Jahrelang war Nokia die unangefochtene Nummer eins im Handy-Markt. Doch bei den boomenden Computer-Handys verloren die Finnen den Anschluss. Jetzt setzen sie zum Befreiungsschlag an: Nokia übernimmt Microsofts Betriebssystem. Das Betriebssystem Windows Phone 7 soll die Plattform für Nokia-Smartphones sein, wie die beiden Konzerne am Freitag ankündigten. Die Software wird von Experten als technologisch ausgereift und modern gelobt; von den Konsumenten ist sie bislang allerdings nicht auf breiter Front angenommen worden. Im vierten Quartal lag der Marktanteil bei 3 Prozent.
Nokia hatte im Smartphone-Markt zuletzt deutlich an Boden gegen Rivalen wie Apple mit seinem iPhone und das Google-Betriebssystem Android verloren. Im vergangenen Jahr fiel der Marktanteil im gesamten Handy-Markt nach Zahlen der Marktforscher von Gartner von 36,4 auf 28,9 Prozent. Auch die Gewinne sanken. Nokia setzte bei den Computer-Telefonen bisher vor allem auf das eigene Betriebssystem Symbian, das aber als veraltet gilt. Das System solle weiter unterstützt werden, hiess es am Freitag. Auch die Arbeit an der neuen offenen Plattform MeeGo werde fortgesetzt. Vor allem wollen die beiden Konzerne aber Windows Phone gemeinsam weiterentwickeln. Die Stärken der beiden Konzerne ergänzten sich, heisst es in einem gemeinsamen Brief von Nokia-Chef Stephen Elop und Microsoft-Chef Steve Ballmer.
So werde Nokia die Erfahrungen aus der Handy-Gestaltung und Unterstützung verschiedener Sprachen einbringen. Ausserdem wird Nokia die Microsoft- Suchmaschine Bing für seine Handys und Dienste übernehmen. Nokias eigener Karten-Dienst wird bei Microsoft integriert.
Kein Kahlschlag
Zudem verordnet Elop dem Konzern eine neue Struktur. Das Telefon-Geschäft wird aufgeteilt: Ein Bereich soll sich künftig mit Smartphones beschäftigen, ein anderer die Marktführung bei günstigeren einfachen Handys sichern. Nokia stehe an einem entscheidenden Scheideweg, sagte Elop. Der Kanadier stiess erst im Herbst von Microsoft zu Nokia. Die Führungsspitze von Nokia will Elop mit nur einer Ausnahme unverändert lassen. Lediglich ein Topmanager muss seinen Hut nehmen. Im Vorfeld war spekuliert werden, dass Elop im grossen Stil in der Managementetage aufräumt. Elop erklärte, 2011 und 2012 würden Übergangsjahre für das Unternehmen für den Aufbau der Partnerschaft mit Microsoft. Am Aktienmarkt kamen die Aussichten am Freitagmorgen überhaupt nicht gut an: Die Nokia-Papiere stürzten um gut zehn Prozent ab.
Auf ganzer Linie gescheitert
"Diese Partnerschaft gründet auf der Angst beider Seiten, von Apple und Google an den Rand gedrückt zu werden. Aber sie ist keine Patentlösung für die Probleme", urteilte Analyst Geoff Blaber von CCS Insight. "Das ist eine Offenbarung, dass Nokia mit seiner Plattform-Strategie auf ganzer Linie gescheitert ist und es betont den Ernst der Lage für das Unternehmen. Solch ein Schritt wäre noch vor 12 Monaten undenkbar gewesen", sagte Blaber. In den vergangenen Tagen häuften sich aber Medienberichte über Verhandlungen zwischen den beiden Unternehmen. Zudem gelangte eine interne Brandrede Elops in die Öffentlichkeit, in der er schonungslos den Zustand von Nokia kritisierte.
Unter anderem verglich er den Konzern mit einem Mann, der auf einer brennenden Bohrinsel steht und sich metertief ins eiskalte Wasser stürzen müsse, um zu überleben. Am Freitag ergänzte Elop im Kurznachrichtendienst Twitter: "Heute taucht Nokia nach vorn." (sda)