In der SRG-Debatte, die sich um die Kosten und den öffentlichen Auftrag im Sinne des Service public dreht, prallen unterschiedliche Meinungen aufeinander. Dieser Konflikt zeigt sich in der jüngsten Auseinandersetzung zwischen SRF-Direktorin Nathalie Wappler und Medienminister Albert Rösti. Die Frage, ob sich die SRG auf Information, Bildung und Kultur fokussieren oder auch Unterhaltung und Sport einschliessen sollte, steht im Mittelpunkt. Warum gesellschaftlicher Gegenwind für die SRG nicht unbedingt nachteilig ist, vor welchen Herausforderungen sie steht und wie sie strategisch kommunizieren sollte.
Der Bundesrat lehnt die sogenannte Halbierungsinitiative, die offiziell «200 Franken sind genug» heisst, zwar ab. Aber auch Medienminister Albert Rösti fordert, dass sich die SRG auf Information, Bildung und Kultur konzentrieren sollte, weshalb der Gegenvorschlag des Bundesrats eine Kürzung der Abgaben von 335 auf 300 Franken vorsieht. SRF-Direktorin Nathalie Wappler ist darüber verärgert. Sie verweist auf die Konzession, nach der die SRG dazu verpflichtet ist, ein Vollprogramm anzubieten, das auch Unterhaltung und Sport umfasst.
Allein die Debatte sorgt bei den SRG-Mitarbeitenden für Unsicherheit und Frustration. Der politische Gegenwind birgt jedoch auch positive Aspekte. Eine internationale Studie im Auftrag der Gallup AG Schweiz, an der ich als Wissenschaftler der Hochschule Luzern mitwirkte, zeigt, dass die SRG in der Schweiz einen deutlich festeren Rückhalt in der Bevölkerung geniesst als ARD und ZDF in Deutschland oder der ORF in Österreich. Hierbei spielt die direkte Demokratie eine massgebliche Rolle, weil sie die SRG förmlich dazu zwingt, sich verstärkt an gesellschaftliche Bedürfnisse anzupassen. Die SRG hat einen klaren Anreiz, den Kontakt zur Bevölkerung zu halten.
Zur Fragilität des Service public
Dieses Unterfangen gestaltet sich jedoch zunehmend als schwierig, wie die Gallup-Studie ebenfalls verdeutlicht. Konkret: Die SRG geniesst eine geringere Legitimation in der Gesellschaft als andere Schweizer Service public-Organisationen (z.B. Post, SBB, Swisscom). Sie lebt – frei nach dem Böckenförde-Diktum – stärker als andere Organisationen von gesellschaftlichen Werten und Bedingungen, die sie selbst nicht beeinflussen kann. Dies soll an drei Beispielen verdeutlicht werden.
Erstens hat die SRG einen komplexen Kernauftrag. Im Vergleich geniessen Postdienste sowohl national als auch international hohe Legitimation, da es für die Bevölkerung leicht zu beurteilen ist, ob diese ihren Hauptzweck erfüllen: Post von A nach B zu befördern. Öffentlich-rechtliche Medien hingegen müssen ein breites Spektrum an Informationen, politischer Meinungsbildung, Unterhaltung und Kultur bieten. Dies führt dazu, dass über Qualität und Inhalt leichter gestritten werden kann. Die Bewertung, ob Themen relevant sind, ein Beitrag politisch gefärbt erscheint oder Formate wie der «Samschtig-Jass» zum Service public gehören, ist aber stark subjektiv.
Zweitens ist das mediale Angebot an Unterhaltung exponentiell gewachsen, was den Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums verschärft. Öffentliche Medien stehen nun in direktem Wettbewerb mit einer Vielzahl anderer Medien, Plattformen, Social Media und Streamingdienste, die an keinen Auftrag zur Information, Bildung und Kultur gebunden sind. Digitale Wettbewerber, insbesondere On-Demand-Plattformen, bieten den Zuschauern die Möglichkeit, Inhalte jederzeit und überall anzusehen. Durch die sinkende und immer weniger ritualisierte Nutzung fällt es der SRG immer schwerer, die Bindung zum Publikum zu halten. Das klassische Fernsehen ist längst nicht mehr das Lagerfeuer der Nation.
Drittens haben öffentliche Medien den gesetzlichen Auftrag, alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Da führt kein Weg an Social Media vorbei. Um zum jungen Publikum durchzudringen, versuchen sich SRF, ORF und Co. auch auf Plattformen wie TikTok. Doch die Anpassung an die Spielregeln sozialer Medien birgt das Risiko, dass sie ihre eigene journalistische Seriosität untergraben. Denn soziale Medien leben gerade von der Zuspitzung, Emotionalisierung, Einseitigkeit und teilweise auch grenzwertigem Humor – Eigenschaften, die im Gegensatz zu den Service-public-Grundsätzen wie Ausgewogenheit, Sachlichkeit und Vielfalt stehen.
Es braucht eingängige Kernbotschaften
Vor diesem Hintergrund ist die SRG umso mehr gefordert, den Dialog mit der Bevölkerung zu suchen und auf Kritik einzugehen. Denn die Botschaft der Halbierungsinitiative ist eingängig: Die SRG soll ihr Geld lieber für Information, Bildung und Kultur einsetzen, statt es für Unterhaltung und Sport zu vergeuden. Die SRG tut gut daran, ihre Gegenposition in ebenso eingängige Botschaften zu verpacken.
Sie müsste vermitteln, dass beliebte Unterhaltungsformate wie beispielsweise die Landfrauenküche oder Sportprogramme nicht bloss Selbstzwecke sind. Während sie beim klassischen linearen Rundfunk als Magnete fungieren, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu ziehen, stärken sie in der heutigen On-Demand-Medienwelt die Markenbindung. Eine solche Bindung ist essenziell, um den Zugang zu den vielfältigen Informations-, Kultur- und Bildungsangeboten der SRG zu erhalten.
Insgesamt sollte sie also betonen, dass ihr Vollprogramm mehr ist als die Summe seiner Teile. Denken Sie an die Harry-Potter-Geschichten, die ohne Zaubersprüche und Quidditch lediglich die Schulzeit und Prüfungen der Charaktere zeigen würden. Wichtige Themen wie Freundschaft wären zwar noch vorhanden, aber niemand würde sich für sie interessieren. Ähnlich ist es, wenn Unterhaltungs- und Sportelemente aus dem Medienangebot entfernt werden. Reine Information hat es schwer auf dem entritualisierten Medienmarkt.
Zu guter Letzt muss die SRG also aufzeigen können, dass sie der strukturellen Medienkrise durch die Produktion hochwertiger Inhalte entgegenwirkt, die Information, kulturelle und gesellschaftlich verbindende Elemente umfassen. Eine Vertiefungsstudie des Medienqualitätsrating Schweiz zeigt, dass SRG-Sendungen eine wichtige Rolle bei Meinungs- und Willensbildung spielen. Ob es ihr gelingt, die Bevölkerung zu überzeugen, bleibt abzuwarten. Doch historisch gesehen hat der Service public in der Schweiz einen höheren Stellenwert als in unseren Nachbarländern – die Rahmenbedingungen wären also günstig. Wapplers jüngste Empörung über die Abbaupläne von Medienminister Rösti, angeblich um der Halbierungsinitiative den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist demnach verständlich.
Philipp Bachmann ist Dozent für Strategische Kommunikation und Medienökonomie an der Hochschule Luzern. Er wirkt als Wissenschaftler am Medienqualitätsrating Schweiz mit.
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