20 Minuten macht einen konsequenten Schritt in Richtung digitaler Zukunft: Die tägliche Printausgabe wird per Ende 2025 eingestellt. Aufgrund der Neuausrichtung werden auch strukturelle Anpassungen vorgenommen, die – vorbehältlich der Ergebnisse des Konsultationsverfahrens – zu einem Abbau von bis zu 80 Vollzeitstellen in Redaktion und Verlag führen. Der Schritt erfolge «aufgrund der sich rasch wandelnden Mediennutzung und sinkender Erträge im Printgeschäft», heisst es in einer Medienmitteilung der Pendlerzeitung, die zur TX Group gehört.
Knapp 30 Prozent fallen weg
43 Stellen sollen in der Deutschschweiz gestrichen werden und 37 in der Romandie, präzisiert 20 Minuten auf Anfrage. Ende 2024 zählte das Unternehmen 287 Vollzeitstellen.
«Wir starten aus der Pole Position in die digitale Zukunft. Gleichzeitig bedauern wir den damit verbundenen Stellenabbau ausserordentlich. Wir werden unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während dieser Veränderungen eng begleiten», wird Bernhard Brechbühl, CEO der 20 Minuten Gruppe, in der Mitteilung zitiert.
In 2023 sah es noch anders aus
Noch im Oktober 2023 sagte Brechbühl in einem Interview mit persoenlich.com, dass 20 Minuten an Print festhalten werde. «Für unser crossmediales Gesamtpaket auf dem Werbemarkt, für das Leseerlebnis von unseren täglich sorgfältig ausgewählten und aufbereiteten Geschichten und für unsere Sichtbarkeit im öffentlichen Raum ist Print nach wie vor sehr relevant.»
Das Unternehmen plane, substanzielle Mittel in die Weiterentwicklung des Produkts, der Marken der 20 Minuten Gruppe sowie in innovative kommerzielle Angebote und Umfelder zu investieren. Diese Neuerungen werden ab dem vierten Quartal laufend kommuniziert und eingeführt. Zudem erfolgen wesentliche Investitionen in Anwendungen der künstlichen Intelligenz und in die Weiterentwicklung der Wertschöpfung.
Die Distributionsboxen der Printzeitung hingegen werden noch nicht verschwinden. 20 Minuten prüfe derzeit die weiterführende Nutzung mit einem Printprodukt mit neuem Erscheinungsrhythmus.
Regionalbüros schliessen
Im Zuge der Neuausrichtung stellt sich 20 Minuten organisatorisch neu auf: Die aktuell separat geführten Redaktionen in der Deutsch- und Westschweiz werden zu einer nationalen Redaktion mit den Standorten Lausanne, Bern und Zürich zusammengeführt. Die Auflösung der Regionalbüros in Basel, Genf, Luzern und St. Gallen ist per Ende Jahr geplant.
Regionale News sollen dennoch weiterhin Bestandteil der Berichterstattung bleiben, betont 20 Minuten. Sie werden durch ein Korrespondentennetz abgedeckt. Am Freitag hatte persoenlich.com berichtet, dass drei Führungskräfte des Pendlermediums gekündigt hatten.
Die publizistische Gesamtleitung von 20 Minuten und 20 Minutes übernimmt per 1. September Chefredaktorin Désirée Pomper, die aktuell die Publizistik in der Deutschschweiz verantwortet. Philippe Favre, seit der Gründung 2006 Chefredaktor von 20 Minutes, wird Directeur Romandie.
In dieser Funktion verantwortet er fortan die Leitung des Standorts Lausanne, Geschäftsaktivitäten in der Westschweiz sowie die operative Zusammenarbeit mit dem Joint Venture L’essentiel in Luxemburg. Zudem wird künftig die Romandie in der nationalen Chefredaktion vertreten sein.
«Die neue nationale Redaktion erlaubt uns eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Deutsch- und Westschweiz und ein inhaltliches Digitalprodukt aus einem Guss, das den Bedürfnissen beider Landesteile weiterhin gerecht wird», so Désirée Pomper, Chefredaktorin 20 Minuten.
Auch die Tageszeitung 20 Minuti im Tessin, die vom Joint Venture 20 Minuti Ticino SA herausgegeben wird, soll eingestellt werden. Die Aktivitäten im Tessin konzentrieren sich auf das Newsportal Tio/20 Minuti. Die Auslandsbeteiligung L’essentiel in Luxemburg führt ihr Print- und Onlineangebot unverändert weiter.
Impressum: «Erdbeben bei der TX Group»
Die Mediengewerkschaft Impressum reagiert in einer Mitteilung auf die Ankündigung und spricht von einem «Erdbeben bei der TX Group». Mit dem geplanten Stellenabbau setze das Unternehmen «schrittweise die Demontage der Schweizer Presselandschaft fort». Statt Stellen «auf Kosten der Informationsvielfalt und der Mitarbeitenden» abzubauen, solle das Unternehmen seine Gewinne in Finanzpolster und in den Journalismus investieren, um Marktschwankungen und den digitalen Wandel abzufedern.
Auch die Gewerkschaft Syndicom kritisierte den Stellenabbau in einer Mitteilung. Mit dem Entscheid gefährde die TX Group die mediale Vielfalt der Schweiz. Besonders kritisch sieht Syndicom die geplante Zusammenlegung der Redaktionen aus den zwei Sprachregionen. Eine solche Zentralisierung schwäche die sprachregionale Vielfalt, die in einem mehrsprachigen Land wie der Schweiz essenziell sei. Die Gewerkschaft fordert zudem genug Zeit für ein «echtes» Konsultationsverfahren. (pd/sda/spo)
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17.06.2025 10:55 Uhr
17.06.2025 10:03 Uhr
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