07.08.2024

Locarno Film Festival

«Das ist eine schöne Anerkennung»

Als erste Schweizer Serie wird «Die Letzten ihrer Art» am Samstag ausserhalb des Wettbewerbs gezeigt. Co-Produzentin RTS hat sich mit 4 Millionen Franken zu 80% am Gesamtbudget beteiligt. Autor und Regisseur Bruno Deville erklärt, was dieser Auftritt bedeutet und was Klimawandel mit Männlichkeitscamps zu tun hat.
Locarno Film Festival: «Das ist eine schöne Anerkennung»
«Trotz der scheinbaren Leichtigkeit wollten wir dort drücken, wo es wehtut», so Drehbuchautor und Regisseur Bruno Deville. (Bilder: zVg/Pierre Daendliker)

Bruno Deville, nach «Tschugger» spielt auch «Die Letzten ihrer Art» im Wallis. Was bietet dieser Kanton als Schauplatz für eine Serie?
Der Berg ist eine Figur für sich, er hat etwas Gefährliches, Dramatisches und gleichzeitig ist er ein Heiligtum von majestätischer Schönheit. Der Ferienort Anzère bot eine perfekte Kulisse für unsere Geschichte. Eine Reihe von grossen Chalet-Gebäuden, die alle gleich aussehen, sehr grafisch, erzählt im Hintergrund die Geschichte des Skitourismus der 60er- und 70er-Jahre, der heute direkt vom Klimawandel bedroht ist.

Ihre Serie vereint die Crème de la Crème der Westschweizer Comedians: Die beiden Vincents, Thomas Wiesel, Marina Rollman, Yann Marguet. Wie konnten Sie sie alle davon überzeugen, mitzumachen?
Von Beginn des Projekts an war die Idee, die Rollen auf sie zugeschnitten zu schreiben. Ich mag ihren poetischen und politischen Blick auf die Welt, der sich in ihrem Humor mit viel Intelligenz widerspiegelt. Das Konzept, die Geschichte und ihr Wunsch, introspektivere Rollen zu spielen, gefielen ihnen, und die Truppe versammelte sich ziemlich reibungslos und fröhlich um das Projekt.

«Trotz der scheinbaren Leichtigkeit wollten wir dort drücken, wo es wehtut»

Welche Herausforderungen bringt es mit sich, mit einer so hochkarätigen Besetzung Regie zu führen?
Das Publikum kennt sie für ihre Pointen in kurzen Formaten. Meine Absicht war es, herauszufinden, wie man sie auf andere Art und Weise ins Herz schliessen kann. Ich wollte, dass sie uns zum Lachen, aber auch zum Schaudern oder Weinen bringen können. Sie mussten aus ihrer Komfortzone herausgeholt werden. Ich wollte ein Spiel aus sich selbst heraus, ohne nachzuäffen oder zu signalisieren, dass man zum Lachen bringen will. Technisch gesehen ist es eine Herausforderung, so viele Charaktere zu haben, sowohl in der Inszenierung als auch in der Produktion. Müssen doch die Drehpläne mit den Tourneedaten der Auftritte jedes Einzelnen vereinbart werden. Eine weitere Besonderheit dieser Serie ist, dass es viele Gruppenszenen gibt, sodass die Schauspielerinnen und Schauspieler sehr gut aufeinander hören müssen.



Die Serie folgt verschiedenen Charakteren: einem Coach für Persönlichkeitsentwicklung, der einen Kurs in «Männlichkeit» organisiert, einer Tourismusmanagerin, die an einem Junggesellinnenabschied teilnimmt, einem nicht ganz sauberen Clubbesitzer. Was ist Ihr roter Faden?
Während sich das Klima ändert, verändert sich auch die Gesellschaft rasant und produziert Kollateralschäden bei uns Menschen. Wir taumeln und haben manchmal Schwierigkeiten, mitzuhalten. In «Die Letzten ihrer Art» gibt es einen brennenden Wunsch, eine «Trostgesellschaft» darzustellen, die versucht, aus der Sackgasse herauszukommen; etwas Neues schaffen zu wollen, ohne zu wissen, was oder wie, und das alles, ohne auf seine Privilegien zu verzichten ... In einem Moment, in dem alles zusammenbricht, wollten wir die Figuren in den Schlamm ihrer Paradoxien und Kompromisse tauchen. Oftmals offenbart sich die wahre Arbeit an sich selbst erst in der Prüfung. In diesem konkreten Fall eine thematische Kollision zwischen «Midlife Crisis» und Klimakrise, um dieser Frage des Kipppunkts, von dem man bei den Kollapsologen viel hört, auf den Grund zu gehen.

«Das ist ein Signal für die neuen Paradigmen des Marktes»

Die Handlung spielt in dem fiktiven Wintersportort Excelsior, der den dritten schneelosen Winter in Folge erlebt. Eine Dystopie, in der sich die Après-Ski-Fans mit dem Schmelzen der Gletscher abgefunden haben. Wollen Sie eine Bewusstseinsänderung herbeiführen?
Sind wir die nächsten auf der Liste? Eine bedrohte Art? Sind wir bereit, uns zu ändern? Was könnte wirksamer sein als Humor, um ernste und tragische Themen zu behandeln? Unsere Absicht ist es, dem Publikum eine festliche, energiegeladene und rhythmische Abenteuerkomödie zu bieten, die es dem Publikum ermöglichen soll, über die Absurdität unserer Lebensumstände zu lachen. Trotz der scheinbaren Leichtigkeit wollten wir unseren Figuren direkt in die Augen schauen und den Finger dort hinlegen, wo es wehtut. Wir wollten einen «bipolaren» Humor entfalten, der ebenso burlesk wie tiefgründig ist.

«Die Letzten ihrer Art» feiert am Samstag am Locarno Film Festival Weltpremiere. Es ist das erste Mal, dass eine Schweizer Serie dort gezeigt wird. Was bringt diese Teilnahme für eine Produktion wie die Ihre?
Es ist ein wichtiges Highlight, da es sich tatsächlich um die erste Schweizer Serie handelt, die bei diesem renommierten Filmfestival gezeigt wird. Das ist ein Signal für die neuen Paradigmen des Marktes und vor allem eine schöne Anerkennung für die Serie. Diese Sichtbarkeit ist sicherlich auch ein Pluspunkt für den zukünftigen Verkauf auf internationaler Ebene.

Die sechs Episoden werden danach 30 Tage lang auf Play Suisse verfügbar sein, erst 2025 werden sie im Fernsehen auf RTS ausgestrahlt. Was ist der Vorteil dieses «Online First»-Ansatzes?
Es ist eine Entscheidung der SRG, die sicherlich das Publikum ansprechen möchte, das es gewohnt ist, die Videos unserer Comedians in den sozialen Netzwerken anzuklicken und sich Serien auf den Plattformen anzuschauen. Nur wenige Zuschauerinnen und Zuschauer schauen sich heute Serien linear an, vor allem in der Altersgruppe unter 50 Jahren. «Die Letzten ihrer Art» auf Play Suisse ist sicherlich eine Antwort auf diesen aktuellen und zukünftigen Trend. Und die lineare Ausstrahlung im Februar 2025 ermöglicht eine langfristige Nutzung, noch dazu zu der Jahreszeit, in der diese Geschichte spielt, der Fasnachtszeit.


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