Wenn in der Schweiz Medienunternehmen finanziell unter Druck stehen, dann spürt das früher oder später auch die einzige verbliebene nationale Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Dann kündigen Verlage ihre Abos oder drängen auf günstigere Konditionen. Die Agentur kann darauf mit Sparmassnahmen reagieren, was sie schon gemacht hat. Sie kann aber auch neue Produkte entwickeln, um den Ertragsverlust zu kompensieren. Das ist keine neue Strategie, Keystone-SDA bietet schon lange Dienstleistungen ausserhalb des historischen Kerngeschäfts an, aber sie werden zunehmend überlebensnotwendig.
Ein Weg, von dem sich die Agentur neue Erträge verspricht, ist die Sichtbarmachung und Vermittlung von Expertinnen und Experten.
Am Mittwochabend präsentierte Keystone-SDA in Zürich ExpertQuotes. Gemäss Eigenbeschrieb bietet das neue Produkt «Expertinnen und Experten erleichterten Zugang zu den Medien und den Medienschaffenden – damit stärken Sie ihre Reputation in den für Sie relevanten Themenbereichen.» Was das genau heisst und welche strategischen und kommerziellen Überlegungen dahinterstecken, erklärte Agenturchef Hanspeter Kellermüller im Gespräch mit persoenlich.com.
Expertenzitate als kostenlose Dienstleistung für Redaktionen
ExpertQuotes, das sich gegenwärtig noch in der Pilotphase befindet, soll dereinst den Redaktionen als kostenlose Dienstleistung angeboten werden. Geld verdienen will Keystone-SDA mit Unternehmen. Diese können dafür zahlen, dass ihre Fachleute Zitate zu aktuellen Geschehnissen liefern, die die Agentur dann aufbereitet und zur freien Verwendung verbreitet. Dabei geht es nicht um klassische Unternehmens- oder Produktekommunikation, wie das etwa bei den sogenannten OTS-Meldungen der Fall ist, die man auch bei Keystone-SDA abonnieren kann.
«Wir sehen das neue Produkt einerseits als Dienstleistung für die Redaktionen, die immer weniger Zeit haben», erklärt Hanspeter Kellermüller, CEO von Keystone-SDA. Ihnen biete man kostenlosen Zugang zu Expertenstimmen. Den Unternehmen verschaffe man andererseits mehr Sichtbarkeit für ihre Expertise. «Wir bieten Coaching und Support und helfen den Firmen, ihre Zitate auszuwählen und zu formulieren. Und natürlich verbreiten wir diese dann – klar gekennzeichnet – über unsere Kanäle», erklärt Kellermüller. Geliefert werden soll dereinst pro Aussendung ein Zitat plus Kontext, also kein pfannenfertiger Artikel.
Zwei gestandene Profis arbeiten am neuen Produkt
Dafür zuständig sind bei Keystone-SDA die ehemalige Chefredaktorin Nicole Meier und Andreas Schürer, früherer Leiter Newsroom NZZ. Die beiden machen das ausserhalb der Redaktion, welche die Medien mit journalistischen Beiträgen beliefert. «Die Bereiche sind klar getrennt», sagt der Agenturchef. Wobei die Redaktion der Nachrichtenagentur die Zitate, die ihre Kolleginnen auf der anderen Seite der «Chinesischen Mauer» organisiert und arrangiert haben, natürlich auch für ihre Berichterstattung verwenden kann – sofern sie passen.
Auch bei einem anderen Produkt, das Keystone-SDA derzeit entwickelt, stehen Expertinnen und Experten im Zentrum. Und zwar baut die Agentur eine Datenbank auf, in der Redaktionen kompetente Stimmen zu x-beliebigen Themen suchen können. Hanspeter Kellermüller ist sich bewusst, dass es dafür eine kritische Masse an Einträgen braucht, damit das Projekt für eine erfolgreiche Vermarktung attraktiv genug daherkommt. «Wir stehen erst am Anfang», sagt er im Gespräch mit persoenlich.com. Anders als ExpertQuotes ist die Expertendatenbank für die traditionellen Medienkunden gedacht. «Mit einer solchen Zusatzdienstleistung können wir unser Angebot aufwerten», hofft Kellermüller.