themen. Und es werden Medieninhalte, die von Jugendlichen produziert werden, zugänglich gemacht. So etwa Beiträge der Jugendmedienwoche YouNews, wo Jugendliche einen Blick hinter die Kulissen von Redaktionen erhalten und Gelerntes gleich umsetzen.

Die Jugendmedienwoche YouNews gründeten Sie 2017 zusammen mit Viviane Manz von SRF und Michael Marti vom Tages-Anzeiger. «Schlucken» Sie mit YouMedia nun YouNews?
Nein, gerade weil ich Jugendmedienwoche mitgegründet habe, will ich YouNews stärken. Meine neue Initiative YouMedia hilft bei der Koordination und Organisation der Jugendmedienwoche und begleitet sie auf Social Media. Wir wollen YouNews auch ausbauen und aufwerten – indem beispielsweise die Jungreporterinnen und Jungreporter ihre Beiträge beim Jugendmedienpreis einreichen können.

«Wir möchten den Jugendlichen mit dem Preis Wertschätzung entgegenbringen»

Der Jugendmedienpreis scheint Ihnen wichtig zu sein. Weshalb braucht es einen YouMedia-Award?
Weil ich finde, dass die junge Generation genügend oft bloss zurechtgewiesen wird, wenn es um ihren Medienkonsum geht. «Leg endlich das Handy weg», ist wohl das, was Jugendliche am meisten zu hören bekommen – und nur das. Wir möchten den Jugendlichen mit dem Preis Wertschätzung entgegenbringen, sie motivieren. Und sie sollen wiederum andere inspirieren, es ihnen gleichzutun. Wir wollen zeigen, wie innovativ und kreativ junge Menschen Medieninhalte gestalten. Wie spielerisch, natürlich und leicht sie das machen. Und wie humorvoll sie dabei zuweilen vorgehen – auch bei durchaus ernsten und relevanten Themen.

Wie ist YouMedia organisiert? Wie eine Firma mit Mitarbeitenden?
YouMedia ist ein gemeinnütziger, nicht gewinnorientierter, steuerbefreiter Verein. Wer für YouMedia arbeitet, tut dies auf Mandatsbasis. Im Moment umfasst das Team sechs Personen.

Sie machen das ja bestimmt nicht nur aus reiner Nächstenliebe zu Jugendlichen. Wie soll sich YouMedia finanzieren?
Wir greifen mit YouMedia ein gesellschaftliches Kernthema auf. Das treibt uns an. Aber natürlich muss die Arbeit, vor allem auch des Teams, honoriert werden. Finanziert werden wir von mehreren Stiftungen, deren Ziel unserem entspricht: die Medienkompetenz von Jugendlichen zu stärken. Für die bisherigen finanziellen Zusicherungen sind wir äusserst dankbar. Wir sind aber weiterhin auf Unterstützung angewiesen. Da die Angebote kostenlos sind, werden keine Einnahmen generiert.

SRG, Keystone-SDA und der Verlegerverband Schweizer Medien arbeiten an einer eigenen Initiative namens UseTheNews Schweiz. Diese soll ebenfalls demnächst lanciert werden. Medienkompetenz bei Jugendlichen scheint dennoch ein Geschäftsmodell zu sein …
Nein, nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien rentieren sich solche Initiativen nicht. Gerade darum braucht es uns alle. Es gilt, bei dieser wichtigen Thematik möglichst alle Kräfte zu mobilisieren.

UseTheNews und YouMedia sollen also keine Konkurrenzprodukte werden, sondern sich ergänzen?
Unser Fokus, der Fokus von YouMedia, liegt bei Jugendlichen zwischen 13 und 20 Jahren. Mit ihnen arbeiten wir via unseren Angeboten aktiv zusammen. Die Trägerschaft UseTheNews spricht die ganze Bevölkerung an und bündelt Angebote und Initiativen wie unsere, um sie sichtbarer und besser auffindbar zu machen. Wir sind stolz, von Anfang an Partnerin von UseTheNews zu sein. Geplant ist, dass Synergien genutzt und zum Beispiel auch Projekte wissenschaftlich begleitet werden.

Sie sind auch Co-Präsident des Vereins Qualität im Journalismus (QuaJou). Muss die Medienkompetenz von Jugendlichen auch deshalb gefördert werden, weil die Qualität im Journalismus durch dauernden Personalabbau gefährdet ist?
Dass trotz Einsparungen und Personalabbau die Qualität des Journalismus nicht leidet, dafür müssen die Medienhäuser sorgen. Aber woran es effektiv mangelt, ist der Nachwuchs. An jungen Menschen, die sich für den Beruf interessieren. Das ist zwar nicht das Hauptziel von YouMedia, könnte aber ein positiver Nebeneffekt sein.

«Jugendliche sollen sehen und erleben, wie Journalistinnen und Journalisten arbeiten»

Medienhäuser kämpfen ums Überleben, weil noch niemand das Rezept gefunden hat, wie man heute noch mit Journalismus Geld verdient. Wollen Sie den Jugendlichen auch vermitteln, dass Journalismus Geld kostet?
Jugendliche sollen sehen und erleben, wie Journalistinnen und Journalisten arbeiten, wie aufwendig Recherchen sein können oder was es braucht, um zu Themen und Protagonisten zu kommen. Dieses Näherbringen des Journalismus ist in einer Zeit, wo die Branche um Legitimität kämpft, sehr wichtig.

Sie sind Vater von fünf Kindern. Wie haben Sie eigentlich dem eigenen Nachwuchs Medienkompetenz vermittelt?
Es ist ein Geben und Nehmen. Manchmal habe ich einen Tipp an sie, manchmal wissen sie schlicht mehr als ich. Am besten ist es, Fragen zu stellen. So erfahre ich viel mehr, als wenn ich mit einer vorgefassten Meinung daherkomme. Und es entsteht ein Dialog, von dem ich und sie profitieren.

YouMedia ist nun lanciert. Wo wird Ihr jüngstes Baby in fünf Jahren stehen?
Ich wünsche mir, dass die Stimme der Jugendlichen in der Mediendebatte noch stärker gehört wird. Und ich hoffe, dass sich YouMedia etabliert hat und jungen Menschen Orientierung bietet, um sich im bis dahin sicherlich noch viel grösseren Meer an Medien zurechtzufinden.


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