14.11.2024

Theater Gessnerallee

Eine neue Zeitung irritiert und weckt Hoffnungen

Das Zürcher Theaterhaus gibt eine neue Hauspublikation heraus. Weil diese schlicht «Zeitung» heisst und journalistische Beiträge enthält, sorgt sie für Aufsehen und Irritation. Co-Leiterin Miriam Walther erklärt, worum es geht.
Theater Gessnerallee: Eine neue Zeitung irritiert und weckt Hoffnungen
Von links: Miriam Walther, Kathrin Veser (beide Co-Leiterinnen) und Rahel Bains, Kommunikationsverantwortliche Theater Gessnerallee. (Bild: zVg)

«Unser Ziel ist es, ein volles Haus zu haben. Das ist die wichtigste Kennzahl.» Was Miriam Walther, Co-Leiterin des Theaters Gessnerallee sagt, würden wohl auch andere Kulturmanagerinnen so formulieren. Doch die Wege zum Ziel sind vielfältig.

Miriam Walther und Kathrin Veser, die sich die Intendanz und Geschäftsführung des Hauses zwischen Schanzengraben und Sihl teilen, haben sich entschieden, klassische PR- und Öffentlichkeitsarbeit zu reduzieren. Dabei spielten auch finanzielle Überlegungen eine Rolle: Plakate und Inserate kosten viel Geld und verursachen hohe Streuverluste. Darum dient der Gessnerallee als wichtigster Kommunikationskanal fortan eine Zeitung und ein regelmässig erscheinender elektronischer «Wochenbrief». Die erste Ausgabe der Zeitung ist Ende September erschienen.

Das hätte wohl kaum Aufsehen erregt, hiesse die Publikation nicht «Zeitung» und hätten die Macherinnen ihren Entscheid nicht in den Kontext der Medienkrise gestellt. Im Editorial der ersten Ausgabe schrieben sie: «Wir wünschen uns sehr, dass es dem Journalismus und der Medienbranche insgesamt irgendwann wieder besser geht. Da dies aber höchstwahrscheinlich noch eine lange Weile dauern wird, haben auch wir uns gesagt: Lasst uns aus der Not – und der Liebe zum Journalismus – eine Tugend machen.»

Die Theaterzeitung als unlautere Konkurrenz?

Diese Botschaft weckte bei den einen Hoffnungen, bei den anderen Ängste – und sie rief Kritiker auf den Plan. So sah die NZZ am Sonntag eine «Zweckentfremdung von Theatersubventionen» und warnte vor dem Staat als «zweifelhaftem Freund des Journalismus». In der Beschreibung der Zürcher Zeitung erscheint die Theaterzeitung als unlautere Konkurrenz zu den darbenden Medien, denn sie enthalte so ziemlich alles, «was eine privat finanzierte Zeitung ebenfalls anbietet». Die Kritik bezog sich auf die Aussage im Editorial, wonach man mit «unterschiedlichen Formen wie zum Beispiel Analysen, Essays, Interviews, Porträts, Kolumnen, Horoskopen, Playlist» arbeiten werde; alles journalistische Formen.

Ein Blick in die 32 Seiten im Tabloid-Format zeigt nun, dass die Angst vor Konkurrenz unbegründet ist, ebenso wie die Hoffnung, dass hier ein Ersatz entsteht für die zusammengesparten Kulturressorts der grossen Publikumsmedien. Wie sollte das eine Publikation schaffen, die viermal im Jahr erscheint?


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KOMMENTARE

Victor Brunner
17.11.2024 08:53 Uhr
4 Ausgaben zu je 1'000 Exemplaren, geschätzte Kosten von Fr. 50'000, in der Aufmachung von HAU abgekupfert, nicht gerade das was man von einer innovativen Theaterleitung erwartet. Vielleicht ist es Absicht mit der Zeitung nur den "inner circle" des Theaters zu erreichen, dank dem Füllhorn Steuergelder kann sich "alternative Kultur" vom Markt abschotten!
Lukas Vogelsang / ensuite - Zeitschrift zu Kultur & Kunst
15.11.2024 14:37 Uhr
Nun, das alles ist eigentlich nichts Neues. Jedes Museum macht sein eigenes "Kulturmagazin". Und die Theater haben Programmzeitungen. Untereinander, unter den subventionsgesicherten Institutionen, die sich sowas leisten können, werden dann Anzeigen ohne Geldfluss ausgetauscht - in den Buchhaltungen sind diese natürlich verrechnet. Und so lernt der "Kulturmarkt" sich selbst und trainiert sich, dass Medien und vor allem die Werbung für die Produktionen gratis sein müssen. Dazu kommt: Auf so eine Zeitung hat ja niemand gewartet. Der Marketingeffekt bleibt in der Bubble hängen - aber die Öffentlichkeit wird kaum etwas wahrnehmen davon, noch werden die Institutionen so beworben. Fazit: Damit werden die "echten" Redaktionen noch mehr ihre Berichterstattung zurückfahren. Wenn die Insitutionen jetzt schon selbst die Zeitungen und den Journalismus konkurrieren, dann macht das im hart umkämpften Mediengeschäft keinen Sinn, hier noch Geld zu investieren. Gleichzeitig zerreisst es die restliche Leserschaft, welche noch bei Kulturmagazinen ein Abo hatten und es reduziert auch die bestehenden Magazine, die sich noch um Publizität bemüht hatten. Mit solche einem JEKAMI werden wir den Kulturmedienplatz Schweiz nicht besser machen. Im Gegenteil. In den letzten 20 Jahren haben alle diese "Konzepte" nur dazu geführt, dass wir weniger Medienpräsenz in den "offiziellen" Medienkanälen für Kultur und Kunst erreicht haben. Warum also sollten wir jetzt applaudieren? Was ist jetzt an dieser Idee der Gessneralle innovativ? Welche Verbesserung soll das bringen? Aber nochmals: Solange die Kulturberichterstattung NUR auf das Ziel von verkauften Tickets fokussiert ist, werden wir die Leserschaft mehr und mehr verlieren. Mit etwas Erfahrung in dieser Branche kann ich nur sagen: falscher Weg. Wieder ein Bein selbst weggesägt.

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