09.01.2025

Dreikönigstagung

Wir haben keine Chance, also packen wir sie

Das Branchentreffen des Verlegerverbands stand ganz im Zeichen der Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf die Medienbranche. Referate und Podiumsdiskussion zwischen dem Vertrauen auf die eigenen Stärken und der Hoffnung auf Hilfe durch die Politik angesichts der erdrückenden Übermacht der Plattformkonzerne.
Dreikönigstagung: Wir haben keine Chance, also packen wir sie
Die grossen Profiteure der aktuellen Entwicklungen sind die «drei Könige der Online-Werbung»: So nennt Thomas Höppner Meta, Google und OpenAI. (Bild: Keystone/Gaëtan Bally)

In seiner Video-Ansprache an der Dreikönigstagung betonte Bundesrat Beat Jans die Bedeutung der Medien (persoenlich.com berichtete). Der Justizminister nutzte seinen Auftritt, um die Notwendigkeit und die Unterstützung des Bundesrats für ein Leistungsschutzrecht zu unterstreichen. Er erwähnte aber auch, dass das alleine nicht reichen wird. Das Leistungsschutzrecht könne bestenfalls «etwas Luft und Zeit verschaffen, um Antworten zu finden», so Jans in seiner Rede – Antworten etwa auf die Frage, wie Medien mit der Macht der Plattform umgehen sollen. Nur wenn in diesen Bereichen schnell Fortschritte erzielt werden, «kann sich die grosse Krise abmildern lassen», sagte Verlegerpräsident Andrea Masüger in seiner Ansprache.

«Digitale Informationsinfrastruktur in festen Händen der Plattformen»

Natali Helberger, Professorin an der Universität Amsterdam, bestätigte in ihrem Referat den Eindruck, dass Verlage aufgrund des Aufschwungs von KI-Anwendungen noch abhängiger von den grossen Plattformen werden: «Die digitale Informationsinfrastruktur ist in festen Händen der Plattformen.» Dabei fahren die KI-Plattformen eine «divide and conquer»-Strategie, welche eine neue Rolle für die Regulierung mit sich bringt. Das Urheberrecht oder Wettbewerbsrecht müssen genutzt werden, um der Macht der Plattformen entgegenzuwirken.

Wie sich ein grosser Player aus dem europäischen Verlagswesen positioniert, führte Christoph Zimmer aus. Der Leiter Produkt und Vertrieb der Spiegel-Gruppe zeigte die Chance der KI-Anwendungen für Medienverlage auf. Dass KI unseren Alltag verändern wird, erwartet auch er. KI werde dereinst so omnipräsent und selbstverständlich sein, wie heute die Kühltechnologie uns das Leben erleichtere, ohne dass wir uns Gedanken darüber machen müssen, wie ein Kühlschrank genau funktioniert. Die Spiegel-Gruppe nutzt KI-Anwendungen in der gesamten Wertschöpfungskette. Der Fokus liege vor allem darauf, «den Konsum von Inhalten zu verbessern», und nicht darauf, günstiger News produzieren zu können. Entscheidend für den erfolgreichen Einsatz ist Transparenz und Sichtbarkeit, wo die Medienverlage Verantwortung übernehmen müssen. «Eine zu grosse Abhängigkeit von den KI-Plattformen ist zu vermeiden», sagte Zimmer.

Von Partnerschaften mit KI-Plattformen, wie sie der Spiegel mit Perplexity eingegangen ist, hält Thomas Höppner wenig. Der deutsche Urheberrechtsexperte plädierte in seinem Referat dafür, die Abhängigkeit von Plattformen zu senken und nationale Märkte zu stärken. Höppner zeigte sich alarmiert, dass etwa Perplexity längst kein Suchportal mehr, sondern ein «voll ausgerüstetes Presseportal» geworden sei. Der Traffic für die Medien nimmt weiter ab. «Wenn sie darauf angewiesen sind, dass ihnen KI-Chatbots Traffic bringen, sind ihre Schwierigkeiten noch grösser als bisher», so Höppner. Die grossen Profiteure der aktuellen Entwicklung sind die «drei Könige der Online-Werbung», wie Höppner Meta, Google und OpenAI passend zum Anlass nennt. Sie funktionieren als Netzwerk privilegierter Partner, die ein Überleben der Medienvielfalt kaum zulassen. Dagegenhalten müssten einerseits die Medien selbst, in dem sie mit ihren Kernkompetenzen wie Aktualität, Vertrauenswürdigkeit oder Expertise den Plattformen entgegenwirken, andererseits die Politik mit einer raschen, klaren Regulierung. Höppner machte deutlich: «Es braucht jetzt ein Leistungsschutzrecht, einen stärkeren urheberrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Schutz und weitere Regulierungen», um die Medien vor der dramatisch ansteigenden Macht der Plattformen zu schützen.

«Verpflichtung, Vernunft, Verantwortung»

Ladina Heimgartner, CEO von Ringier Medien Schweiz, schlug im abschliessenden Panel einen Pflock ein. Der Beitrag der Medien ist für die Information der Gesellschaft von zentraler Bedeutung, und die professionellen Medien grenzen sich dank drei Vs von anderen Informationsanbietern ab: Professionelle Medien haben eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Die Vernunft der Redaktionen ist zentral für die Qualität professioneller Medien. Zudem ist die Verantwortung, die professionelle Medien für ihre Inhalte übernehmen, ein entscheidender Faktor. Mit diesen Eigenschaften müssen die Medien den Tech-Giganten entgegentreten – und sich auch einen Teil des Werbemarkts zurückholen. Auch Heimgartner fordert aber eine Beschleunigung der Politik bei der Regulierung.

Der Werber Frank Bodin sieht im technologischen Wandel nicht nur einen Schnellzug, sondern eine «Schnellrakete», die auf uns zufliegt. KI-Werkzeuge können gut oder schlecht eingesetzt werden, die «Verantwortung liegt beim Menschen». Er könne sich vorstellen, dass in der Schweiz starke Labels auch für ethische Standards entstehen. Die Schweiz müsse hier Vorbild werden – auch was die Regulierung von KI angeht, sagte Bodin.

Bakom-Direktor Bernard Maissen brachte in die Diskussion ein, dass die Auslegeordnung zu KI-Regulierung nun auf dem Tisch des Bundesrats liegt und zeitnah kommen wird. «Die KI ist aber nicht im rechtsfreien Raum» und werde bereits heute gesetzlich eingeschränkt. Doch das allein reicht nicht.

«Die Politik hat bei der Regulierung lange zugewartet, jetzt muss man sich klar positionieren», sagte die Schwyzer Ständerätin Petra Gössi (FDP.) als Teilnehmerin der abschliessenden Podiumsdiskussion an der Dreikönigstatung. Die Politikerin hat mit einer Motion jüngst den verstärkten Schutz journalistischer Inhalte gegenüber den KI-Anwendungen gefordert. Die Schweiz mit ihrem demokratischen System sei besonders von einem starken Schutz der Medien abhängig. (pd/nil)


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