17.07.2024

VBZ

«Interviews sind seltener geworden»

Nach über 18 Jahren bei den Verkehrsbetrieben Zürich geht Daniela Tobler in den Ruhestand. Die Leiterin der VBZ-Medienstelle hat in dieser Zeit viel erlebt. Im persönlichen Gespräch äussert sie sich über den Medienwandel und sagt, weshalb sie mit Journalisten nicht per Du ist.
VBZ: «Interviews sind seltener geworden»
«Ich habe immer versucht, allen auf Augenhöhe zu begegnen», so Daniela Tobler, Leiterin der VBZ-Medienstelle. (Bild: Tom Kawara)

Daniela Tobler, wenn Sie in ein Tram mit beliebiger Wunschdestination weltweit steigen könnten – wo würden Sie aussteigen?
Ich bin so gerne in Zürich, dass mir spontan keine andere Haltestelle einfällt. Ich würde sagen, am Bellevue.

Und weshalb gerade am Bellevue?
Ich mag diesen Betrieb mitten in der Stadt sehr. Man hat rundherum den Blick auf den See, auf die Limmat, auf das Opernhaus. Es ist ein Ort, an dem sich verschiedene Tramlinien, aber auch viele Pendlerinnen und Pendler begegnen. Ich verbrachte viele Stunden am Bellevue, sei es als Mediensprecherin oder auch als Transport-Guide während der Euro 08. Es ist schön, dass man dort immer wieder irgendjemanden trifft, den man vielleicht Jahre nicht gesehen hat. Und dann merke ich, dass ich eine Zürcherin bin, die sich gerne in dieser Stadt bewegt – und an diesem Ort umgeben ist von der VBZ.

«Fast die Hälfte meiner beruflichen Tätigkeit habe ich jetzt bei den VBZ verbracht»

Nach über 18 Jahren bei den Verkehrsbetrieben Zürich werden Sie per Ende August pensioniert, verlassen die VBZ aber bereits Ende Juli. Schwingt schon Wehmut mit?
Ja, ein bisschen schon. Es ist ein spezielles Gefühl, eine gewisse Wehmut, ja, aber auch Freude und vielleicht ein gewisser Respekt vor einem neuen Lebensabschnitt. Und 18 Jahre sind doch eine lange Zeit. Fast die Hälfte meiner beruflichen Tätigkeit habe ich jetzt bei den VBZ verbracht.

Wie lautet das Rezept, dass man 18 Jahre einem Arbeitgeber treu bleibt?
Dass man sich einfach wohlfühlt und einen spannenden Job hat, der sinnstiftend ist. Dieses Privileg hatte ich. Obwohl ich als Mediensprecherin startete – das war immer mein wichtigstes Standbein – durfte ich im Laufe der Jahre immer wieder neue, spannende Aufgaben übernehmen und viele anspruchsvolle Projekte begleiten, darunter etwa die Einführung von zwei Tramgenerationen.

Sie starteten 2006 als Mediensprecherin, seit 2018 leiten Sie die VBZ-Medienstelle. Wie hat sich die Arbeit seither verändert?
Damals hiess es noch Pressesprecherin. Man gab mehr Interviews, es wurde vielleicht auch ein bisschen anders recherchiert. Die Medien haben sich seither natürlich verändert, dadurch wurden auch die Recherchen anders. In den ersten Jahren hatten wir eigentlich überall Ansprechpersonen. Es gab nur Print, 2006 kamen die ersten Gratiszeitungen, später dann Social Media, was die Medienarbeit nochmals nachhaltig verändert hat.

Print gibt es immer noch, aber mittlerweile gilt Online first …
… und dadurch nahm die Geschwindigkeit zu. Mein Anspruch war es stets, Antworten dann abzugeben, wenn sie korrekt, gut recherchiert und verständlich sind. Und trotzdem muss man gewährleisten können, dass man den Bedürfnissen entspricht, die die Medien haben, wenn es rasch gehen muss. Das ist eine Herausforderung, die über die letzten Jahre noch zugenommen hat.

In den vergangenen Jahren gab es eine zunehmende Medienkonzentration. Inwiefern bekamen Sie das zu spüren? Durch schlechter vorbereitete Journalistinnen und Journalisten?
Ich will nicht sagen, schlechter vorbereitet. Ich habe immer versucht, allen auf Augenhöhe zu begegnen. Wir hatten viele Jahre direkte Ansprechpersonen bei den grossen Zeitungen – beim Tages-Anzeiger, bei der NZZ, die teilweise auch echte ÖV-Spezialisten waren. Und die sind natürlich auch mit der Zeit in Pension gegangen und durch Jüngere ersetzt worden. Es ist mir klar, dass auch junge Journalistinnen und Journalisten lernen und irgendwo beginnen müssen. Aber durch diese Schnelligkeit kam manchmal die Recherche zu kurz und wurde quasi verlagert auf das Unternehmen, also auf uns.

«Ich will damit aber nicht sagen, dass früher alles besser gewesen wäre»

Sie wurden zunehmend mit Recherchefragen konfrontiert?
Ja, genau. Ich dachte manchmal im Stillen, dass man mit zwei- oder dreimaligem Googeln herausgefunden hätte, dass wir letztes Jahr bereits einmal zu diesem Thema etwas gesagt haben. Ich will damit aber nicht sagen, dass früher alles besser gewesen wäre (lacht).

Sie erwähnten es: Sie geben weniger Interviews. Können Sie sagen, ob das eher Radio und TV oder Print und Online betrifft?
Das gilt eigentlich generell. Sehr viele Anfragen kommen heute schriftlich. Unter Umständen kann dies eine Recherche mit zehn oder zwölf Fragen sein, die wir dann intern recherchieren und beantworten. Eins-zu-eins-Interviews sind wirklich seltener geworden, auch Fernsehinterviews wurden weniger. Dadurch geht Authentizität verloren und das bedauere ich. Ein Grund, weshalb ich diesen Job so gerne mache oder gemacht habe, ist auch, weil ich gerne mit Menschen zu tun habe, im Dialog stehe und im Austausch bin. Und genau so möchte ich etwas vermitteln, damit es auch verstanden wird und entsprechend auch beim Zielpublikum richtig ankommt.

Vermutlich am häufigsten dürften Sie in den vergangenen Jahren mit TeleZüri zu tun gehabt haben. Schauten Sie sich eigentlich Ihre eigenen Auftritte an?
Ja, ja. Ungern, aber nötig …

Ungern?
Nicht nur, durchaus auch selbstkritisch und mit einer gewissen Neugier, was die Medien daraus gemacht haben. Und nötig, um zu wissen, was es für Nachzügler gibt. Wenn ich in einer kritischen Geschichte ein Interview gegeben hatte, konnte ich mir sicher sein, dass am nächsten Tag das Telefon läutete.

Wie eng waren die Beziehungen zu Medienschaffenden, vor allem zu solchen, die Sie oft sahen?
In beruflichen Beziehungen baute ich mir ein Netzwerk und damit sicherlich auch ein gewisses gegenseitiges Vertrauen auf. Etwas, was ich aber immer beherzigt habe, ist, dass ich beim «Sie» geblieben bin. Das mag heutzutage nicht mehr so üblich sein. Mir half das Siezen, um eine gewisse Distanz zu wahren.

Gibt es also keine Journalistinnen und Journalisten, die Sie duzen?
Doch, es gibt Ausnahmen, die ich aber aus dem privaten Umfeld bereits schon kannte. Dort ist aber von beiden Seiten klar, dass man das Berufliche und das Private trennt.

Namen wollen Sie keine nennen?
Nein (lacht).

«Wir behandeln alle Medien gleich»

Steckten Sie gewissen Medien auch Storys zu?
Nein. Der Grundsatz der VBZ war und gilt immer noch, dass wir alle Medien gleichbehandeln.

Neben ihrer Arbeit als Mediensprecherin führten Sie auch Interviews für die Mitarbeitendenzeitschrift «Im Takt». Was machte mehr Spass: Kommunikation oder Journalismus?
Irgendwie beides. Ich habe festgestellt: Als Sprecherin vertritt man ganz klar jene Meinung des Unternehmens – auch wenn dies mit der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Worten geschieht. Beim Mitarbeitendenmagazin gibt es mehr Freiheit, etwa wie man eine Story erzählt, und mehr Raum für Kreativität. Es ist ein spezieller Mix. Wir sprechen zwar primär die Mitarbeitenden an, aber auch viele Pensionierte und ein externes Publikum, wie Medienschaffende, Politik oder die Stadtverwaltung – also ein ganz breites Spektrum. Das hat es für mich spannend gemacht, aber auch anspruchsvoll.

Bekannt sind die VBZ auch durch die Kampagnen von Ruf Lanz. Erleichterte oder erschwerte die Werbung Ihre Arbeit in der Medienstelle?
Ganz sicher erleichtert. Die Kampagnen haben immer diese gewisse Leichtigkeit dabei. Die Aussagen zeigen jeweils mit einem gewissen Augenzwinkern die Vorzüge des ÖV auf. Das ist eine schöne Botschaft, die immer passte und nach wie vor passt. Diese Fantasie und diese Kreativität, die dahintersteckt, ist sehr sympathisch – und sorgt auch immer wieder mal für Aufsehen …

… und es gab somit auch Mediengeschichten daraus.
Ja, zum Beispiel das berühmte Paar Jositsch und Mörgeli. Das sind so unvergessliche Momente.

Sie hatten schon das Gefühl, dass Sie – auch dank der Werbung – ein sympathisches Unternehmen vertreten?
Ja, absolut. Es zieht sich eigentlich durch bis zu meiner Kindheit. Die VBZ war für mich immer das Tor zur Welt. Meine Eltern zogen nach Rüschlikon, weil es dort einen VBZ-Anschluss gab. Wir wuchsen ohne Auto auf. Meine Eltern wollten nie eines. Ich ging in die Stadt zur Schule und auch später  – die VBZ war immer da. Das ist bis heute so. Ich wusste von Anfang an, dass ich für dieses Unternehmen stehen kann.

Hat es Sie nie gereizt, ganz vorne Platz zu nehmen – im Cockpit eines Busses oder Trams?
Nein, definitiv nicht. Ich habe viel zu grossen Respekt vor dieser verantwortungsvollen Aufgabe.


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