Auf die Frage: «Können die Bewohner der Sugus-Häuser nun bleiben?», gibt ChatGPT Search eine konzise und umfassende Antwort. Sie beinhaltet die Ausgangslage mit der ersten Kündigungsfrist und der Fristverlängerung, die Gesprächssuche mit der Eigentümerin und den aktuellen Stand. Dazu sind die Quellen der zusammengetragenen Informationen angegeben mit entsprechenden Links. In diesem Fall basiert die Zusammenfassung auf Artikeln von Blick und Watson.
Mit einer solchen Zusammenfassung erübrigt sich ein Klick auf die Links zu den Webseiten der Newsplattformen. Eine Suche, die eine schlüsselfertige Antwort liefert, nennt sich «Zero Click Search».
74 Prozent sind besorgt
OpenAI hat die Suchfunktion von ChatGPT Ende 2024 eingeführt. Andere Dienste bieten ähnliche Funktionen, so etwa Perplexity oder Google AI Overview. Wobei letzteres bisher mehr mit fantasievollen Antworten aufgefallen ist.
Diese Entwicklung stellt vieles auf den Kopf für die Suchmaschinenoptimierung (SEO). Deren Ziel ist es, die eigene Webseite in den Suchergebnissen sichtbar zu machen, damit möglichst viele Nutzerinnen und Nutzer sie anklicken und die Website besuchen.
Besonders für die Medien bedeutet dies eine grosse Umstellung. Sie sind wegen der Werbung darauf angewiesen, dass Leute ihre Webseiten besuchen. Entsprechend beunruhigt der mögliche Rückgang der Klicks aus Suchergebnissen 74 Prozent der Medienverantwortlichen, steht im Trendbericht 2025 des Reuters Institutes.
Auch die Schweizer Medienhäuser beobachten die Entwicklung. CH Media zeigt sich besonders kritisch. «Google beteiligt sich nicht an den Kosten zur Herstellung der journalistischen Inhalte, generiert damit aber Traffic auf der eigenen Plattform und schöpft die Werbeerlöse ab. Den Verlagen wiederum bleiben die Einnahmemöglichkeiten via Nutzer- oder Werbemarkt verwehrt», schreibt die Medienstelle auf Anfrage von persoenlich.com.
20 Minuten experimentiert
Tamedia und der NZZ betonen beide, dass die klassischen Suchmaschinen nach wie vor bedeutenden Traffic generieren. «Wir sind uns aber der potenziellen Herausforderungen bewusst, welche das Wegbrechen dieser Trafficquelle bedeutet», schreibt Tamedia. Der Tages-Anzeiger-Verlag zeigt auch Hoffnung: «Die Techunternehmen erkennen zunehmend, dass die Qualität ihrer Suchergebnisse unmittelbar von der Qualität der zugrundeliegenden Inhalte abhängt. Sie haben daher ein Interesse daran, das Geschäftsmodell professioneller Medienunternehmen nicht komplett zu untergraben.»
20 Minuten sieht sogar eine Chance. Im Sinne eines Experiments gibt das Unternehmen einzelne Inhalte für die KI-Nutzung frei, schreibt das Gratisblatt, ohne weiter ins Detail gehen zu wollen.
Grundsätzlich hält aber 20 Minuten, wie auch Tamedia und die NZZ, seine Inhalte vor dem Zugriff durch KI-Crawler verborgen. So verhindern die Unternehmen, dass ihre Artikel in der KI-generierten Suche auftauchen. CH Media sperrt sie auch, ausser für Watson. Nichtsdestotrotz würden die meisten KI-Unternehmen Inhalte abgreifen, auch wenn diese technisch geschützt werden, stellt die NZZ fest. Es sei für Verlage nicht möglich, das Abgreifen komplett zu verhindern.
Finanzielle Chance
Für die SRG, die ihre Inhalte nicht verschliesst, ergeben sich Chancen und Risiken zugleich. Entscheidend seien transparente Quellen, eine korrekte Weitergabe der Inhalte und das Einhalten der Urheberrechte.
Ringier, das schon seit Langem in Digitalisierung investiert, hat bereits Projekte gestartet, um die Nutzer auch zukünftig gut zu erreichen, schreibt das Medienhaus. So entwickelt der Verlag in Kooperation mit Google Cloud den ersten Medienchatbot der Schweiz.
Dass diese Entwicklung auch eine finanzielle Chance für die Medienhäuser sein kann, zeigt ein Blick ins Ausland. Laut Reuters Institute hat das Medienunternehmen News Corp, das Titel wie Wall Street Journal, New York Post oder The Times besitzt, einen Vertrag mit OpenAI für 250 Millionen Dollar über fünf Jahre abgeschlossen.
Da macht sich aber CH Media keine Illusion. «Die Inhalte der weltweit grössten Medienhäuser reichen für das Produkt und das Training des Modells von OpenAI aus. Aus diesem Grund haben Schweizer Publisher aktuell keine Aussicht auf eine faire Vereinbarung», erklärt die Medienstelle. Die anderen Medienhäuser sind mit den KI-Firmen im Gespräch, lassen sie wissen.
Leistungsschutzrecht notwendig
Entscheidend für eine faire Vergütung ist es, dass die Verlage ihren Beitrag zu den KI-generierten Zusammenfassungen darlegen können. Dafür bieten neue Anbieter wie ProRata.ai oder TollBit Lösungen.
Schweizer Medienhäuser begrüssen diese Lösungen. Ringier sieht sie als «essenziell» und steht mit den Anbietern, so wie auch Tamedia und die NZZ, im engen Austausch. CH Media beteiligt sich an Tests, betont aber: «Aktuell ist die angebotene Vergütung für die von den Verlagen hergestellten Inhalte viel zu gering.» Für den Verlag seien die Einführung des Leistungsschutzrechts und eine Aktualisierung des Urheberrechts für eine faire Vergütung notwendig.