29.11.2024

Kritik an Anzeige

NZZ verteidigt grosses Köppel-Inserat

Ein ganzseitiges Inserat in der NZZ vom Donnerstag sorgt für Wirbel. Weltwoche-Verleger Roger Köppel macht darin «Kriegspropaganda» für den russischen Präsidenten, so die Kritik. Das Inserat unterscheidet sich gestalterisch nur wenig vom redaktionellen Teil. Die NZZ verteidigt ihre liberale Inseratepolitik, betont aber die strikte Kennzeichnungspflicht bei Werbung in Artikelform.
Kritik an Anzeige: NZZ verteidigt grosses Köppel-Inserat
Hat in der NZZ vom Donnerstag ein ganzseitiges Inserat mit einem Meinungsbeitrag geschaltet: Roger Köppel, Verleger und Chefredaktor der Weltwoche. (Bilder: Keystone, Screenshot NZZ)

In der NZZ-Ausgabe vom Donnerstag ist eine Anzeige besonders hervorgestochen. Weltwoche-Verleger Roger Köppel platzierte ein ganzseitiges Inserat für Text mit dem Titel «Putins letzte Warnung an den Westen» (Bruttokosten gemäss Mediadaten 19'500 Franken). Die Seite ist als Anzeige gekennzeichnet, gestalterisch kommt der Text ähnlich dem Weltwoche-Layout mit drei Spalten daher. Zu den Beweggründen sagt Köppel auf Anfrage: «Ich möchte die NZZ-Leser aufrütteln mit einer anderen Sicht.»

Es ist nicht das erste Inserat, das Köppel in der NZZ für seine Zwecke schaltet. Bereits in den Jahren 2020 und 2023 veröffentlichte er das Weltwoche-Editorial als Inserat in der Zeitung (persoenlich.com berichtete). Auffällig am aktuellen Beispiel ist allerdings, dass das Weltwoche-Logo nirgends zu sehen ist. Köppel begründet dies damit, dass er «dieses für mich so wichtige Thema nicht zum Instrument einer Abowerbung machen wollte». Klar ist, dass Köppels Text ohne das Logo seines Magazins gestalterisch noch mehr einem redaktionellen Beitrag ähnelt. 

«Relativ milde» Handhabe beim Presserat

Der Presserat hält den Umgang zur Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung im Journalistenkodex fest. Dort steht: «Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben. Sofern sie nicht optisch/akustisch eindeutig als solche erkennbar sind, müssen sie explizit als Werbung deklariert werden.»

Presseratspräsidentin Susan Boos erinnert auf Anfrage, dass der Presserat die aktuell «relativ milde» Handhabe demnächst anpasse und künftig eine klare Beschriftung und ein klar anders erkennbares Layout als Richtlinie angebe. Im aktuellen Fall, wo ein Layout im Weltwoche-Stil als Design gewählt wurde, wäre die Lage nach den künftigen Richtlinien «ernsthaft zu diskutieren», so Boos. 

In den sozialen Kanälen sorgt denn mehr der Inhalt von Köppels Text als die Gestaltung für Aufregung. Seine Zeilen werden als «Putin-Kriegspropaganda» bezeichnet. Verstösst Köppel mit seinem Text gegen den Berufskodex? Eine solche Frage würde nicht der Presserat behandeln, sondern die Lauterkeitskommission. 

Stellungnahme der NZZ zur Werbekennzeichnung

Die Neue Zürcher Zeitung erklärte auf Anfrage von persoenlich.com, sie verfüge über strenge und klar definierte Richtlinien zur Kennzeichnung von Werbeinhalten. Bei gesponserten Inhalten in ihren Print- und Magazinpublikationen werde konsequent eine deutliche Kennzeichnung als «Anzeige» oder «Publireportage» in der Kopfzeile platziert. Im vorliegenden Fall sei die fertig produzierte Anzeige vom Auftraggeber bereitgestellt worden.


Um sicherzustellen, dass die Richtlinien befolgt würden, fungierten Chefredaktionen und Blattmacher als oberste Kontrollorgane und prüften in dieser Funktion jeden Promoted Content vor der Publikation. Entspreche ein Werbeinhalt nicht den publizistischen Standards der NZZ, werde er abgelehnt
.

Die NZZ verfolgt bei der Annahme von Inseraten einen liberalen Ansatz: «Solange Inserate keine rechtswidrigen oder sonst offensichtlich anstössigen Inhalte beinhalten, werden sie in der Regel auch publiziert – unabhängig davon, ob man zum Beispiel die politische Linie teilt oder nicht», so Karin Heim, Leiterin der NZZ-Unternehmenskommunikation. Dies sei Teil des Prozesses einer offenen Meinungsbildung.

Zum diskutierten Anzeigeninhalt sind bisher sieben differenzierte Leserzuschriften eingegangen. (wid/cbe)


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KOMMENTARE

Guglielmo0815
02.12.2024 12:16 Uhr
Den Inhalt der Anzeige werde ich nicht kommentieren und dafür verantwortlich zeichnet der Auftraggeber, welcher ja bekannt ist. Die Aufregung über das Erkennen des Artikels als Anzeige verstehe ich nicht, da redaktionelle Seiten der NZZ jeweils 5-spaltig (z.B. Seite 9 ggü. besagtem Inserat) erscheinen. Beim Betrachten dieser beiden Seiten, kann man m.E. ganz klar einen Unterschied feststellen und zudem ist die Anzeige von Roger Köppel als solche gekennzeichnet. Ausserdem ist das Inserat 3-spaltig und mit einer anderen Schrift gestaltet. Ich meine, die NZZ hat (aus wirtschaftlichen Überlegungen) korrekt gehandelt, aber natürlich bedeutet "Stil nicht das Ende des Besens;-)"
Peter Gehr
30.11.2024 16:02 Uhr
Nein, dass dies kein redaktioneller Beitrag ist, habe ich im ersten Moment nicht realisiert. Dass ein so unmöglicher Bericht über einen Schwerstkriegsverbrecher, in trumpscher Manier verfasst, von der NZZ zur Publikation freigegeben wird, ist einfach unglaublich. Das Kleinstgedruckte "Anzeige" oben rechts und das noch kleiner geschriebene Kürzest-CV von Köppel, notabene ohne Signet, machen diesen Beitrag nicht auf anhieb eindeutig als simple Reklame erkennbar. Die Rechtfertigung der NZZ Redaktion ist, in Anbetracht dieses unmöglichen, nur schwer goutierbaren, miserabel geschriebenen, Propagandaberichtes einfach erbärmlich und nur schwer verständlich. Mit einer solchen Tagespresse möchte ich nur ungern etwas zu tun haben und am liebsten das Abonnement kündigen. Solche Verherrlichung eines Scherstkriegsverbrechers sind für die Schweiz mit dem immer wieder verwendeten Neutralitätsbegriffs, Pressefreiheit, Redefreiheit etc. schlicht und einfach nicht erklärbar, geschweige denn entschuldbar. Ich bin schwer enttäuscht von der NZZ, besonders von deren Redaktion. Eine begleitende Stellungnahme wäre der NZZ Redaktion gut angestanden. Oder ist sie etwa der gleichen Meinung?
Paul Baumann
30.11.2024 12:31 Uhr
Vor kurzem habe ich mich in einem Leserbrief an die NZZaS bereits darüber beklagt, dass mit dem kaum zu goutierenden neuen Layout der Unterschied zwischen Werbung/Publireportage kaum mehr erkennbar sei. Der Leserbrief wurde zwar nicht publiziert, die NZZaS bestand jedoch in einer persönlichen Antwort darauf, dass dieser Unterschied mit einer entsprechenden Kennzeichnung klar und unmissverständlich deklariert würde. Ich bestehe darauf und finde mich im vorliegenden Fall einmal mehr bestätigt: für ein lukratives Inserateaufkommen unternimmt die NZZ alles, um den Auftraggebenden den roten Teppich auszubreiten. Der Presserat sei deshalb einmal mehr aufgefordert, seinen eigenen Richtlinien eine bessere Aufmerksamkeit zu schenken. Ein schamhaft kleingedruckter Hinweis erfüllt die Anforderungen an eine eindeutige Abgrenzung auf keinen Fall!
Roger Köppel
30.11.2024 12:30 Uhr
Was Herr Lüthi hier schreibt, ist der grösste Humbug, den in meinem Leben gelesen habe. Mit Sympathien für Putin hat diese Analyse nichts zu tun, wohl aber mit meiner grossen und begründeten Sorge um die Schweiz, die zu ihrer vollen Neutralität zurückkehren muss. Mit freundlichen Grüssen Roger Köppel
Peter Tschudi
30.11.2024 11:09 Uhr
Sieht man sich die WEMF-Zahlen der WeWo an, sind wohl immer weniger LeserInnen scharf auf diese "andere Sicht" oder auf alternative Fakten. Scharf ist offensichtlich nur die NZZ auf Werbe-Einnahmen - um jeden Preis.
Ueli Custer
29.11.2024 17:08 Uhr
Ich sehe diese sehr diskret als "Anzeige" markierte Inserat als einen weiteren Verstoss zur klaren Trennung von Werbung und Redaktion. Es reiht sich ein in die verschiedenen "getarnten" Inserate, die zunehmend (nicht zuletzt in der NZZaS) erscheinen. Die Verlage scheinen sich grosse Mühe zu geben, ihr eigenes Grab zu schaufeln indem sie konstant und immer häufiger ihre Glaubwürdigkeit beschädigen. Merkt denn das niemand?
Roland Maeder
29.11.2024 16:06 Uhr
Der weltweit praktizierte Tendenz Journalismus schreit auf. Aufklärung war zwar im 18. Jahrhundert - brauchen wir nicht eine neue? Eine, die nicht nur die Vernunft behandelt?
René Grossenbacher
29.11.2024 14:58 Uhr
Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, dass die NZZ dieses Inserat abdruckt - auch wenn es sich offensichtlich um ungefilterte Kreml-Propaganda handelt. Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Allerdings verstehe ich nicht, dass man diesen Schwachsinn nicht wenigstens redaktionell kommentiert. Das erwarte ich von einer NZZ.
Thomas Lüthi
29.11.2024 13:00 Uhr
Dass dies kein redaktioneller Beitrag der NZZ war, ist für jede und jeden sonnenklar, der die NZZ liest. Erstens geht das aus dem Layout hervor, mehr noch aus dem hahnebüchenen Inhalt. Dass die NZZ keinen solchen Schwachsinn von sich gibt, ist doch offensichtlich. Köppel hat mich nicht aufgerüttelt mit seiner Sympathie für den Kriegsverbrecher und Menschenschinder Putin. Aber es hat mich geschüttelt, als ich den Text gelesen habe. Die journalistischen Ehrenkodexe muss man übrigens bei Köppel gar nicht erst bemühen - denn mit Journalismus hat das, was Köppel von sich gibt, wenig bis nichts zu tun.

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