«Wer denkt, dass Menschen in Zukunft nur noch über KI-Tools Nachrichten lesen werden?» Bei dieser Frage an die Teilnehmenden des Swiss Media Forums am vergangenen Freitag auf dem Kongressschiff MS Diamant auf dem Vierwaldstättersee hebt nur einer – wenn auch nach kurzem Zögern – die Hand. Das ist Andrea Masüger, Präsident des Verlegerverbands VSM. Die Frage stand am Anfang eines Panels mit dem Titel «Disruptive Kraft der KI: Raubritter oder Booster für die Medien?».
Dass nicht nur Andrea Masüger sich über KI-Tools als Quelle für Nachrichten Sorgen macht, zeigt sich aber im Verlauf der Diskussionen. Zu Zero-Click Search, also Internetsuchen, die komplette Antworten liefern und das Besuchen der Nachrichtenportale unnötig machen, sagte KI-Expertin Alexandra Stark, es könnte innert kürzester Zeit Probleme wie Leistungsschutzrecht klar überschatten.
Vor Gericht schwierig umzusetzen
Auch Sébastien Voisard, Verleger des Quotidien Jurassien, der gekommen war, um das Erfolgsmodell seiner regionalen Zeitung vorzustellen, nannte die mögliche Verlagerung der Nachrichten zu den Techplattformen eine Gefahr. Er prangerte das Übernehmen von Inhalten durch die ausländischen Techkonzerne als unlauter und Plündern an. Ohne eine Anpassung des rechtlichen Rahmens gingen kleine regionale Medienunternehmen auf schwierige Zeiten zu.
Ein rechtlicher Hebel ist die Anpassung des Leistungsschutzrechts. In der Schweiz wäre dieser Schutz theoretisch schon heute vorhanden, wie Emanuel Meyer vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) im Panel sagte. Doch die Umsetzung erweise sich vor Gericht wegen der Beweisführung schwierig.
Auch auf der politischen Ebene wird es die Anpassung nicht leicht haben, wie Nationalrätin Marionna Schlatter (Grüne/ZH) in der Diskussion betonte. Die Vorlage sei sehr umstritten. Sie riet den Medienhäusern dazu, nicht auf die Politik zu warten und nach Möglichkeit direkt mit den Techkonzernen zu verhandeln.
Der Vorteil ist im Moment: Das Vertrauen der Öffentlichkeit zu den Medienmarken sei gross, bemerkte Schlatter. Die Medienmarke wird künftig zentral sein, sagte auch Barnaby Skinner, stellvertretender Chefredaktor der NZZ, verantwortlich für Technologie und Entwicklung. Neue Kanäle müssten gepflegt werden.
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Trotz kurzer Nacht sind die Teilnehmenden am Freitagmorgen zahlreich erschienen.
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Keynote-Speaker Norman Nielsen geniesst die Seeluft.
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Verleger Sébastien Voisard stellte das Erfolgsrezept des Quotidien Jurassien vor.
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Nationalbankpräsident Martin Schlegel im Gespräch mit Arthur Rutishauser.
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Barnaby Skinner, Pia Guggenbühl, Marionna Schlatter und Emanuel Meyer im Podium über KI.
Der Morgen auf dem Schiff legte auch den Fokus auf die alltägliche Praxis mit KI. Wie grosse Medienhäuser KI als Tools nutzten, haben CH Media, Tamedia und SRG in kurzen Präsentationen demonstriert. Alle drei haben bereits interne Plattformen entwickelt, die auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten sind, oder haben damit angefangen. Zum Beispiel können erprobte Prompts gespeichert und von den Kollegen verwendet werden. Die Journalisten können via Bot aus den Archiven Informationen suchen. Die Bots helfen auch beim Storytelling. So lassen sich auf einer Plattform namens «Bakerstreet» Ideen finden, um einer Geschichte mehr Unterhaltung zu verleihen.
KI darf nicht zu Spardruck führen
Was auffällt: Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden stehen im Zentrum für die Entwicklung der Tools. Im KI-Lab von Tamedia hat 90 Prozent des Teams einen journalistischen Hintergrund. Auch das KI-Team von CH Media arbeitet Hand in Hand mit den Redaktionen zusammen. Damit dürften die neuen Instrumente die Produktivität erhöhen. Das betonten auch Keynote-Speaker Norman Nielsen, KI- und SEO-Spezialist, und Martin Schlegel, Präsident der Nationalbank, der für ein Gespräch mit Arthur Rutishauser auf dem Schiff anwesend war.
Der Effizienzgewinn dürfe aber nicht zu Spardruck führen, betonte in der Runde Barnaby Skinner. Da wäre die rote Linie überquert. «Im Qualitätsjournalismus steht der Mensch im Zentrum», sagte er. Die anderen Teilnehmer sahen es gleich. «Solange der Mensch am Anfang und am Ende steht und KI ein Tool ist, ist es ein Booster», so das Fazit von Emanuel Meyer.