Im 19. Jahrhundert reiste die High Society aus ganz Europa für Trinkkuren ins Unterengadin. Ein beliebter Gastort im Bädertourismus: das Kurhotel Waldhaus Vulpera. 1989 brannte das Grandhotel ab, vermutet wird bis heute Brandstiftung. 35 Jahre später lässt die Tourismusorganisation Engadin Scuol Samnaun Val Müstair das Waldhaus Vulpera wieder aufleben – zumindest virtuell.
Die Trinkkuren von anno dazumal sind heute kein Thema mehr, aber die 20 Mineralquellen in Scoul und Umgebung sind geblieben. Sie sollen nun als touristisches Highlight vermarktet werden. Dafür spannt die regionale Tourismusorganisation mit der Zürcher Agentur Bandara, die auf Virtual- und Augmented Reality spezialisiert ist, zusammen. Die beiden Partner lancieren die App «Misteri a Vulpera», ein Rätselspiel, das eine Zeitreise zurück in die Blütezeit des Kurtourismus im Jahr 1908 ermöglicht.
«Wir wollen die Region wieder mehr beleben und so den Grundstein für weitere touristische Angebote legen», sagt Sophia Bartolomei, Leiterin Produktmanagement Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair,auf Anfrage von persoenlich.com. Mit der App erhofft sie sich, vor allem eine «junge, technikaffine Generation» nach Vulpera zu locken.
Steht man dort, wo das abgebrannte Grandhotel Waldhaus einmal stand, taucht es mittels Augmented Reality in der App wieder auf. Der Hoteldirektor erscheint als Avatar und bittet die Spielenden um Hilfe bei der Suche nach dem verschwundenen Gast Henry Wells. Die App ist als Rätselspiel angelegt. «Wir wollten keine rein edukative Experience, sondern eine interaktive Challenge», sagt Daniel Gremli, der vonseiten Bandara die Hauptverantwortung für das Projekt trägt.
Die Nutzerinnen und Nutzer werden durch die GPS-Funktion in der App an verschiedene Orte in und um Vulpera geführt. Um Wells zu finden, müssen sie sich mit verschiedenen Figuren unterhalten. Man trifft zum Beispiel auf den Musiker Hugo Novak aus dem Kurorchester des Hotels, mit dem man ein Buch über Mineralwasser findet, in welchem ein Hinweis zu Henry Wells versteckt ist. «Um die Interaktion mit diesen Avataren möglichst natürlich zu machen, werden sie von künstlicher Intelligenz gesteuert», sagt Gremli. So hätten sie auf jede Frage eine Antwort bereit. Was nach viel Technologie tönt, soll sich für die Nutzerinnen und Nutzer eben genau nicht danach anfühlen. Die Herausforderung sei gewesen, ein möglichst intuitives Nutzererlebnis zu schaffen, bei dem die Inhalte im Vordergrund stehen.
Rund sechs Monate hat Bandara an der App «Misteri a Vulpera» gearbeitet. «In der Konzeptionsphase wussten wir oft nicht, ob unsere Ideen technologisch überhaupt umsetzbar sind», sagt Gremli. Deshalb wurde parallel sehr viel Prototyping betrieben. Nebst Konzeption um Umsetzung hat das Projekt auch für Bewegung gesorgt. Da die App GPS nutzt, um die User zu den Personen zu führen, sei das Testing vor Ort wichtig gewesen, fügt Gremli an. «So wurde jeder Test zu einer kleinen Wanderung.»
Das neue digitale Angebot soll Vulpera wieder stärker beleben und das Ganzjahresangebot rund um das Mineralwasser ausbauen, so das Ziel von Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair. Um auf die App aufmerksam zu machen, wurde «Misteri a Vulpera» im Mai, am Jahrestag des Brandes, ausgewählten lokalen Medien vorgestellt. Zudem wird das Angebot im Rahmen einer kleineren Onlinekampagne sowie auf den eigenen Kanälen beworben. Das Ziel: 800 App-Downloads bis Ende 2024.